Donnerstag, 18. Dezember 2025

Zrinjski Mostar – Rapid 1:1 (0:1)

UEFA Conference League, Liga, 6. Runde, 18.12.2025
Stadion pod Bijelim Brijegom, 5.601

Rapid gewann das letzte Spiel der Conference League Liga aufgrund Eigentor in der Nachspielzeit nicht. Damit fixierte Rapid den letzten Tabellenplatz der Liga, schaffte es aber zumindest mit einem Punkt nicht punktelos abzuschließen. Mit dem Führungstreffer von wieder einmal Louis Schaub in Minute 11 und der Vereitelung der Chancen von Zrinjski schienen wir das 1:0 über die Zeit zu bringen. Das hätte aber als Abschluss des Kalenderjahrs 2025 einen Kontrapunkt zum bisherigen Verlauf gesetzt. So sorgte das 1:1 in der dritten Minute der Nachspielzeit für das bitter-frustrierte Ende, während für Zrinjski Mostar der Punktgewinn das erstmalige Überwintern im Europacup brachte.
Um die 500 Rapidfans waren nach Mostar gekommen, wobei der Großteil von ihnen im mit Netz und Zäunen als Hochsicherheitskäfig gestalteten Auswärtssektor im oberen Rang der Tribüne einfand. Mit guter Portion Sarkasmus wurde noch einmal in diesem Jahr trotzig für Rapid gesungen. Nach Schlusspfiff zeigten die Gladiatori erneut ihr „Trauerspiel!“-Spruchband der Mannschaft zum Abschluss.
Nicht aufzugeben war die Devise der Ultras von Zrinjski Mostar gewesen, die diese ihrer um den größten Europacup-Erfolg der Vereinsgeschichte ringenden Mannschaft mitgaben und dies mit lautem Spupport unterstrichen. „Igraj do kraja“ („Spielt bis zum Ende“) stand in ihrer Choreographie zu Spielbeginn um eine durchgestrichene weiße Fahne. Eine in den Vereinsfarben rot und weiß gehaltene Rauch-Show gab es im weiteren Spielverlauf zu sehen und ein Gedenkspruchband für den Todestag ihres vor zwei Jahren an diesem Tag, am 18.12.2023, verstorbenen, Daca genannten Mitglieds Danijel Crnjac.
Die Ultras von Zrinjski Mostar gehen auf das Jahr 1994 zurück, als hier erstmals ein Fetzen mit dem Wort Ultras aufgehängt worden war. Eigentlicher Standort waren die Stehplätze auf der unüberdachten Osttribüne, die aber nicht europacuptauglich sind und mittlerweile gesperrt und abgerissen wurden. Ein Tribünenneubau ist dort derzeit im Gange. „Kein Geheimnis machen sie aus ihrer politischen Ausrichtung, sodass sie sich für jeden Betrachter als rechtsorientierte kroatische Szene mit eindeutig faschistischen Konnotationen zu erkennen geben.“ vermerkt das Lexikon Navijači über Fanszenen im ehemaligen Jugoslawien. Aufgrund der nationalen Aufspaltung Mostars im Krieg mit der Wiedergründung von Zrinjski, der Verdrängung von Velež aus ihrem Stadion hier und deren Entwicklung vom einstigen großen Stadtverein zum muslimisch-bosniakischen Verein von Ost-Mostar ist die Rivalität zwischen Ultras von Zrinjski Mostar und der Red Army Mostar von Velež mehr als eine fußballerische Rivalität, wie auch an der Geschichte gegenseitiger Gewalt und zuletzt 2024 aufsehenerregendem gegenseitigen Raub zahlreichen Materials.
Der Hrvatski Športski Klub Zrinjski Mostar („Kroatischer Sportklub Zrinjski Mostar“) wurde laut Überlieferung 1905, also vor 120 Jahren, als Đački športski klub („Schülersportklub“) von Gymnasiumsschülern und ihrem Lehrer in den Räumen des kroatischen Kulturvereins Hrvoje in Mostar gegründet und 1912 nach einer im 16./17.Jh. Kriege gegen das Osmanische Reich anrührenden kroatischen Adelsfamilie Zrinski in Gimnazijalni nogometni klub Zrinjski („Gymnasialer Fußballklub Zrinjski“) umbenannt. Aufgrund kroatisch-nationalistischer Ausrichtung wurde die Vereinstätigkeit von den österreichisch-ungarischen Behörden am Vorabend des Ersten Weltkriegs 1914 verboten. Allerdings gibt es für diese offizielle Chronik seit 1905 wenig Belege und gegensätzliche Quellen. 1917 konnte sich Zrinjski mit dem seit 1906 bestehenden „Kroatischen Sportklub der Arbeiterjugend“ Hrvatski radnički omladinski športski klub (HROŠK) zusammenschließen und man bildete den gemeinsamen neuen Verein Hercegovac. Im 1918 gebildeten „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ (Kraljevina Srba, Hrvata i Slovenaca), das sich 1929 in Jugoslawien umbenannte wurde aus dem Verein im Zusammenschluss mit einem serbischen Sportklub der Jugoslawische Sportklub JŠK. Da dies entgegen den Ambitionen stand, den Fußball als Zeichen kroatischer Identität zu betreiben, gründete man 1922 Zrinjski erneut. In den Jahren im faschistischen Ustascha-Staat Kroatien 1941 bis 1945, der als Vasall Hitlerdeutschlands auch Bosnien und die Herzegovina umfasste, spielte Zrinjski in der kroatischen ersten Liga. Das neue Jugoslawien verbot 1945 