Donnerstag, 31. Dezember 2020

Green Monsters – Bildchronik von einem Vierteljahrhundert




Rezension


Green Monsters '95
XXV
Bildchronik von einem Vierteljahrhundert
Budapest 2020
336 S.







Zu ihrem 25-jährigen Jubiläum brachten die Green Monsters des Ferencvárosi Torna Club im Juni 2020 mit dem ungarischen Untertitel Negyedévszázad képes krónikája (gleichlautend wie in der Übersetzung) ein Buch heraus, das nun auch in deutscher Sprache verfügbar ist. Es ist ein Bildband mit unzähligen Fotos aus diesem Vierteljahrhundert. Dazu gibt es begleitende Texte zu verschiedenen Aspekten der Geschichte, die einen Hintergrund zum Gesehenen vermitteln.

Schon der Anfang des Buchs hat es in sich: „Green Monsters. Ja, wir wissen, kein besonders kreativer Name, und noch dazu nicht in Ungarisch sondern in English. Um einen Fanclub zu benennen, muss man nicht zu viel denken. [...] Was wichtig ist, sind die 25 Jahre, die diesem Namen Bedeutung gegeben haben und ihn mit Inhalt gefüllt haben. [...] Am Spielfeld, auf den Rängen, auf der Straße, in allen Sparten der Bewegung. So wurde der Name ein Teil der Geschichte, der für Fans aus der Kurve und auch für Außenstehende die Definition von Ferencvárosfans, vom B-Közép, ist. GREEN MONSTERS. Na, klingt es schon besser?“ Ein beachtlicher Einstieg.

In einzelnen Kapiteln wird die Geschichte chronologisch im Fünfjahressegmenten mit Bildern und Text dazu dargestellt. Daneben werden spezielle Themen in eigenen Abschnitten behandelt. Zu sehen sind Bilder von Tifo-Aktionen, Choreographien, Spruchbändern, viel Pyro, die eine oder andere Ausschreitung. 2006 musste Ferencváros einen Zwangsabstieg in die zweite Liga hinnehmen, in der man einige Jahre verbrachte. Als mit dem Abstieg viele Spieler den Verein verließen und es ein großes Thema war, wer seinen Vertrag erfüllen würde, wurde im ersten Zweitligaspiel „Unser Vertrag gilt lebenslang!“ als Spruchband präsentiert. Der Satz ziert seither bei jedem Heimspiel das Vorsängerpodest, da er viel ausdrücke: „Jeder, der die Essenz dieses Satzes versteht, versteht was dieses Buch erzählen möchte.“

Abseits der kurzen Einführungen zu den chronologischen Kapiteln sind die Texte aus einer persönlichen Perspektiven mit persönlichen Worten geschrieben sind, was sie spannend macht. „Eigentlich brachte das Match das Feuer zu den Fans, nicht umgekehrt. Die Organisation und Proaktivität fehlte komplett.“ erzählt einer der Gründer in seinem Text zu den Jahren 1995 bis 2000 von der Atmosphäre im Stadion Anfang der 1990er Jahre. Er berichtet anschaulich, wie aus einem Kreis von Freunden der Kern der Gruppe wurde, man knapp vor dem ersten offiziellen Spiel am 20. Mai 1995 den Fetzn machte und die Reise begann, die erst im Durchsetzen in der eigenen Kurve bestand. Durch die persönliche Schilderung hat das eine Würze und beinhaltet auch Anekdoten. Mit Schmunzeln liest man, wie die Motivation in der Kurve zu Auswärtsfahrten gesteigert wurde, damit der B-Közép auch auswärts stärker vertreten war: „Wir erklärten die Vorteile von Zugfahrten für die Kurve: Die Ungarische Bundesbahn gewährte uns einen Fahrkartenrabatt. Na gut, ehrlich gesagt, war das nicht so und viele Tickets wurden von uns einfach nicht bezahlt. Für die Schaffner in den Zügen war das kein großes Problem. Um unser Ziel zu erreichen, reichten etwas Taschengeld für die Schaffner, leere Versprechen oder manchmal auch laute Worte. Im Nachhinein bin ich nicht mehr stolz darauf. Obwohl ich weiß, dass die Ungarische Bundesbahn wegen uns nicht kurz vor dem Konkurs stand, möchte ich mich entschuldigen. Es tut mir leid.“

Politik steht nicht im Zentrum der Aktivitäten, die Positionierung ist aber klar. „Das christlich-nationale Selbstbewusstsein der Mitglieder ist stark.“ wird das an einer Stelle in Worte gefasst. In der Fotosammlung ist u.a. auch ein Bild des Gedenkspruchbands dokumentiert, das 2013 für einen kurz zuvor verstorbenen ehemaligen Polizeikommandanten des seinerzeit ungarisch besetzten Košice gezeigt wurde, der dort 1944 die Ghettoisierung und Deportation zur Ermordung ins KZ Auschwitz von 15.700 Jüdinnen und Juden durch seine Truppe organisiert hatte. Das Spruchband fand damals 2013 international mediale Beachtung, wird hier aber nicht hervorgestrichen.
Man erfährt von der Erstellung von Choreographien früher („Alles wurde auf einem karierten Papier entworfen. Es war viel wert, gut malen oder schön schreiben zu können.“), Gruppenaktivitäten wie gemeinsamen (abenteuerlichen) Sommerurlauben, „Fradibox“ und den karitativen Spendensammlungen für ein Budapester Kinderkrankenhaus. Man sieht Bilder von Choreoentstehungen, Graffitis und Pickerln. Man liest von der Entwicklung des B-Közép. Die choreographische Entfaltung fand in den letzten Jahren zu Recht Aufmerksamkeit.

