Samstag, 14. August 2021

Lille OSC – OGC Nice 0:4 (0:3)

Frankreich, Ligue 1, 2ème journée, 14.8.2021
Stade Pierre-Mauroy, 30.144

Kantersieg von Nizza beim Meister in Lille in Frankreichs Ligue 1. Von Beginn weg kam LOSC nie richtig ins Spiel und zeigte defensiv Schwächen. Gleich in Minute 5 fiel das 0:1 und so ging es auch bald weiter. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte hatten die Gäste des OGC Nice erst einen Kopfball an die Latte und dann einen Elfmeter, nach dem die Partie mit 0:3 entschieden war. Das vierte Tor aus einem Corner heraus nach der Pause war dann Draufgabe.
Es war nach über 17 Monaten das erste Heimspiel des letztjährigen Geisterspielsaison-Meisters LOSC vor den eigenen Fans. Sie hatten sich dies wohl alle anders vorgestellt. Vor Spielbeginn wurden der Meisterpokal und der Supercup als die Trophäen der Saison 2020/21 stolz in einer Ehrenrunde von Nachwuchsspielerinnen und -spielern präsentiert.
Der Stadionzutritt wäre eigentlich mit 3G-Regelung ohne weitere Beschränkung erfolgt, am Vortag verhängte allerdings die Präfektur des Départements du Nord für den Spieltag als weitere behördliche Sicherheitsmaßnahme eine Maskenpflicht für das Stadion mitsamt dem Vorplatzbereich. Abseits der Stadioneingangsbereiche wurde das realiter nur sporadisch befolgt.
Schon im Wappen ersichtlich ist der Spitzname Les Dogues („Die Doggen“) für den Verein. Stimmung wurde vor allem auf der Nordtribüne um die 1989 gegründeten Dogues Virage Est (DVE) gemacht. Der Name Est (Ost) bezieht sich auf die Positionierung im alten Stadion. Allez le LOSC sangen sie unter anderem. Ein nach dem 0:4 angestimmter Lambada-Gesang motivierte nur einen kleinen Kern, in ihn einzustimmen. Sonst wurde der Support im Sektor angesichts eines Spiels, in dem gar nichts lief, breit getragen und es gab gute Momente. Die zu Beginn merkbare Vorfreude war angesichts des Spielverlaufs verständlicherweise aber sehr schnell abgeschwächt.
Mit Go Rijsel Spirit gibt auf der Südtribüne seit 2012 eine eher familienfreundliche kleine Supporterkurve. Mit Vorsänger und Megaphon wurden öfters Gesänge von der Nordtribüne übernommen. Mit dem Spruchband Du maintien au titre merci Galette bedankten sie sich beim Meistertrainer Christoph Galtier, der nach Meinungsverschiedenheit mit dem Präsidenten im Sommer den Verein verlassen hat und nun in Nizza ist. Auffällig ist in diesem Fansektor die starke Verwendung der schwarz-gelben Farben Flanderns. Rijsel ist der niederländische Name von Lille, was auf die historische Zugehörigkeit der Region anspielt. Lille war zwar immer romanisch/französisch und nicht flämisch, gehörte aber jahrhundertelang zu Flandern.
Das vor den Auswärtssektor gespannte Netz zur Sichtbehinderung der Gästefans war bei diesem Spiel hochgezogen. Eine drei Jahrzehnte alte Freundschaftsgeschichte verbindet die DVE mit der historischen Brigade Sud Nice (BSN) bzw. ihren Nachfolgern. So war unter den Gästen aus Nissa, wie es im lokalen Sprachgebrauch heißt, auch ein DVE-Schal zu sehen.
Der Lille Olympique Sporting Club, kurz allgemein LOSC genannt, wurde 1902 als Olympique Lillois gegründet. Das nordfranzösische Bergbaurevier war Anfang des 20.Jh. wie viele ähnliche Gebiete in Europa eine Hochburg des Fußballs. Neben Olympique bestanden in der Stadt Lille noch der 1898 gegründete Iris Club Lillois und der 1901 gegründete SC Fives, die vor dem Ersten Weltkrieg ihrerseits eine große Rolle im auf verschiedene Verbände aufgespaltenen französischen Fußball hatten. Erster großer Erfolg von Olympique war 1914 der Gewinn der Trophée de France als Meister aller vier Verbände. Nach Fusionen mit Iris (1941 bis 1944) und Fives (1944) wurde aus Olympique Lillois der heutige LOSC. In der höchsten Spielklasse spielte LOSC von 1902 bis 1914 und nach Einführung der landesweiten Liga 1932–1939, 1941–1943, 1945–1956, 1957–1959, 1964–1968, 1971/72, 1974–1977, 1978–1997 und nunmehr seit 2000. Nach einem ersten französischen Meistertitel (gezählt ab landesweiter Meisterschaft) 1933 hatte LOSC in der Nachkriegszeit sein bestes Jahrzehnt, wurde 1945/46 und 1953/54 Meister sowie 1945/46, 1946/47, 1947/48, 1952/53 und 1954/54 Cupsieger. Dazu kamen in jenen Jahren vier zweite Tabellenplätze in der Meisterschaft und zwei verlorene Cupfinali. Es war auch die Hochphase von Kohle und Stahl, die für den Wiederaufbau des kriegszerstörten Europa sowie die Rüstung im Kalten Krieg gefragt waren. Der wirtschaftliche Umbruch der 1960er Jahre brachte für die Region und die Finanzierung des Fußballvereins einschneidende Veränderungen. 2010/11 schaffte LOSC erneut das Double aus Meistertitel und Cupsieg und wurde zuletzt 2020/21 in Geisterspielen vor Krösus PSG sensationell zum fünften Mal französischer Meister.
Rapid war im Dezember 1928 in Lille zu Gast und spielte gegen ein Lions des Flandres benanntes Team mit Spielern aus Lille und Roubaix (3:2-Niederlage Rapids vor 8.000 Zuschauerinnen und Zuschauern).
Das Stade Pierre-Mauroy wurde 2012 als Grand Stade Lille Métropole in der zur Metropolregion Lille gehörenden, 1970 gegründeten Trabantenstadt Villeneuve-d’Ascq eröffnet. 2013 wurde es nach dem zuvor verstorbenen Pierre Mauroy benannt, der fast drei Jahrzehnte lang Bürgermeister der Stadt Lille und zeitweise französischer Premierminister gewesen war. Zuvor hatte LOSC jahrelang eine Stadionproblematik begleitet. Das Stadion bietet 50.083 Plätze (international 49.583 Sitzplätze). Optisch sieht es von außen aus wie eine Blechdose und innen ist es vor allem grau. Um hier Hallenveranstaltungen abhalten zu können, gibt es nicht nur ein verschließbares Dach: Die Hälfte des Rasenspielfelds kann hochgehoben und über die andere Seite gefahren werden. Auf der freien Seite können dann Bühne und weitere Tribünen aufgebaut werden. Neben Fußball- und Rugbyspielen fanden im Stadion in dieser Konstellation schon Tennisturniere, eine Basketball-EM, eine Handball-WM und Konzerte statt. Bei der Fußball-EM 2016 gab es hier sechs Spiele.
Vor dem Spiel wurde die Stadt Lille besichtigt.

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