Vereine mit nationalistischer Ausrichtung, was auch den HŠK Zrinjski betraf. Mit dem Zerfall des Staats Anfang der 1990er Jahre und dem Aufleben der nationalistischen Bewegung wurde der Verein 1992 wiedergegründet. Mit Vertreibung der muslimisch-bosniakischen Bevölkerung und Etablierung von West-Mostar als kroatischem Gebiet, verlor der zuvor jahrzehntelang den Fußball der Stadt dominierende FK Velež kriegsbedingt den Zugang zu seinem Stadion und dieses wurde vom HŠK Zrinjski übernommen. Seit der Einführung der gemeinsamen bosnisch-herzegovinischen Meisterschaft im Jahr 2000 war HŠK Zrinjski als Spitzenverein des Landes 2004/05, 2008/09, 2013/14, 2015/16, 2016/17, 2017/18, 2021/22, 2022/23 und 2024/25 neunmal Meister sowie 2007/08, 2022/23 und 2023/24 dreimal Cupsieger. Im Europacup schied man regelmäßig in den Qualifikationsrunden aus, bis man 2023/24 das Durchreichen in die Gruppenphase der Conference League über das Scheitern in der Champions League-Qualifikation gegen Slovan Bratislava und im Play-off der Europa League gegen den LASK schaffte. Diese Gruppenphase 2023/24 und die Teilnahme an der Liga 2025/26 sind die größten internationalen Erfolge.
1974/75 war Rapid hier im Stadion in der zweiten UEFA-Cup-Runde gegen den nachmaligen Viertelfinalisten Velež Mostar erstmals zu Gast und schied nach 1:1 im Hinspiel (bei dem der Rapidanhang laut Erzählungen in Unterzahl gegenüber zahlreichen jugoslawischen Fans war) hier vor 8.000 Zuschauerinnen und Zuschauern mit 1:0-Niederlage aus. Ein Jahrzehnt später absolvierte Rapid in der Europacupfinalsaison 1984/85 die Wintervorbereitung mit Trainer Otto Barić im damaligen Jugoslawien. Auftakt war die Teilnahme beim 1965 bis 1992 jährlich von der Stadt Mostar und Velež Mostar veranstalteten Februarski turnir. Im Vierer-Turnier gewann hier Rapid am 2. Februar 1985 vor 13.000 Zuschauerinnen und Zuschauern 3:0 gegen Hajduk Split und entschied am 3. Februar vor je nach Quelle 10.000, 13.000 oder 16.000 gegen Željezničar Sarajevo, die gegen Gastgeber Velež gewonnen hatten, das Finale mit 3:2 im Elfmeterschießen für sich. Rapid ist damit in der Geschichte des Februar-Turniers neben der sowjetischen Nationalmannschaft 1976 der einzige Turniersieger, der nicht aus Jugoslawien kam. Ausländische Teams im Finale waren sonst Slavia Prag 1969, die Nationalmannschaft Polens 1977 und Dinamo Tiflis 1981 gewesen. Sturm Graz nahm 1988 und 1989 zweimal teil und schaffte das nicht.
Das Stadion pod Bijelim Brijegom („Stadion unter dem Weißen Hügel“) wurde 1958 eröffnet. Die große zweirangige Westtribüne liegt am Hang des namensgebenden Hügels. Zu den besten Zeiten bot das Stadion dort und mit der abgerissenen und in Neubau befindlichen kleineren Tribüne 25.000 Plätze. Derzeit sind es auf der Westtribüne nach Einbau von Sitzplätzen 9.000. Von den 1950er Jahren bis zu Kriegsbeginn 1992 war das Stadion die Heimstätte des 1922 gegründeten FK Velež, der in jugoslawischer Zeit großen Anhang in der ganzen Stadt hatte, insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren erfolgreich in der ersten jugoslawischen Liga spielte und 1974/75 bis ins Viertelfinale des UEFA-Cups vorstieß. Mit dem Krieg 1992 bis 1995 wurde aus der muslimisch-kroatisch-serbischen multinationalen Stadt eine zweigeteilte Stadt mit einer kroatischen und einer muslimischen Hälfte, wobei das Stadion im kroatischen Teil lag. Granatbeschuss beschädigte das Stadion teilweise. Die Vereinsräume von Velež hat man angezündet und das Vereinsarchiv mit Dokumenten und Trophäen verbrannt. Das Stadion wurde von Zrinjski übernommen und zur Unterstreichung des Besitzes offiziell auch Stadion HŠK Zrinjski benannt.
Nebel hatte am Vortag die Landung des Flugzeugs mit der Mannschaft und einem Teil Fans in Mostar verhindert, sodass das kroatische Dubrovnik angeflogen wurde, es von dort nach längerer Wartezeit mit kroatischen Bussen zur Grenze ging und danach nach langwieriger Grenzkontrolle mit anderen Bussen innerhalb Bosnien-Herzegovinas nach Mostar, was fünf Stunden verschlang. Statt einer Landung gegen 13:00 Uhr am Flughafen Mostar war der Tross so gegen 20:00 Uhr in der Stadt eingetroffen. Auch die Rückreise sollte nicht wie geplant stattfinden. Spielergebnis und Reisekalamitäten passten wie die Faust aufs Auge zur Situation. Es ging ein Rapid-Jahr 2025 zu Ende, das von Jänner bis Dezember 22 Siege, acht Remis und 24 Niederlagen brachte. Das ist eine ernüchternde Bilanz.
Vor dem Spiel habe ich die Stadt Mostar besichtigt.

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