Rapid gilt eine eigenes Kapitel, in dem die Entwicklung der Beziehung beschrieben wird. Von ersten Anfängen in den 1990er Jahren („Anfangs waren die Pumukli Casuals die erste Gruppe von Ferencváros, die zu den Grün-Weißen nach Wien fuhr.“) über die erste Monsters-Kontaktaufnahme bei einem SCR-FTC-Sommertestspiel 1997 „in einer kleinen Stadt im Burgenland“ (Halbturn, in der Eintrittskartensammlung am Buchende ist ein Ticket davon zu sehen), Entwicklung persönlicher Kontakte mit der UR-Gioventù bei einem Spiel 2003, Spendenaktion und Benefizspiel Rapids nach dem Abstieg bis zur intensiven Freundschaft mit den Tornados. „Diese Freundschaft ist für uns von großem Wert und wir können einer der besten Kurven Europas nur dafür danken, dass sie uns mehrmals ihre Loyalität bewiesen hat.“ Das älteste Rapid-Foto im Heft zeigt den damaligen Monsters-Fetzn (sowie Western Greens) in der Kurve bei einem Auswärtsderby im Happelstadion am 15. August 1997 hängen. Weiters sind hier Freundschafts-Choreographien in Wien und Budapest der letzten Jahre und gemeinsame Gruppenfotos von Green Monsters und Tornados zu sehen.

Nochmal zurück zu den einleitenden Worten im Vorwort des Buchs, welche die 25 Jahre reflektierten: „Natürlich ändert sich im Laufe der Jahre viel, aber zum Glück sind manche Sachen immer noch die gleichen. Zusammenhalt, Kampf, gute Laune.“

Hinweis: Erhältlich demnächst im BFU-Shop.

Dienstag, 29. Dezember 2020

Forza Rapid, 23



Rezension


Forza Rapid
Die Hütteldorfer Revue
Nr. 23, 3/2020
100 S.










Frohe Botschaft zum Jahresende: Das neue Heft von Forza Rapid ist da.
Corona prägte unzweifelhaft dieses Jahr 2020. Die Auswirkungen für Rapid werden im Heft beleuchtet. Hierzu gibt es eine Geisterspiel-Reportage und ein Artikel widmet sich den finanziellen Konsequenzen.
Ein wichtiger Schritt voran war für den Verein, dass durch Umstände der Aufstieg der Amas in die weite Liga möglich wurde. Steffen Hofmann spricht in einem Interview dazu über seine Trainertätigkeit bei Rapid II.
In meiner Serie Rapid around the world führe ich 1.034 Kilometer weit nach Xanthi.

Einer besonderen Freundschaft widmet sich Thomas Lanz in seiner Serie über Rapid-Fanfreundschaften, nämlich der Beziehung zur Fanszene des Schweizer EHC Kloten. Eishockey? Ja, genau. Im Interview erzählen Lions-Protagonisten, wie die Kontakte zum Block West vor eineinhalb Jahrzehnten bei den Ultras begannen und bei Lions/Lords zu einer Freundschaft wurden. Der Interviewer ging sein Thema gewissenhaft an und stellte zum Einstieg seinen Gesprächspartnern gleich einmal Eishockey-Regelfragen. Dass Freundschaften zwischen Fanszenen von Fußball- und Eishockeyklubs weniger ungewöhnlich sind, als es scheint, erklären die Lions: „Die Klotener sind aber nicht die einzigen Eishockeyanhänger mit guten Kontakten zu ausländischen Fußballklubs. Davos und Altach sind oder waren genauso befreundet wie die Leute vom HC Lausanne (Anm.: Section Ouest 1933) und die Südkurve von Carl Zeiss Jena.“ Ambrì und Pisa fiele mir ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Expertise noch ein. Die Frage Fußball oder Eishockey ist für ihre Freundschaft nicht bedeutend: „Ich mache das nicht von der Sportart abhängig. Sie sind genauso Ultras wie wir. Das ist das, was im Endeffekt zählt.“

In der Rubrik Fetzn-Schmankerl resumiert Thomas Lanz die Ereignisse um Andreas Ivanschitz 2005 bis 2007. In der Serie Lost Fanclubs portraitiert Kersten Bogner den 1979 gegründeten Fanclub Die Löwen und interviewt Stefan Singer zu den Nachfolge-Fanklubs Rapidfans Floridsdorf und Flotown Boys. Weiters lässt er mit „Christbaum“ einen weiteren Protagonisten jener Fangeneration erzählen. Fangeschichtlich bietet das Heft somit wieder Beachtliches an Stoff.

Waren bei den obengenannten Texten schon interessante Fotos zu sehen, so gibt es die besten Bilder des Hefts in einem Portrait des Rapidfans und Fotografen Roman Zach-Kiesling. Herrliche Bilder der Meisterfeiern 1982, 1983 und 1996. Am besten gefallen mir dabei das von Fans gefüllte Spielfeld im Hanappi-Stadion 1982 während die Tribünen im Hintergrund auch noch voller Menschen sind (verdeutlicht, welche Masse sich damals im Stadion drängte – man spricht ja von 25.000), Hans Krankls Einsatz mit Krücke bei der Verhinderung eines Platzsturms in Eisenstadt 1983 mit bereits auf dem niedergetretenen Spielfeldzaun stehenden Fans (Krankls Gesichtsausdruck!) und das Kurvenpanorama 1996.

Ein besonderes Kapitel ist wieder der Geschichtsteil. Wissenswertes und Lesenswertes findet man hier: Rapid und der Cup in historischer Perspektive, der längstdienende Kapitän Rapids Rigo Kuthan, Christian Keglevits, Leopold Nitsch, Rapids Cup-Saison 1970/71 und Gregor Labes erinnert an das doppelte Jubiläum der Rapidspiele gegen Aston Villa 2009 und 2010. Labes' Grant wegen Rudi Edlingers gerader Worte in der Jelavić-Affaire 2010 teile ich nicht. Ich fand sie damals angebracht und sie sprachen mir aus der Seele. Jedenfalls kann man an diese vier Spiele und natürlich vor allem an die beiden Auswärtsspiele nicht zurückdenken, ohne dass einem die Augen leuchten. Völlig richtig, dass man sich „Highlights à la Aston Villa abspeichern und auch wieder in Erinnerung rufen muss, um Nightmare-Zeiten zu überstehen.“

Sonntag, 27. Dezember 2020

When Saturday Comes, 404



Rezension


When Saturday Comes
The Half Decent Football Magazine
Issue 404, December 2020
48 S.









