Dienstag, 11. Mai 2021

Sturm 19 – Geschichte einer Legende





Sturm 19
Geschichte einer Legende

11.3. – 6.6.2021
Sonderausstellung
Stadtmuseum St. Pölten












Eine Sonderausstellung des Stadtmuseums St. Pölten erinnert an die fast hundert Jahre des St. Pöltner Arbeitersportvereins FC Sturm 19 1919 bis 2016. Anlass ist die bevorstehende Umgestaltung des ehemaligen Sturm-19-Platzes in einen Park.


Anstand muss sein.


Als erster Arbeiterfußballverein in der niederösterreichischen Stadt St. Pölten wurde im Jahr 1919 der FC Sturm 19 als ASV Sturm 19 gegründet. Begonnen hatte die Geschichte bereits zuvor im Jahr 1915 mit dem in der 1908 errichteten Arbeiterwohnsiedlung Zehn Häuser der Glanzstoff-Fabrik, eines St. Pöltner Großbetriebs, gegründeten SC Austria Neuviehofen als Vorgänger.


Die Ausstellung wird als ein „Blick von außen, der versucht verschiedene Aspekte aus der Vereinsgeschichte zu thematisieren und mittels Originalgegenständen und Fotos zu dokumentieren.“ definiert.


Sein hundertjähriges Jubiläum konnte der Verein nicht mehr feiern. Zum 90. Geburtstag erschien eine Vereinshymne: „Sturm 19, Sturm 19, a Team für jung und oid / Sturm 19, Sturm 19, losst kan St. Pöltner koid.“


Anfangs wurde in Wagram gespielt (heute Parkplatz Traisenbrücke). 1919 wurde aus dem Vorgängerverein der ASV Sturm 19. In den 1920er Jahren wurde das als Sturm-19-Platz bekannt gewordene Areal im Norden der Stadt die Heimstätte. Die Stadt St. Pölten erwarb das Grundstück neben der Zehn-Häuser-Wohnsiedlung der Glanzstofffabrik und stellt es dem jungen Arbeitersportverein zur Verfügung. In den Zehn Häusern wohnten die Spieler und Funktionäre. Es war eine multikulturelle Gesellschaft. Zu Beginn des 20.Jh. war hier noch grüne Wiese. Arbeiterinnen und Arbeiter für die Glanzstofffabrik wanderten „sowohl aus der näheren Umgebung wie auch aus den deutschsprachigen und nichtdeutschsprachigen Kronländern der Monarchie zu“ und bauten den Stadtteil auf. Durch die Gastarbeiter-Anwerbe-Abkommen Österreichs mit den betreffenden Staaten kamen dann ab den 1960er Jahren neue Arbeiterinnen und Arbeiter aus Jugoslawien, der Türkei sowie aus Nordafrika zur Arbeit in der Glanzstoff. Das Viertel war seit jeher von Immigration geprägt.


Letzter Höhepunkt der Sportplatzgeschichte war im Jahr 2013 das Gastspiel von Rapid zur Sportplatzbenennung als Franz-Bimbo-Binder-Sportanlage, nach dem größten Sohn von Sturm 19 und einem der größten Spieler der Rapid-Geschichte.


Als Arbeiterverein spielte Sturm 19 nach der Gründung des Verband der Arbeiterfußballer Österreichs VAFÖ 1926 in der Gruppe West des niederösterreichischen VAFÖ-Ligenbetriebs und nicht mehr im Spielbetrieb des bürgerlichen ÖFB.


In der Nachkriegszeit wurde aus dem ASV Sturm 19 der FC Sturm 19. 1989 fusionierte er mit dem Werksverein FC Glanzstoff zum FC Glanzstoff Sturm 19.


Nach der Beendigung der Demokratie, dem Verbot der Sozialdemokratie und der blutigen Niederschlagung des Aufstands der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung durch den Austrofaschismus 1934, ordnete sich die damalige Vereinsführung dem neuen Regime unter während anderswo alle Arbeitervereine behördlich aufgelöst wurden. „Die antifaschistisch eingestellten bisherigen Fans goutierten diese Annäherung nicht und beschimpften die Spieler, belegt durch einen zeitgenössischen Brief an Bürgermeister Raab, als ,Kerzlweiber, Frontgardisten, Betbrüder‘.“ Der vom Regime eingesetzte austrofaschistische Bürgermeister versuchte Franz Binder aus Hütteldorf nach St. Pölten zurückzuholen, um sich beliebt zu machen. Er scheiterte aber damit.

Bilder der Ausstellung


Sturm 19 erlebte Höhen und Tiefen. Höhepunkte waren etwa die Meistertitel der niederösterreichischen VAFÖ-Meisterschaft 1. Klasse Gruppe West 1927/28 sowie 1. Klasse West 1930/31, später dann im ÖFB die Saisonen in der 1. Niederösterreichischen Landesliga 1997/98 bis 1999/2000 plus 2007/08 und der niederösterreichische Meistercupsieg 1998 mit nachfolgender ÖFB-Cup-Teilnahme.


Zuletzt hatte man sich nach einem Zwangsausgleich 2003 bis in die 1. Landesliga in der Saison 2007/08 hochgearbeitet. Finanziell blieb es aber problematisch, sodass man sich am Saisonende aus der Landesliga zurückzog. 2012 besuchte ich ein Spiel in der 2. Klasse Traisental, der achten Spielklasse, in der man 2008 neu begonnen hatte.


Nach dem Ende der Saison 2015/16 stellte der FC Sturm 19 den Spielbetrieb ein und verkündete, ein Jahr pausieren zu wollen. Es drückten die finanziellen Lasten. Wegen nicht bezahlter Schulden beim Niederösterreichischen Fußballverband wurde der Verein im September 2016 aus dem NÖFV ausgeschlossen und damit seine Geschichte beendet.


Franz „Bimbo“ Binder war der einer der größten Fußballer, den Österreich je gesehen hat. Bereits mit 15 Jahren spielte er in der Kampfmannschaft von Sturm 19 und mit 17 Jahren in der VAFÖ-Nationalmannschaft. Seine Titel und Erfolge mit Rapid sind legendär. Mit Sturm 19 blieb er verbunden. Seine Familie war in den Verein involviert gewesen. Zu ihm war hier an dieser Stelle vor zehn Jahren eine Sonderausstellung namens „Bimbo“ Binder Shootingstar zu sehen. Auch in der aktuellen Ausstellung ist Binder natürlich Thema.


Was bleibt, ist die Erinnerung. Der Sportplatz ist ein Lost Ground. Im September 2020 beschloss der St. Pöltner Gemeinderat die Umgestaltung in einen öffentlichen Park. Er wird den Namen „Sturm 19 Park“ tragen.

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