Freitag, 28. April 2023

Le isole



Rezension


Josef Gruber
Le isole
Ultras auf Sardinien & Sizilien
Unterwegs Fanzine Verlag 2023
264 S.









Nach dem Buch Lo stile di vita über Ultras in Kampanien legte Josef Gruber ein in gleicher Form gehaltenes Buch über Ultras auf Sardinien und Sizilien vor. 20 Fanszenen Sardiniens und 52 (!) auf Sizilien werden mit Berichten, Eindrücken Grubers, eigenen Texten und Interviews sowie zahlreichen Fotos vorgestellt. Mit kleinen Beiträgen zur Einführung zur Kultur und Geschichte der Provinzen auf den Inseln sowie dem einen oder anderen Foto durfte auch ich wieder ein klein wenig mithelfen.

Im Vergleich zum Vorgängerbuch gab es durch Feedback ausgelöste kleinere Anpassungen, auf die Gruber im Interview zu Beginn eingeht. Interessant ist hier auch der Einblick in die aufwendige Arbeit an dem Buch – ein Jahr nennt Gruber als Zeitraum und geht auch auf Unterschiede der beiden Inseln ein. Wie gewohnt basiert das Werk auf Informationen aus erster Hand anstatt Hörensagen. Während Gruber dabei in Sizilien auf Kontakte bauen konnte und es hier einige Interviews gibt, war man auf Sardinien eher verschlossen und er erhielt Informationen auf inoffiziellem Weg ohne Namensnennung der Gruppen. „Wenn's einfach wäre, würden wir nicht über Italien reden.“ Ein schöner Satz.

Cagliari oder Torres? Das ist die strukurierende Frage auf Sardinien, dessen Szenen sich in eines der beiden Lager gruppieren. Mit 75% Cagliari und 25% Torres beziffert Gruber die Kräfteverhältnisse. Ragte im Kampanien-Buch das Kapitel über Neapel samt unglaublicher Bildstrecke an Graffiti hervor, so ist das hier mit 47 Seiten Cagliari. Auf Basis eines Stadtrundgangs, der auch in (in!) die Ruine des Stadio Sant'Elia führte (siehe dazu auch Grubers Stadionbuch), sieht man einige Graffiti, liest umfangreich die Geschichte der Curva Nord, bekommt alte Supertifo-Interviews in Übersetzung geboten und erfährt ausführlich von den Rivalitäten.
Von Arzachena bis Monastir sind größere und kleinere Fanszenen vorgestellt. Die angesprochene Informationslage ist dabei unterschiedlich. Herausragend interessant ist daher der Abschnitt über Tempio, wo Gruber aus dem Vollen schöpfen kann und auch ein Interview zu lesen ist. Zurückgegriffen wird sonst immer wieder auch auf Fanzines aus Italien und Fotos, die Gruber auch gekonnt analysiert. „Ins Auge gestochen ist mir auf alten Fotos auch die Gruppe Ultrá Olbia Metropolitan, die wohl dem Thrash Metal verfallen sind. Sowohl der Zusatz Thrash als auch die Schriftart der Fahne lassen darauf schließen.“ stellt er so bei Olbia fest. Das Buch schließt mit der Saison 2021/22, daher steht hier auch diesbezüglich korrekt „Die Zeiten mit Gästefans sind jedoch schon lange vorbei, das letzte mir bekannte Derby fand am 29. Mai 2016 statt.“ zur heißen Begegnung von Torres und Olbia (campanilismo-Lokalderby und Rivalität entlang der eingangs angesprochenen Konfliktlinie, da Olbia im Lager von Cagliari steht). 2022/23 gab es das Derby sogar gleich dreimal, einmal in der Coppa und zweimal in der Serie C, wobei ich Gelegenheit hatte, im Oktober das Spiel Torres-Olbia besuchen zu können. Mit Gästen.

Vom Festland aus betritt man nach der Überfahrt in Messina sizilianischen Boden. Hier beginnt Gruber auch seine Rundreise durch Sizilien. Die Masse und Dichte an Fanszenen auf der Insel beeindruckt beim Lesen. Die großen Szenen sind ein Begriff, aber von der vorhandenen Vielfalt erhält man hier einen umfassenden Blick. Über die Platzhirsche Palermo (eher weniger), Catania (eher mehr) und Messina ist hier natürlich viel zu lesen und es ist spannend, eigenes Wissen auszubauen und neu einzuordnen. Wie oben beschrieben, bieten etwa übersetzte Supertifo-Interviews viel Stoff. Großartig ist es aber erneut, hier Seite um Seite von Szenen zu lesen, von denen ich schlicht noch nicht gehört hatte. Im Unterwegs 20 hatte Gruber 2018 in der damaligen Lexikon-Reihe im Fanzine schon einmal Sizilien durchgenommen. Hier im Buch gibt es vom Umfang her um ein Vielfaches mehr an Material und es kamem auch neue Szenen dazu, die 2018 noch keine zehn Jahre Bestand hatten. Das hatte er sich damals als Leitlinien genommen. So gibt es hier etwa im Buch nunmehr ein Interview Grubers mit dem Settore Casual 2020 von Comiso zu lesen. Aus der Masse Höhepunkte herauszugreifen ist schwierig. Canicatti wäre etwa zu nennen, das mir zuvor nichts sagte.

Mit den aus dem Kampanien-Buch eingearbeiteten Erfahrungen wurde das Buch sichtlich besser. Ein guter Schritt. Zusammenfassend kann man sagen, dass dieses Lexikon wieder mit der Fülle seiner Informationen beeindruckt. Am liebsten würde man jetzt jeweils ein Jahr auf die Inseln ziehen.


A4 Format / 29,90 € / Kontakt unterwegsfanzineverlag.at

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