“Without fans it's not football, but it's not nothing.” bringt ein Geisterspielbericht aus dem neuen Stadion von Brentford die Misere des gegenwärtigen Fußballbetriebs auf den Punkt.

Zwei interessante Texte geben Einblick in das Gefühlsleben von Fans eines „verstorbenen“ und „wiederauferstandenen“ Vereins − phoenix club nennt man das hier. 2019 wurde der Bury FC wegen Überschuldung von der English Football League ausgeschlossen und existiert seither nur mehr als rechtliche Hülle ohne Spielbetrieb. Mit der neuen Saison starteten Fans den Bury AFC in der zehnten Spielklasse. Finanzierungsbasis bildeten 1.500 Mitglieder und 1.800 verkaufte Dressen. “A different mood began emerging, based on the conviction that the fans are the club. Despite everything that had been taken from us, we were still here.” Doch es beteiligten sich bei weitem nicht alle Fans des alten Bury FC am neuen Projekt. “There have been misgivings, with some supporters unwilling to join in while the previous club still exists at least as a legal (although moribund) entity.”

Weitere Themen im Heft sind das unter dem Titel Project Big Picture bekannt gewordene Konzept, den großen Vereine der englischen Premier League das Übergewicht der Stimmrechte bei Ligaentscheidungen zu geben, der Krieg zwischen Aserbeidschan und Armenien und seine Auswirkungen auf den Fußball oder Preston North End.

Freitag, 25. Dezember 2020

Grober Schnitzer, 15





Rezension


Grober Schnitzer
Ausgabe 15
September 2020
128 S.









Auf 128 Seiten erfreut der Grobe Schnitzer mit Berichten über allerhand Groundhopping, die Spiele von Werder Bremen sowie mit Interviews und Rezensionen.

Die Schnitzer-Hopping-Saison 2019/20 begann im Juni 2019 beim Cork City FC im Rahmen einer Irland-Reise, auf der auch ein Besuch beim Bohemians FC am Programm stand. Hierzu findet sich mit einem Bohemian-Lad auch das erste Interview im Heft. Es ist eine sehr gute Sache, wie hier bei vielen Berichten zuvor im Text angesprochene Aspekte nochmal in einem Gespräch vertieft werden.
Witzig und informativ ist ein Kooperationsbericht mit dem Daggl vom Besuch beim FK Partizani Tirana, beim dem der Nürnberger Freddy den Matchbericht verfasste und Siggi vom Schnitzer ein Interview mit einer Person aus der Partizani-Fanszene (Ultras Garda) führte: Informativ aufgrund der lesenswerten Inhalte, witzig wegen der von Freddy geschilderten Entstehungsgeschichte: „Plötzlich erkenne ich in naher Entfernung ein vertrautes Gesicht. Der Typ, der mit seiner Freundin unterwegs ist, erwidert meinen Blick. Auch er scheint mich zu erkennen. Es sind nur Sekundenbruchteile, bis wir aufeinander treffen und die Zahnrädchen in meinem Gehirn rattern. Wer ist der, woher kenn ich den?“ Eine selbst nur allzu vertraute Situation.

In Třinec hatte Stefan das Glück, den Verein nicht im kleinen Stadion Rudolfa Labaje sondern daneben im großen Městský stadion na Lesní spielen zu sehen. Nachdem sich auch hier im Heft nun ein Besuch in Čierny Balog samt Zugs-Durchfahrt findet, keimt der Gedanke, das auch einmal ernsthaft angehen zu sollen.
Aus Italien finden sich auch wieder einige schöne Berichte. So lerne ich etwa, dass das Spiel zwischen Crema und Fanfulla „derby del latte“ heißt. In der wie gewohnt in nur kurzen Beiträgen zusammengefassten Sammlung an Benelux-Hopping gibt es u.a. eine Liste an 13 „Must Have Grounds in Belgien. Ich habe davon keinen einzigen. Zwei habe ich zumindest leer besichtigt. Bedauerlich. Glücklicherweise mache ich mir nichts aus Listen und Rankings, aber Benelux ist eben auch nicht gerade mein direkter Umkreis.
Nach dem Trespass lese ich hier in kurzer Zeit erneut einen Hoppingreisebericht aus Jordanien, der aufgrund der Kulturbesichtigungen interessant klingt. Hier wurde noch dazu auch Vereinsfußball und nicht nur ein Länderspiel besucht, was den praktischen Wert für Gedankenspiele erhöht.

Corona ist natürlich auch hier ein Thema und so ging es auch für den Groben Schnitzer im Juni 2020 nach Tschechien zum Fußball. Dass man dabei nicht alleine war, wurde schon oftmals erwähnt, ist aber dennoch immer wieder bemerkenswert. So beim Testspiel der zweiten Mannschaften der Prager Bohemians im Sportcentrum Uhříněves: „Auf dem kleinen Parkplatz vor dem Stadiontor stapelten sich Fabrikate mit deutschen Nummernschildern, irgendwer hatte wohl mal zehn Minuten vor Anpfiff durchgezählt und nicht weniger als 36 Autos aus Deutschland sowie eines aus Österreich registriert.“ Anschließend ging es weiter nach Teplice und auch hierbei war man nicht allein unterwegs: „War fast schon ne deutsche Pkw-Kolonne hoch über die Autobahn.“
Stefan hat dabei auch eine klare Meinung zum verbreiteten Hopper-Gruppenverhalten: „Von diesem erbärmlichen Einloggen/Ausspionieren via Groundhopper App (ey, welcher halbwegs normal denkende Mensch loggt sich da eigentlich vor oder während des Spielbesuchs ein?!) halte ich gar nichts. Müll!“

