Mittwoch, 27. Juli 2022

Slovan Bratislava – Ferencváros 1:4 (0:2)

Champions League, 2. Qualifikationsrunde, Rückspiel, 27.7.2022
Národný futbalový štadión Tehelné pole, 21.500

Ferencváros drehte das Ergebnis des Hinspiels in Budapest und gewann gegen Slovan Bratislava. Die offensiveren Gäste gingen in der ersten Hälfte 2:0 in Führung, womit Slovan nach der Pause auch von der Defensive auf Offensive umschaltete. Anstatt eines Kontertors von Ferencváros egalisierte Slovan mit dem 1:2 das Hinspielergebnis. Alles war offen und deutete auf eine Verlängerung hin. In den Schlussminuten entschied Ferencváros aber das Match und die Begegnung. Damit spielen sie in der Champions-League-Qualifikation weiter. Nächste Woche fahren sie zu Qarabağ nach Aserbeidschan. Die haben den überlegenen Schweizer Meister der Vorsaison FC Zürich, der sich danach Franco Foda als Trainer genommen und eine Misserfolgsserie hingelegt hat, aus dem Bewerb hinausgeworfen.
Größere Stimmung kam auf Slovan-Seite nach dem Anschlusstreffer zum 1:2 auf. Zu Spielbeginn gab es eine Ganzstadion-Choreographie mit blau-weißem Balkenmuster in den Vereinsfarben zu sehen, während Choreographie und Einlauf der Mannschaften aus den Stadionlautsprechern und von den Rängen von der slowakischen Nationalhymne begleitet wurden. Wie schon beim Hinspiel stand die Begegnung im Zeichen der nationalen Konfliktgeschichte. Da es eine politische Botschaft war, verbot die UEFA am Spieltag das im Slovan-Sektor C geplante Spruchband zur Choreographie „1848, 1920, 1992, 2022 – OUR HISTORY ARE OUR VICTORIES“. 1848: Im ersten Slowakischen Aufstand von 1848 (es folgten 1849 zwei weitere Kriegszüge) versuchten slowakische Kriegsfreiwillige, mit Gewalt die ungarische Herrschaft über die Slowakei zu beenden, während Ungarn selbst mit dem Versuch beschäftigt war, in Revolution und Kriegen die Habsburgerherrschaft zu beenden. Beide Versuche endeten blutig und vergeblich. 1920 musste Ungarn im Friedensvertrag von Trianon als Folge des Ersten Weltkriegs die 1918 erfolgte Gründung der Tschechoslowakei und damit den Herrschaftsverlust über die Slowakei anerkennen. 1992 war vor dreißig Jahren die bis jetzt letzte Europacup-Begegnung von Slovan Bratislava und Ferencváros und 2022 hatte Slovan das Hinspiel gewonnen. Dano Antošík, der 1992 als einziger Slovan-Fan beim Auswärtsspiel gewesen war und für das Hinspiel vorige Woche aus Argentinien eingeflogen worden war, wurde vor dem Spiel vom Verein geehrt und von der Kurve mit Gesängen gefeiert.
Im Auswärtsblock gab es zu Spielbeginn ebenfalls eine Zettelchoreographie zu sehen, welche die ungarischen Nationalfarben und darin die angesprochene Jahreszahl 1920 zeigte. Sie gilt in Ungarn als Katastrophe, da durch den Verlust der Eigenschaft als Großreich und die Herrschaft über andere Nationen seither ungarische Minderheiten in anderen Ländern leben. Rund 1.000 Gäste füllten den Sektor, wobei 800 mit einem Sonderzug gekommen waren. In gewohnt druckvoller Manier schmetterten sie Gesänge für Fradi und gegen die slowakische Nation. In der zweiten Hälfte gab es nach den Toren auch etwas Pyro und zur Feier des Sieges auf slowakischem Boden wurden nach Schlusspfiff die ungarische Nationalhymne gesungen und ungarische Flaggen hochgehalten.
1.200 Polizistinnen und Polizisten waren laut Medienberichten im Einsatz und das war im Großraum um das Tehelné pole auch zu bemerken. Das 2019 eröffnete neue Stadion hat Meisterfeiern, Cupfinali und brisante Europacupspiele gesehen, dieses Spiel war aber wohl das spannendste bisher. Dazu trug die sportliche Bedeutung bei, aber mehr noch die nationalpolitische Konfliktlage und die Stellung beider Vereine als nationale Aushängeschilder.

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