Samstag, 30. September 2023

Servette – Lausanne 2:1 (0:1)

Schweiz, Super League, 9ème journée, 30.9.2023
Stade de Genève, 9.023

Viel Feuer im derby du Léman in Genf am Samstagabend. Sowohl Aufsteiger Lausanne-Sports als auch der vorige Saison noch erfolgreiche Europacupstarter Servette brauchten dringend Punkte, was dem Derby am Genfersee (Léman) zusätzliche sportliche Relevanz und Brisanz brachte. Sieben Spiele hatte Servette nicht mehr gewonnen. Es sah in der ersten Halbzeit auch nicht danach aus, dass sich das ändern würde. Vielmehr ging Lausanne einige Minuten vor der Pause in Führung, was mit etwas Verzögerung auch der VAR vor dem Fernseher bestätigte. Das Führungstor brachte Pfeffer hinein. Der Torjubel der Lausanner Spieler vor der Heimkurvenseite gefiel Genfer Spielern nicht, die aufgebracht hinliefen und sie wegzuscheuchen versuchten, und auch aus der Kurve sprangen einige Leute in den Innenraum und zeigten von der Bande aus Unmut. Die zweite Hälfte wirkte danach wie ein anderes Match. Servette drängte, hatte einen Stangenschuss und drehte mit zwei Toren binnen zweier Minuten den Spielstand. In der Tabelle steht nun Lausanne am letzten Platz.
Kleinere Blockfahnen in beiden Sektoren vor Spielbeginn hatten schon angedeutet, dass es feurige Intros geben wird. Im Auswärtssektor leuchtete es im Schein der Fackeln. Auf der Nordtribüne von Servette stieg roter und weißer Rauch auf. Auch während des Spiels wurde gezündet. Vor dem Spiel war die Kurve um die 1988 gegründeten Ultras der Section Grenat (nach der grantroten Vereinsfarbe benannt) vom Treffpunkt bei einem Lokal zum Stadion marschiert. Auffällig waren auf der Virage Nord noch Old Fans oder die Vieille Garde (Alte Garde) aus Leuten, die einst noch die Tribune Ouest des alten Stade des Charmilles geprägt hatten. Beim letzten derby du Rhône im Frühjahr gegen Sion, die Hauptrivalität von Servette, hatte es die Feiern zum 35-jährigen Jubiläum der Section Grenat gegeben. Die Ultraszenen der Fußballer und des Eishockey Irréductibles Grenat (IG) von Servette verstehen sich nicht. Vor einem Jahr gab es mediale Aufregung um ein Austragen von Meinungsverschiedenheiten mit Fäusten im Oktober 2022. Die IG dementierte allerdings den kolportierten Hintergrund in einem Kommunique.
Rund 700 Leute waren aus Lausanne großteils im Extrazug, wie das in der Schweiz heißt, direkt zum Gästesektor-Bahnsteig am Stadionbahnhof gefahren. Gemeinsam mit den Freunden aus Dijon zeigte sich der Kop Sud wieder von seinen besten Seite, mit viel Pyro und melodischem Support.
Der Servette Football Club Genève wurde 1890 als Football Club de la Servette gegründet. Man spielte anfangs nur Rugby, 1899 wurde aber auch eine Fußball-Sektion gegründet. Servette spielte in der höchsten Schweizer Spielklasse zu Zeiten der regionalen Staffelung 1900/01 bis 1929/30 in der Série A, Groupe Ouest, 1930/31 in der 1re Ligue, Groupe Ouest und 1931/32 in der Ligue nationale, Groupe 2 sowie in der landesweiten Spielklasse Ligue nationale 1932/33 bis 1943/44, Ligue nationale A 1944/45 bis 2002/03 und in der Super League 2003/04, 2004/05, 2011/12, 2012/13 und nun seit 2019/20 wieder. Der große Einschnitt war der Konkurs von 2005. Bis 2004/05 war Servette der einzige Verein gewesen, der nie aus der höchsten Spielklasse abgestiegen war. Der als Retter gefeierte Marc Roger hatte den Verein aber finanziell ruiniert. Er wurde nach Flucht verhaftet und gerichtlich verurteilt. Nach Zwangsabstieg musste Servette 2005/06 drittklassig spielen. Als neuer Investor trat Majid Pishyar auf, der zuvor Admira Wacker in die Pleite geführt hatte. Er tat dies auch mit Servette, die 2008 zum zweiten Mal Konkurs anmelden mussten, ihn aber schließlich gerade noch abwenden konnten. 2015 folgte die nächste Pleite und der Zwangsabstieg aus der zweitklassigen Challenge League in die drittklassige Promotion League. Der gegenwärtige Höhenflug mit zweitem Tabellenplatz in der Vorsaison und Europacup-Gruppenphase ist vor dem Hintergrund der letzten Jahrzehnte eine Ausnahme. Der Abstiegskampf ist da schon vertrauter.
Das Stade de Genève steht genau genommen zwar im Kanton Genf, aber nicht in der Stadt Genf sondern in der Nachbargemeinde Lancy im Quartier La Praille.´Vor zwanzig Jahren zog Servette vom anschließend abgerissenen alten Stade des Charmilles (1930 – 2003) hierher um. Das neu erbaute Stadion wurde am 16. März 2003 mit einem Meisterschaftsspiel gegen die Young Boys aus Bern eröffnet. Damals waren die 30.084 Plätze voll. Sonst füllt Servette das Stadion mit Fußballspielen nur bei absoluten Ausnahme-Highlights wie nunmehr im Europacup. Die Eishockey-Sektion, der Genève-Servette HC füllte das große Stadion 2014 mit einem Freiluft-Eishockeyspiel gegen den HC Lausanne mit 30.000 Zuschauerinnen und Zuschauern. Bei der EM 2008 fanden hier drei Gruppenspiele statt und die Schweizer Nationalmannschaft nutzt das Stadion auch für Länderspiele.
Vor dem Abendspiel habe ich am Nachmittag ein Match der Servette-Frauen besucht und tags zuvor bereits die Stadt Genf besichtigt.