Zu den Werder-Spielen gibt es bei den Berichten im Hauptteil wieder die interessante Gegenüberstellung mit Eindrücken aus den Infozines gegnerischen Kurven. Highlight hierbei die ergänzende Geschichte (ein Abdruck aus einem Podcast) zum Werder-Spiel in Leverkusen, wie 2002 Toni Schumacher dem damaligen Vorsänger ins Gesicht schlug („Der hat mir den Jochbogen und ein Stück der Augenhöhle gebrochen mit dem einen Bumms.“) nachdem die Auswärtsfans am Weg zum Stadion auf der Straße marschiert waren und damit den Bayer-Spielerbus aufgehalten hatten.

Interessant und anregend ist der mit 15 Seiten umfangreiche Fanzine-Rezensionsteil. Weiters gibt es auch erneut einen Text von Quartograd (calcio popolare in Neapel). Als jemand, der um Nahrungsaufnahme und Durststillen wenig Aufhebens macht, beeindruckt eine auf der Statistik-Seite verzeichnete Auflistung samt Mengenangaben der von der Redaktion in der Saison 2019/20 getrunkenen Biersorten. Insofern: Prost!

Donnerstag, 24. Dezember 2020

Der Kompass, 8





Rezension


Der Kompass
Ausgabe 8
2020
116 S.









Mit Timo aus Barmen gibt es neben Kev aus Halle nunmehr einen neuen zweiten Heftautor, der sich in einem Interview vorstellt und in der Aufzählung seiner Vorlieben und Eindrücke seines bisherigen Hoppings mit dem Satz Rapid finde ich einzigartig.“ sehr wahr spricht. Das ist gleich einmal sympathisch.

Ganze Wochenenden konnte Kev wieder bei europäischen Highlights wie im Herbst 2019 einem Stockholmer Derby sowie einem Krakauer Derby und im März 2020 dem letzten Belgrader Derby vor dem Corona-Schlusspfiff mit Vorprogramm am Vortag und Hauptspiel am Sonntag bestens verbringen. Vom recht flüssigen Abenteuerausflug nach Kragujevac am Vortag des Belgrader Derbys war es amüsant zu lesen. Timos Einschätzung, dass ein Besuch bei Voždovac als Vorspiel am Tag eines Belgrader Derbys uninterssant wäre, „da lediglich eine kleine Szene vorhanden ist und das wohl sinnloseste Stadion in ganz Serbien auf einem Einkaufszentrum“ stehe, kann ich insofern nicht zustimmen, als ich die Szene zwar als klein, aber nicht so dermaßen uninteressant in Erinnerung habe. Zutreffend ist aber hingegen die Annahme, „dass wohl 50% der Zuschauer unsere Nationalität teilen würden und was gibt es Schlimmeres als große Ansammlungen Deutscher im Ausland?“ Bei meiner Nachmittagsvisite seinerzeit 2017 vor dem abendlichen Derby war der Anteil deutscher Fußballtouristen am Publikum jedenfalls erwartungsgemäß hoch gewesen.

Weitere Reisen führen nach Polen – auf der beim Besuch der Autoren bei Wawel Kraków gesperrten überdachten Tribüne konnte ich vor wenigen Jahren noch Platz nehmen, was damals angesichts eines sommerlichen Regengusses hilfreich war – sowie Belgien, die Niederlande, England, Frankreich oder Andorra. Außereuropäisches Terrain ist zwar außerhalb meines Radars, es war aber spannend von Kanada zu lesen, wo Kev an einem Tag in der Stadt Toronto sowohl ein Spiel der kanadischen Premier League (beim York 9 FC) als auch der US-amerikanischen Major League Soccer (beim Toronto FC) besuchte.
Beeindruckend sind die Schilderungen vom französischen Viertligaspiel von CS Sedan und SC Bastia vor 12.000 Zuschauerinnen und Zuschauern und davon 1.200 Gästen von der Insel Korsika. „Einmal die typischen französischen Chants“ auf der einen Seite und „die paar Hits aus Richtung der Gäste beinahe schon auf Weltklasse-Niveau. Alles sehr italienisch angehaucht und ab und an alles mit einer ganz eigenen Note verfeinert.“ Ein kleiner Trugschluss im historischen Exkurs: Beim 1870 im deutsch-französischen Krieg in der Schlacht von Sedan, nach tausenden für die Machtansprüche der Kaiser und Könige getöteten Menschen, gefangengenommenen Kaiser handelte es sich um Napoléon III. Dieser hatte eigentlich nur mehr verwandtschaftlich mit Korsika zu tun, im Unterschied zum gebürtigen Korsen Napoléon Bonaparte (als Kaiser als Napoléon I. durchnummeriert).

Mit dem Griffin Park und dem Oscar Vankesbeeckstadion wurden „zwei traumhaft nostalgische Stadien besucht, welche alsbald endgültig dem Abrissbagger zum Opfer fallen werden.“ Eine gute Erinnerung, letzteres nur einmal leer besichtigtes Stadion zu einem Spiel zu besuchen. Wenn das denn einmal wieder möglich sein wird. Denn es hatte mir tatsächlich gut gefallen. Damit es mir damit nicht so geht wie mit Royal Antwerp, wo ich die Besuchsabsicht so lange nachrangig behandelt habe, bis das Stadion nach Neubau nicht mehr den Charme der historischen Tribünen versprüht. Fanzines lesen lässt die Gedanken in die Ferne schweifen.

