Donnerstag, 8. Juli 2021

„Deutscher Meister war nur der SCR!“



Rezension

SK Rapid (Hg.)
„Deutscher Meister war nur der SCR!“ Die Bedeutung der „2. Großdeutschen Kriegsmeisterschaft“ und die Rolle des SK Rapid im Nationalsozialismus
Projektleitung und Text: Laurin Rosenberg
Wien 2021
32 S.





„Darf man auf Rapids deutschen Meistertitel stolz sein?“ Eine einfache und doch komplizierte Frage sucht die Broschüre des Rapideum anlässlich des 80. Jahrestags des Titelgewinns Rapids am 22. Juni 1941 zu beantworten – ein Tag, der in die Weltgeschichte wegen des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion einging, der eine neue Dimension des Vernichtungskriegs der Nazis und des millionenfachen Mordens brachte.

Die Publikation berichtet die Vorgeschichte des Titelgewinns mit der Nazi-Machtübernahme und der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich 1938, was auch den Fußballbetrieb vielfältig veränderte. Der in Wien seit 1924/25 betriebene Profibetrieb wurde abschafft und durch Pseudo-Anstellungen der für Trainings und Spiele freigestellten Spieler und öffentlichen Bereich ersetzt. Eine Auswahl an Vereinen wurde in den nach einem Nazi-Sportfunktionär benannten, bereits laufenden deutschen Cupbewerb aufgenommen. Rapid gewinnt den Pokal, am 8. Jänner 1939, dem 40. Vereinsgründungstag, vor 40.000 Zuschauerinnen und Zuschauern im Berliner Olympiastadion gegen den FSV Frankfurt. Zweieinhalb Jahre später stand Rapid am selben Ort im Meisterschaftsfinale. Nach dem Meistertitel der „Gauliga Ostmark“ 1940/41 (wird nach der Befreiung 1945 vom ÖFB als österreichischer Meistertitel geführt) traf Rapid in den Gruppenspielen der Endrunde um die deutsche Meisterschaft auf 1860 München, die Stuttgarter Kickers und den VfL Neckarau aus Mannheim, im Semifinale im schlesischen Beuthen (Bytom) auf den Dresdner SC und dann im Finale auf Schalke 04. Ein starker Gegner: „Von 1933 bis 1944 sind die Knappen durchgehend Meister der Gauliga Westfalen. Von 1934 bis 1942 steht die Mannschaft neun Mal im Finale um die Deutsche Meisterschaft, das sie sechs Mal gewinnt. Von den acht Endspielen um den Tschammer-Pokal in diesem Zeitraum erreicht sie fünf, siegt jedoch nur ein einziges Mal. Diese Stärke kann später nie wieder erreicht werden. Nach 1945 kommt nur noch der Meistertitel 1958 hinzu. Dennoch sind nach wie vor nur der FC Bayern München (31), der 1. FC Nürnberg (9) und Borussia Dortmund (8) öfter auf der deutschen Meisterschale vertreten als Schalke.“

Der sportliche Verlauf des Wegs ins Finale wird in der Broschüre mit Daten und zeitgenössischen Zeitungszitaten nachgezeichnet, Das Finalstadion und der in der Ausstellung des Rapideum in originalgetreuer Nachbildung zu sehende Meisterpokal (die Victoria) werden beschrieben. Dass dies alles nicht in einem normalen Umfeld sondern vor dem Hintergrund der Nazi-Verbrechen geschah, wird deutlich gemacht. Die Geschichte Rapids in der Nazizeit wurde bereits vor einem Jahrzehnt in der Studie Grünweiß unterm Hakenkreuz aufgearbeitet. Funktionäre Rapids beteiligten sich aktiv am Naziregime und unterstützten es, zum Hitler-Geburtstag 1940 spendete Rapid vierzig unwiederbringliche Trophäen, um sie für die Kriegsproduktion einzuschmelzen, und mit dem Rapid-Spieler Fritz Durlach gab es auch einen Kriegsverbrecher und Folterer. Die Vertreibung und Ermordung der Jüdinnen und Juden traf ebenfalls auch Rapid, mit den prominentesten Fällen des ehemaligen Rapidpräsidenten Fischer und des langjährigen Funktionärs Schidrowitz, die vor der Verfolgung durch die Nazis als Juden nach Brasilien flüchten konnten, oder den in der Shoah ermordeten Rapidlern Goldschmidt und Dünmann. Dazu kamen Fälle von Renitenz.

Man kann sich an den sportlichen Erfolg selbstbewusst erinnern. Die Umstände der zeitgleichen Verbrechen und Opfer kann man aber nicht ausblenden. Ob sich das in dem im Titel genannten, heute mit Ausnahmen nicht mehr zu hörenden Fangesang, ausdrückt, kann man bezweifeln – wenngleich emotionale Zuspitzung und nicht Komplexität Sinn und Zweck eines Fangesang sind. Autor Laurin Rosenberg findet jedenfalls eine treffende Schlussfolgerung mit Rapid-Bezug: „Die Gründung des 1. Wiener Arbeiter Fußball-Clubs erfolgte 1897 durch Arbeiter der Hutfabrik der Gebrüder Böhm. Diese Fabrik hatte eine Zweigstelle in der kleinen tschechischen Stadt Nový Jičín. In genau dieser kleinen Stadt wurde Max Mannheimer 1920 geboren. Als Jude wurde er inhaftiert und überlebte mehrere Konzentrationslager. Als Zeitzeuge sprach er mit tausenden von Menschen und sagte immer wieder einen Satz, den auch wir hier ans Ende dieser Broschüre setzen wollen: Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht.“

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