Dienstag, 4. Oktober 2022

Unterwegs Reloaded 2



Rezension


Unterwegs Reloaded
Das fehlende Jahrzehnt
Nr. 2
2022
92 S.









„Werte Nostalgiker,“ beginnt das Vorwort des Hefts in der Anrede und das trifft es genau. Neunzig Seiten Nostalgie bietet die zweite Ausgabe des Unterwegs Reloaded und führt den mit der Erstausgabe eingeschlagenen Weg fort. Zwei Jahrzehnte danach erinnert sich Josef Gruber an seine Spielbesuche im Jahr 2001 und lässt das Publikum in Text und Bild an seinen Eindrücken und Erlebnissen bei 32 Fußballspielen und zwei Eishockeyspielen teilhaben. Schwerpunkt wie gehabt Italien (Pisa-Livorno!) und Polen.

Oft bleibt man beim Aufblättern länger beim Betrachten der Fotos hängen, bevor man erst mit dem Lesen des Texts beginnt. Gerade, was etwa Italien betrifft, sind das sehr oft sehr interessante Bilder, wenn man das gegenwärtige Kurvenbild im Kopf hat. Dazu gibt es auch wahre Kuriositäten, wie gleich vom 3. März 2001 eine Ansicht eines 50-köpfigen Bologna-Auswärtsblocks in Reggio di Calabria auf allen Seiten umringt von ebensovielen Polizisten im Gästesektor.

Die eigenen Erzählungen ergänzt Gruber durch Übersetzungen der damaligen Spruchbänder, was ein großes Maß an Zeitreise im Kopf bringt, sowie teils durch weitere Informationen wie Interviews und Zitate aus zeitgenössischen Fanzines zu den jeweiligen Spielen. Aber nicht nur von Kurvenhintergründen kann man lesen, sondern auch vom Reisealltag vor zwanzig Jahren. 2001 ist ja eigentlich noch gar nicht so lange her, aber dennoch lief manches anders ab. Zum Beispiel die Quartiersuche: „Booking.com war 2001 noch nicht erfunden. Das bedeutete unzählige Meter Stadtrundgang und zigmal dieselbe Fragerei nach einem freien Zimmer. Was da früher Zeit und Nerven draufgingen, das könnt ihr euch heute gar nicht mehr vorstellen.“

Rapid findet Berücksichtigung in Berichten von den Europacup-Heimspielen gegen Partizan und PSG. „Das Sahnehäubchen an Provokation war eine riesige Commando Ultras Marseille Schwenkfahne und am Zaun eine kleine CU84-Fahne.“ berichtet Gruber vom Block West bei letzterem Spiel und hat ein Gruppenfoto der Lutece Falco am Michaelerplatz in der Wiener Innenstadt im Heft (!), denen er am Nachmittag des Spieltags begegnet war.
Das Partizan-Gastspiel war gemeinsam mit dem im ersten Heft geschilderten Ausweichspiel von Roter Stern im Hanappi auslösender Moment für Gruber, im November 2001 zum Belgrader Derby zu fahren. Die Umstände waren in jener Zeit noch andere. So brauchte es einen freien Tag, um vor Ort in der jugoslawischen Botschaft in Wien das Visum zu beantragen, wofür er von einem Tauschkollegen ein Einladungsschreiben aus Belgrad vorlegen konnte, und – „ein kleines Vermögen damals“ – 420 Schilling zu bezahlen hatte.
„Damals war es bei weitem noch nicht so, dass ganz Europa an einem Derby-Tag in Belgrad auflief. Soweit mir bekannt, waren aus dem deutschsprachigen Raum bis zu jenem 3. November nur die zwei alten Hopper-Legenden Mardo und Teamchef bei dem Derby.“ Allein das verdeutlicht, von welch anderer Zeit hier im Heft zu lesen ist.


A5 / 4,50 € / limitierte Auflage über Vorbestellung / Kontakt gruberjosef.jg @ gmail.com

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