Montag, 21. Dezember 2020

Jahresstatistik 2020



205 Spiele im Kalenderjahr 2020


Rapid:

44x Rapid

4x Rapid II

1x Rapid-Legenden


Groundhopping:

147 neue Grounds (inkl. Rapid- und Testspiele)

10 besuchte Länder außerhalb Österreichs (Spiele): Belgien (1), Deutschland (1), Griechenland (4), Italien (2), Kroatien (2), Malta (5), Slowakei (20), Tschechien (23), Türkei (14), Ungarn (11)

ein neues Land: Malta


Zahlenspiele:

486 : 347 Tore (Durchschnitt 2,4 : 1,7)

zwischen 0 und 32.876 Zuschauerinnen und Zuschauer (273.406 insgesamt, Durchschnitt ohne Geisterspiele 1.519)

180 Spiele mit Zuschauerinnen und Zuschauern, 25 Geisterspiele

83 Spiele im Ausland (40%) und 122 in Österreich (60%)

204x Männer (99,5%) und 1x Frauen (0,5%)



Bewerbsstatistik:

24x Bundesliga (Rapid)
5x ÖFB-Cup (2x Rapid)
2x Champions League: Qualifikation (Rapid)
4x Europa League (3x Rapid)
6x 2. Liga (4x Rapid II)
57x Testspiel (13x Rapid, 1x Rapid-Legenden)

1x Frauen-Bundesliga

1x Burgenland: Burgenlandliga
1x Burgenland: 1. Klasse Mitte
1x Burgenland: 1. Klasse Nord
1x Burgenland: 2. Klasse Süd B
3x Burgenland: BFV-Cup
1x Kärnten: 2. Klasse D
1x Niederösterreich: Gebietsliga Nord/Nordwest
1x Niederösterreich: Gebietsliga West
1x Niederösterreich: 1. Klasse Nordwest
1x Niederösterreich: 1. Klasse Nordwest-Mitte
1x Niederösterreich: 1. Klasse Süd
1x Niederösterreich: 1. Klasse West/Mitte
1x Niederösterreich: 2. Klasse Ost
1x Niederösterreich: 2. Klasse Ost/Mitte
1x Niederösterreich: 2. Klasse Waldviertel Süd
1x Niederösterreich: 2. Klasse Waldviertel Thayatal
2x Niederösterreich: 2. Klasse Yspertal
1x Oberösterreich: Oberösterreich-Liga
2x Oberösterreich: Landesliga Ost
2x Oberösterreich: Bezirksliga Nord
1x Oberösterreich: 1. Klasse Nordost
1x Oberösterreich: 1. Klasse Ost
2x Oberösterreich: OÖFV-Cup
4x Salzburg: Regionalliga Salzburg
1x Salzburg: 2. Landesliga Nord
1x Steiermark: Oberliga Süd/Ost
1x Steiermark: Unterliga Ost
1x Steiermark: Unterliga West
1x Steiermark: Gebietsliga Mitte
1x Steiermark: Gebietsliga Ost
1x Steiermark: 1. Klasse Mitte B
1x Steiermark: 1. Klasse Ost A
1x Steiermark: 1. Klasse Ost B
1x Steiermark: 1. Klasse Süd
1x Wien: Stadtliga
1x Melktaler Hobbyliga, Liga 1
1x Melktaler Hobbyliga, Liga 2

1x Deutschland: 3. Liga
2x Griechenland: Super League 1
2x Griechenland: Gamma Ethniki, 1os Ómilos
1x Italien: Oberliga Trentino-Südtirol / Eccellenza Trentino-Alto Adige
1x Italien: Südtirol / Alto Adige B-Jugend Kreis B / Giovanissimi girone B
1x Kroatien: 1. HNL
2x Malta: Premier League
1x Malta: First Division
2x Malta: Second Division
1x Slowakei: 1. liga
2x Slowakei: II. liga
1x Slowakei: III. liga Bratislava
4x Slowakei: III. liga Východ
1x Slowakei: VI. liga ObFZ Senica sk. A
2x Slowakei: VI. liga ObFZ Senica sk. B
2x Slowakei: VII. liga ObFZ Senica II. trida
1x Slowakei: 7. liga ObFZ Prešov
3x Slowakei: Slovenský pohár
1x Tschechien: FNL
1x Tschechien: Divize D
1x Tschechien: Česká divize žáků U15 sk. C
1x Tschechien: Okresní pohár Hodonín
2x Tschechien: Okresní pohár Znojmo
1x Tschechien: Letní liga
2x Tschechien: Region Cup
1x Tschechien: Vyřazovací fotbalový turnaj Podpálaví
1x Tschechien: Turnaj 4 Derby
1x Tschechien/Slowakei: Zimní fotbalová liga
3x Türkei: Süper Lig
2x Türkei: 1. Lig
1x Türkei: 2. Lig, Beyaz Grup
1x Türkei: Bölgesel Amatör Lig, 11. Grup
3x Ungarn: NB I
3x Ungarn: BLSZ I. osztály
1x Ungarn: BLSZ II. osztály
1x Ungarn: Győr-Moson-Sopron megyei II. osztály, Nyugati csoport
3x Ungarn: Vas Megyei I. osztály


Zum Vergleich

2019: 265 Spiele


Samstag, 19. Dezember 2020

Admira Wacker – Rapid 0:1 (0:1)

Bundesliga, 12. Runde, 19.12.2020
Bundesstadion Südstadt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Mit einem Stangenschuss von Schick begann eine gute erste Hälfte, in der Kara die verdiente Führung erzielte. Nach der Pause blieb es bei der Ein-Tor-Führung, wodurch es bei einer Admira-Chance noch eine Schrecksekunde gab. Nach der Misserfolgsserie war es wichtig, zu gewinnen.
„Admira, sei Wacker“ lautete der Wunsch auf einem Spruchband am ebenso wie das ganze Stadion leeren Fansektor. Die Unzufriedenheit mit der aktuellen Lage ihres Vereins drückte auch ein Spruchband auf der Haupttribüne aus: „Wir wollen unsere Admira zurück!“ Seit dem Terrorattentat des 2. November in Wien hängt die Botschaft „Wien, bleib standhaft! Viel Kraft den Angehörigen!“ der Gate 2 Admira.
Es war das letzte Spiel vor der heuer nur kurze vier Wochen dauernden Winterpause der Bundesliga. Das letzte Spiel in einem jedenfalls nachdrücklich in Erinnerung bleibenden Jahr 2020.


