Samstag, 17. Juni 2023
St. Johann – Wacker Innsbruck 4:3 (3:1)
Tirol, Tiroler Liga, 30. Runde, 17.6.2023
Koasastadion, 2.000
Im dramatischen „Endspiel“ vor 2.000 Leuten gewann der SK St. Johann. Wacker Innsbruck ist nächste Saison fünftklassig. Die Ligenreform durch Rückkehr der Regionalliga West brachte eine besondere Ausgangssituation für die letzte Runde. Vor dem Spiel lag der SK St. Johann mit 48 Punkten am fünften Tabellenplatz, gefolgt vom SV Kematen mit ebenfalls 48 Punkten und dem FC Wacker Innsbruck mit 45 Punkten. Wacker musste in allen Szenarien für einen Erfolg gewinnen. Für den fünften Tabellenplatz mit dem Direktaufstieg in die mit nächster Saison nur mehr viertklassige Regionalliga Tirol und für den sechsten Tabellenplatz und die Qualifikation für Relegationsspiele um einen Regionalligaplatz gegen den SV Hall.
Die Ausgangslage bot also schon Spannung genug. Dazu kam aber auch noch ein dramatischer Spielverlauf in St. Johann in Tirol, das hier im lokalen Dialekt des Tirolerischen Sainihåns (von Saini für Sankt und Håns für Johann) genannt wird. In einem Blitzstart erwischten die sehr heimstarken St. Johanner die Innsbrucker kalt und führten nach fünf Minuten bereits 2:0. Auf die Verkürzung zum 2:1 folgte zwar zunächst noch das 3:1, doch der FC Wacker gab nicht auf, machte eine halbe Stunde vor Schluss den erneuten Anschlusstreffer zum 3:2 und gliich eine Viertelstunde später per Elfmeter zum 3:3 aus. Ein Tor hätte ihnen jetzt noch gefehlt. Dieses erzielte allerdings der SK. St. Johann. Sie konnten nach Schlusspfiff und Ende des Parallelspiels von Ebbs in Mayrhofen den Direktaufstieg bejubeln. Das war kein Match für schwache Nerven.
Beim SK St. Johann hatte im Vorfeld ein anderes Thema die letzten Tage bestimmt. Am Montag war der beliebte Stürmer und im Verein als Nachwuchstrainer engagierte Silas Obulor überraschend verhaftet und am Donnerstag nach Nigeria abgeschoben worden. Der SK St. Johann war schockiert. „Silas hat sich in seiner Zeit in Österreich keinerlei strafbare Handlungen begangen und ist mit dem Gesetz nicht in Konflikt bekommen. Der Junge lebt für und liebt den Fußball und hat sich auf allen Ebenen integriert“ erklärte Obmann Gurschler in Medien. „Der SK St. Johann hat durch persönliches Engagement Silas Obulor zivilgesellschaftlich integriert und steht dieser Situation mit großem Unverständnis gegenüber. Seit gestern dem 13.06.2023 später Nachrichten ist uns zur Kenntnis gelangt, dass im Fall der plötzlichen Abschiebung von Silas Obulor ein Einwirken von Dritter Seite nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. Aus diesem Grund teilen wir rechtewahrend mit, dass der SK St. Johann zum Spiel am 17.06.2023 gegen den FC Wacker Innsbruck unter Protest antritt.“ teilte man in einem Schreiben an den Tiroler Fußballverband mit. Auf den St. Johanner Dressen war der Name Silas geschrieben, Plakate mit seinem Portrait im St. Johanner Dress waren aufgehängt und man konnte für ihn spenden und Buttons mit seinem Bild erhalten. Die Tivoli Nord zeigte sich solidarisch. Die drei Gruppen präsentierten unter Applaus des Heimpublikums gleichzeitig Spruchbänder für ihn. „Bleib stark Silas!“ (Unterland), „Kein Mensch ist illegal! Freiheit für Silas Obulor“ (wacker unser) und „Gerechtigkeit für Silas!!!“ (Wacker Inventar).
Vor einem Treffpunkt im Ortszentrum aus hatte sich die Tivoli Nord mit einem gemeinsamen Marsch zum Stadion auf das Spiel eingestimmt. Zu Spielbeginn gab es eine besondere Choreographie von Unterland, denn das im Tiroler Unterland liegende St. Johann ist Ausgangspunkt ihrer (Vor-)Geschichte, als sich 1993 einige Mitglieder der Verrückten Köpfe zur Bildung einer VK-Sektion zusammenfanden. „Seit 30 Jahren zieht uns der Mythos in den Bann, der Ort des Ursprungs, für immer St. Johann“ hieß es daher in der Choreographie, die in schwarz-grün die Wappen von St. Johann in Tirol und FC Wacker Innsbruck zeigte und dazwischen ein Bild der Gruppe. Es folgten nach den Überrollfahnen dann Fahnen, Luftballons und Rauch in Grün. Anzahl, Emotionen und Support waren groß. Ebenso groß war die Enttäuschung am Ende zu sehen.
Der SK St. Johann wurde 1954 gegründet. 1968/69 und 1969/70 spielte man erstmals in der höchsten Tiroler Spielklasse, damals Landesliga genannt. Seit 2017/18 spielte man wieder in der bis 2022/23 höchsten Liga im Tiroler Landesverband, der Tiroler Liga. 1987/88 gewann der SK St. Johann den TFV-Cup im Finale gegen den SK Zell am Ziller.
Das Koasastadion wurde 1983 eröffnet. Markant ist die Tribüne im Hintertorbereich, die mit dem 2015 eröffneten Jugendzentrum an dessen Rückseite gebaut wurde. In dem Gebäude gibt es auch eine Kletterhalle. Rund 150 Personen haben auf der Tribüne Platz. Geachtet wurde beim Tribünenbau darauf, dass es genug Abstand zum Spielfeld gibt, damit im Winter die Langlaufloipe beim Koasalauf, einem traditionellen Volkslanglaufen mit 2.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gezogen werden kann. Das Wort Koasa kommt vom Gebirge Wilder Kaiser, der hier schlicht Koasa (Kaiser) genannt wird.
Vor dem Spiel wurde St. Johann in Tirol besichtigt.
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