Wien, 27.1.2021
Am Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust erinnert der SK Rapid mit einem neuen Stein der Erinnerung an den von den Nazis ermordeten ehemaligen Rapid-Spieler Fritz Dünmann.
Der jährliche Gedenktag am 27. Jänner ist der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau durch die sowjetische Armee am 27.1.1945 gewidmet. Er erinnert damit auch an den dort ermordeten Rapidler Fritz Dünmann. Alfred „Fritz“ Dünmann wurde am 5. Dezember 1884 in Wien geboren und war in der Frühphase der Rapid-Geschichte als Spieler am linken Flügel im Einsatz. Er spielte in den Jahren 1906 und 1907 auch dreimal für die österreichische Nationalmannschaft, wobei er ein Tor erzielte. In der Festschrift zu zwanzig Jahren Rapid aus dem Jahr 1919 (Historische Dokumente) heißt es über ihn: „Dünmann, der schlanke, sehnige Bursche mit dem markanten scharfen Profil, war einer der schneidigsten und geistesgegenwärtigsten Stürmer, die wir je in unserer Mitte hatten.“
Seit 2019 erinnert bereits ein Stein der Erinnerung für Wilhelm Goldschmidt an den von den Nazis ermordeten Namensgeber Rapids. Eine Eröffnungsveranstaltung wie damals konnte dieses Mal aufgrund der gesundheitlichen Situation in der Pandemie nicht erfolgen. Es ist sehr zu begrüßen, dass Rapid diese Initiative hier mit dem zweiten Stein fortführt. Seit 2005 werden in Wien von einem Verein die Gedenksteine an den Wohnorten und Orten der Vertreibung und Deportation von Wiener Jüdinnen und Juden verlegt. Gleiches tun auch vier weitere Vereine in Bezirken. Da die Hauseigentümer überwiegend das Gedenken an die ermordeten Bewohnerinnen und Bewohner ihrer Häuser ablehnen, werden die Gedenksteine auf öffentlichem Grund am Gehsteig verlegt. Das Konzept stammt vom deutschen Künstler Gunter Demnig, der über die Wiener Nachahmung seiner Arbeit verärgert ist. Seit 1992 hat Demnig über 75.000 seiner Stolpersteine genannten Gedenksteine in 26 Ländern verlegt.
Der Fanklub Grün-Weiße AkademikerInnen übernahm die Kosten für den Stein der Erinnerung für Fritz Dünmann ebenso wie zuvor schon für jenen für Wilhelm Goldschmidt. Lehrreiches über NS-Täter und NS-Opfer aus den Reihen Rapids sowie zum Verhalten des Vereins ist in der Dauerausstellung des Rapideum zu erfahren bzw. auch online in der Zeitreise.
Im Novemberpogrom in der Nacht von 9. auf den 10. November 1938 ließen die Nazis deutschlandweit eine offene Welle der antisemitischen Gewalt los. In Wien lebten die Nazis sich dabei im Vergleich besonders stark aus. Die Wohnungen von ca. 70% der Wiener Jüdinnen und Juden wurden überfallen und geplündert, oft von den Nachbarn. Mehr als 4.000 Wiener Geschäfte und Gewerbebetriebe, die Jüdinnen und Juden gehörten, verwüsteten und enteigneten die Nazis. 42 Synagogen und jüdische Bethäuser wurden in Brand gesteckt. 27 Wiener Jüdinnen und Juden wurden ermordet, 88 schwer verletzt und 680 flüchteten sich in den Selbstmord. 6.500 Jüdinnen und Juden wurden verhaftet, in Polizeigefängnisse gesperrt und vielfach misshandelt, v.a. die in einem Behelfsgefängnis im 20. Bezirk eingesperrten 200 Frauen. 4.000 jüdische Männer wurden in den nächsten Tagen aus Wien in das KZ Dachau deportiert. Unter ihnen war auch Fritz Dünmann, der als Handelsangestellter gearbeitet hatte und sich in Hietzing dieses Haus bauen (lassen) konnte, in dem er mit seiner Frau lebte. Auch heute leben hier noch Familienmitglieder.
Aus dem KZ Dachau wurde Dünmann am 20.1.1939, unter der Bedingung das Deutsche Reich zu verlassen, entlassen. Er konnte dann mit täglicher Meldepflicht bei der Polizei noch einige Monate bei seiner Frau Anna in Wien sein, bevor er im Juli 1939 über Italien nach Frankreich flüchtete. In Grün-weiß unterm Hakenkreuz ist über seinen Leidensweg zu lesen: Er lebte in Nizza und befand sich damit nach der vorläufigen Niederlage Frankreichs im Mai 1940 im nicht von der deutschen Wehrmacht besetzten Landesteil. Während im deutsch besetzten Teil Frankreichs wie in allen von der Wehrmacht eroberten Ländern unter Federführung der deutschen Besatzungstruppen mithilfe lokaler Kräfte Jüdinnen und Juden verfolgt und zur Ermordung deportiert wurden, übernahmen das im nicht besetzten Teil die französischen Behörden des mit Hitler kollaborierenden Vichy-Staats. In mehreren Verhaftungswellen nahm hier die Polizei ab 1941 vor den Nazis aus Deutschland und Österreich geflüchtete Jüdinnen und Juden fest. Unter ihnen war auch Fritz Dünmann. Er wurde Ende 1941 festgenommen, in Südfrankreich in Internierungslager gesperrt, am 28. September 1942 in die deutsch besetzte Zone überstellt, am 4. November 1942 aus dem Sammellager Drancy (bei Paris) in das KZ Auschwitz deportiert und dort von den Nazis ermordet.
Die Hietzinger Feldkellergasse ist Fritz Dünmanns letzte Wiener Adresse. Ausschnitt aus dem Wiener Telefonbuch des Jahres 1938 (Telegraphendirektion Wien, Niederösterreich und Burgenland (Hg.), Amtliches Teilnehmerverzeichnis des Fernsprechnetzes Wien, Ausgabe Wien Mai 1938, S. 108)
Niemals vergessen.
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