Spruchband-Fotos: Albert Stern

11 Freunde, 229




Rezension


11 Freunde
Magazin für Fußballkultur
Nr. 229, Dezember 2020
116 S.








Leeds United portraitiert die Titelgeschichte als tief gefallenen großen Verein, der in die englische Premier League zurückgekehrt ist. Dazu gibt es ein Interview mit einem deutschen Spieler, der dort tätig ist.

Weitere Themen sind die Insolvenz des 1. FC Kaiserslautern„Seit Jahrzehnten war die Insolvenz das Schreckensszenario, mit dem Mitglieder und Fans zum Stillhalten gedrängt wurden: Beim Stadionverkauf 2003, bei der Veräußerung wichtiger Spieler, bei der Auslagerung der Profiabteilung 2018 – und am Ende ist die KGaA doch insolvent.“ – oder eine Plauderrunde über Carl Zeiss Jena.
Erstaunen löst der Artikel über die Brutalitäten zwischen den Spielern bis hin zu Brüchen und fließendem Blut bei Weltpokalspielen der 1960er Jahre aus.

Freitag, 18. Dezember 2020

20 Jahre SKN St. Pölten




Rezension


Mag. Florian Bruckner /
Lukas Steingruber
20 Jahre SKN St. Pölten
St. Pölten 2020
48 S.









Zum zwanzigjährigen Jubiläum des SKN St. Pölten, das pandemiebedingt nicht groß gefeiert werden konnte, brachte die Wolfbrigade eine selbst erstellte Festschrift zur Geschichte des Vereins seit seiner Gründung im Jahr 2000 heraus. Sowohl der Autor Bruckner als auch der Grafiker Steingruber kommen aus der Fanszene. Gewinn aus dem Verkauf geht an eine gemeinnützige Einrichtung.

In kurzen Kapiteln und Interviews werden Episoden und Aspekte aus den zwanzig Jahren Vereinsgeschichte behandelt. „Entstanden aus Ruinen“ heißt der Abschnitt zur Gründungsgeschichte. Anfang 2000 war der vorherige FC Niederösterreich pleite, der erst 1998 durch eine politisch bestimmte Fusion mit Gerasdorf den vormaligen VSE St.Pölten beerbt hatte. VSE war 1973 aus der Fusion von Betriebssportverein Voith und SC Furthner Schwarze Elf zur Voith-Schwarze Elf St. Pölten hevorgegangen und Bundesligist von 1988/89 bis 1993/94 gewesen. Die VSE-Geschichte wird angerissen, die FCN-Episode erwähnt. Es steht der SKN im Vordergrund.
Der Autor im Text und auch der St. Pöltner Bürgermeister Stadler im Vorwort nennen den SKN klar „Nachfolgeverein“ des VSE. Ein interessantes Interview mit dem SKN-Gründungsmitglied Raphael Landthaler (späterer Rapid-Finanzchef) beleuchtet, dass dies nicht so eindeutig war: Vom ursprünglichen Plan, den VSE, der seit 1998 keinen Spielbetrieb mehr hatte, fortzuführen nahm man wegen der Schulden Abstand und gründete mit dem SKN einen neuen Verein. „Nach Gesprächen mit dem NÖFV“ konnte der neugegründete Verein aber als „inoffizieller Nachfolgeverein“ bereits in der fünftklassigen 2. Landesliga einsteigen und hatte dafür mit VSE-Spielern die Eigenbauspielerregelung zu erfüllen. Eine Beschwerde gab es aus anderem Grund, wie aus einem weiteren Interview mit dem später langjährigen SKN-Trainer Martin Scherb zu erfahren ist, damals bei einem anderen St. Pöltner Verein engagiert: „Wir waren beim SC (Sportclub) St. Pölten damals ‚not amused‘ über die Namensgebung SK (Sportklub) NÖ und haben sogar einen Beschwerdebrief geschrieben. Die Aufregung hat sich aber rasch gelegt.“

Spannend ist in Landthalers Interview auch sein Erzählung vom bedeutsamen 5:1-Erfolg im ÖFB-Cup-Achtelfinale über Austria Salzburg im März 2005, wodurch man der Zukunft zugewandt einen Termin zum Stadionneubau in der Landesregierung hatte und wenige Wochen darauf bereits mitsamt Bürgermeister eine Exkursion zum wenige Zeit davor eröffneten neuen Rieder Stadion unternehmen konnte. An den Voithplatz erinnern im Heft Erzählungen der Kantinenbetreiberin und es damaligen Platzsprechers. 2012 wurde das neue Stadion eröffnet mit einem Blitzturnier eröffnet, wobei Steffen Hofmann das erste Tor erzielte. Die Aussage im Heft „Das erste Tor im neuen Zuhause erzielte unser damaliger Innenverteidiger Michael Popp“ ist daher nur insofern richtig, wenn man die Eröffnung weglässt und nur das erste Pflichtspiel zählt (5:2 gegen die Vienna).

2014 erreicht der SKN St. Pölten als Zweitligist nach einem eindrucksvollen Semifinale gegen Sturm Graz das ÖFB-Cup-Finale und konnte auch als Finalverlierer nach damaligem Reglement im Europacup spielen. Zuerst ging es gegen Botev Plovdiv und dann gegen den PSV. Zur Auswärtsfahrt der Fans nach Eindhoven gibt es im Heft einen Stimmungsbericht, zumal sich dorthin ein ganzer Bus aufgemacht hatte und dieser Höhepunkt der St. Pöltner Fangeschichte entsprechend zelebriert wurde. Zum ersten Europacup-Auswärtsspiel in Bulgarien hatte sich zuvor noch „eine kleine Abordnung der Wolfbrigade“ aufgemacht. Mehr darüber erfährt man hier leider nicht. Aber das könnte ja Thema eines Hefts zu zwanzig Jahren Wolfbrigade in vier Jahren sein.

Der Fanszene ist darüber hinaus ein eigenes Kapitel (zwei Seiten) gewidmet. „Zunächst gab es die Höllenwölfe und die Bad Boys, die jedoch nicht mehr aktiv sind“ erfährt man aus der Fangeschichte (letztere wurden seinerzeit unrühmlich bekannt). In Text und Bild präsentiert wird die seit 2004 bestehende Wolfbrigade 04. Für Außenstehende fehlt hier vielleicht der hilfreiche Hinweis, dass der Name englisch und nicht martialisch teutsch ausgesprochen wird – da habe ich schon Missverständnisse erlebt. Nicht Ortskundigen würde auch der Hinweis helfen, was es mit der Wolfs-Assoziation auf sich hat: Der Wolf findet sich im Wappen der Stadt und auch im Vereinswappen des SKN St. Pölten.

Weitere Themen im Heft sind das Derby gegen den Kremser SC („es ist das wahre Niederösterreich-Derby“), spanische Spieler oder das Frauenteam. Den Abschluss machen Statistiken und eine amüsante Anekdotensammlung. Ein gelungenes Heft, das keine große Aufarbeitung, aber einen kurzweiligen Einblick in die Vereinsgeschichte bietet.

Mittwoch, 16. Dezember 2020

Ballesterer 157




Rezension


ballesterer
Nr. 157, Jänner/Februar 2021
84 S.










Als „Sturschädel der Nation“ portraitieren Mareike Boysen und Mario Sonnberger unter Mitarbeit von Jan Heier und Clemens Zavarsky Toni Polster. Sie zeichnen in verschiedenen Szenen seine Person und Karriere nach. Dabei beleuchten sie auch den Umstand, dass ihm in Österreich in seiner fußballerisch erfolgreichsten Zeit, als Torschützenkönig der spanischen Primera División, beim Nationalteam blanker Hass vom Publikum entgegenschlug. Wie öfters zu beobachten, ist die Erkenntnis, dass Fußball ein Mannschaftssport und kein Spiel von Einzelakteuren ist, weniger verbreitet als man glaubt. Im Text gibt es Erinnerungen eines FAK-Anhängers: „Die Vorwürfe waren, dass er zu wenig läuft, sich für Österreich nicht bemüht, in Spanien zu viel verdient.“ Beim WM-Qualifikationsspiel gegen die DDR 1989 pfiffen 57.000 Zuschauerinnen und Zuschauer im Wiener Praterstadion Polster von Beginn an gnadenlos aus und beschimpften ihn wortreich. „Während anderen Spielern ihr Erfolgsarmut verziehen wird, gilt der einzige Legionär im Team als überbewertet.“ analysiert der Artikel. Polster schoss an diesem Abend als Antwort alle drei Tore zum 3:0.

Im Anschluss an das hervorragende Portrait gibt es ein noch besseres Interview mit Toni Polster. „Ich habe meine Leistung oft aus Konflikten gezogen.“ oder „Man muss auch ein Schlaumeier sein. Man muss die Wahrheit so biegen können, dass es passt.“ sind zwei von mehreren bemerkenswerten Sätzen. Angesprochen auf das erwähnte DDR-Spiel sagt er: „Ich war zwar gut, aber nicht so gut, dass ich das im Umbau begriffene Nationalteam genug hätte beeinflussen können. Das hat ein bisschen gedauert. Aber dieses Spiel hat alles geändert. Da bin ich auf einmal vom unbeliebtesten zum beliebtesten Sportler geworden.“

Als fast prototypischen Austrianer, der Polster immer war, konnte man ihn respektieren. Mögen nicht. Zum Zeitpunkt seines Karriereendes war sein Ruf aber bereits dermaßen gut, dass ihm zu seinem letzten Auftritt in Hütteldorf (im Salzburger Dress) von den Ultras Rapid sogar im Block West das Hauptspruchband zu Matchbeginn gewidmet war. Positiv.

Einen interessanten Aspekt spricht das Polster-Interview mit der von Polster schnell abgewiegelten Frage nach seinem Engagement in einer oe24-Fernsehsendung gemeinsam mit Frau Strache an, in der FPÖ-Politiker als „Prominente“ gefeatured wurden. Für ihn war das trotz des auffälligen Personals „eine Quizsendung. Das hat ja mit Politik nichts zu tun.“ Man könnte ihm das glauben, wenn nicht schon in seiner aktiven Karriere wurde über ihn kolportiert worden wäre, dass ihm von der FPÖ eine Kandidatur angeboten wurde (1997), und Polster nach Fußballerkarriereende im Jahr 2000 prompt den FPÖ-Klubchef im Parlament besucht hatte, nachdem diese mit ÖVP kurz zuvor erstmals eine Bundesregierung gebildet hatte. Jedenfalls ist diese Schlagseite ungewöhnlich angesichts seines langjährigen Engagements bei der Wiener Viktoria, einem Fußballverein, der durch Initiativen zur Unterstützung von Obdachlosen, Flüchtlingen und anderen Benachteiligten der Gesellschaft positiv auffällt. „Die Meidlinger Viktoria setzt auf ein kosmo-proletarisches Familiengefühl: Grätzl vor Nation, Verständnis für Schwächen. ,Der Fußball ist das Instrument, Sozialarbeit die Musik,‘ sagt Obmann Roman Zeisel über die Ausrichtung des Vereins.“ liest man auch hier im Polster-Portrait.

Über das Stadion Kantrida in Rijeka und den nichterfolgten Neubau an diesem schönen Ort berichtet Nino Duit. Es bleibt der Sehnsuchtsort des Anhangs. Der HNK Rijeka spielt stattdessen weiter im Ausweichstadion. „Die Investitionen ins Stadion Rujevica ließen sich ansonsten kaum rechtfertigen.“ ist die nüchterne Erklärung. Das von der Fanszene organisierte Freundschaftsspiel im Stadion Kantrida 2018 gegen Maribor war im übrigen nicht die einzige Rückkehr für 90 Minuten seit dem Auszug 2015. Auch 2019 gab es ein Freundschaftsspiel, gegen Zrinjski Mostar. Das Bild zum Text stammt von mir.

Weitere Themen im Heft sind u.a. Simmering und Corona, zerplatzte Investorenträume in Horn, Degerfors, eine Wanderausstellung zur Arbeitersportbewegung in Deutschland, die Rolle des Fußballs im Krieg zwischen Armenien und Aserbeidschan oder die Position von Fußballfans zu den Frauenprotesten in Polen. Ob man polnische Fanszenen als „Ultras“ bezeichnen kann, wie im Text von Radosław Żak hier geschehen, ist eine philosophische Benennungsfrage. Der Begriff beschreibt dort eher einen Teilaspekt des Fanlebens und nicht einen ganzen Typus wie in italiengeprägten Zusammenhängen.

In meiner Amateurfußballreihe Nebenschauplätze führe ich nach Axams. Im Groundhoppingteil schreibe ich über meinen letzten Auslandsbesuch 2020 in Sopron.

Jakob Rosenberg erinnert sich in einem persönlichen Leitartikel an seine Studienzeit in Neapel und an Maradona. Das Heft hat quasi ein Wende-Cover: Auf der Rückseite sagt der Ballesterer dem verstorbenen Diego Maradona Adiós.

Dienstag, 15. Dezember 2020

Grantler Sonderausgabe 4



Rezension


Grantler
Kurvenflyer der Tornados Rapid
Sonderausgabe 4
13.12.2020










Zum letzten Heimspiel am 13.12. brachten die Tornados wieder eine Online-Sonderausgabe ihres Grantler heraus. Als „Katastrophenjahr“ wird 2020 gleich eingangs bezeichnet und dem kann man nicht widersprechen.

Spannend ist ein Interview mit dem von den Rapid M@ilers bekannten Wolfgang Hagen. Als Oberarzt in einem Wiener Spital berichtet er aus erster Hand über die Gesundheitssituation. Wichtige und gute Fragen und lehrreiche Antworten. „Dieses Virus ist aufgrund der Menge an Schwerkranken, verzweifelt nach Luft ringenden Menschen schlimmer als alles, was wir bisher im Spital erlebt haben.“
Mit den für die Öffentlichkeit gesperrten Stadien tut sich Hagen als Fan selbst schwer, sieht aber die Problematik: „Ich persönlich bin seit dem Frühling indoor in fast keinem Lokal mehr gewesen. Bei drei Spielen war ich aber im Stadion. Das habe ich mir nicht ganz nehmen lassen. Aber alles, was den Block West oder die Ultras-Kultur ausmacht, ist leider mit diesem Virus selbst im Freien ein Riesenproblem. (...) Wenn man mit Maske und Abstand dort sitzt, wären wahrscheinlich im Weststadion sicher auch deutlich mehr als 3.000 Personen möglich. Das Problem, das ich aber schon gesehen habe, ist das Davor und Danach, was wir halt auch so lieben. Wenn ich dann rausgekommen bin und nur zum Schlurf geschaut habe, wo ich normalerweise nach dem Spiel meistens stehe. Das hat eher etwas von einem Superspreading-Event. Alles was Spaß macht, ist in dieser Pandemie ein Problem.“ Interessant ist ein FAQ-Teil, in dem Hagen auf gängige Fehleinschätzungen eingeht.
Als Perspektive für Normalität nennt Wolfgang Hagen optimistisch die nächste Saison. Sein Twitter-Account ist seit Anbeginn eine meiner Hauptinformationsquellen zur Coronavirus-Lage, da er zuverlässig zum Durchblick in einer komplexen Lage beiträgt. Ich wünsche mir, dass er hier recht hat. Erwarten kann ich dies derzeit aber nicht.

Weitere Themen sind die Frage, ob leere Tribünen der Mannschaft helfen oder sie hemmen – letztlich eine „Charaktersache“ der Spieler, meinen die Tornados – oder die Sponsorfinanzierung des neuen Trainingszentrums, für die ein Milliardär nun als Sponsor und nicht, wie es von anderer Seite auch schon einmal vorgeschlagen wurde, als Investor Geld bereitstellen soll.

Fußballsport im Stadion zu sehen ist derzeit der Öffentlichkeit evrwehrt, aber de Tornados sorgen zumindest für Gehirnakrobatik zuhause und erstellten ein Quiz zum verstorbenen Diego Maradona. Damit einem dabei warm ums Herz bleibt, gibt es Tipps zur Gestaltung des „TR-Punschstand daheim“. Der beliebte Punschstand in Hütteldorf muss heuer ja aus naheliegenden Gründen ausfallen. Spenden gesammelt haben die TR dennoch und fast 10.000 € für den guten Zweck zusammengebracht (Spendenkonto: AT26 2011 1297 4440 2803). Die Spenderinnen und Spender erhalten zum Dank ein Überraschungspaket. Wie bei vielen Dingen, liegt auch beim Punsch der Erfolg im Mischungsverhältnis: „Je später die Stunde, desto mehr Rum und weniger von allem anderen.“

Sonntag, 13. Dezember 2020

Rapid – Wattens 0:3 (0:2)

Bundesliga, 11. Runde, 13.12.2020
Weststadion, unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Keine gute Woche für Rapid.
Die Tendenz zeigt nach unten.
Das schmerzt.