Freitag, 16. Dezember 2022
Fußballkosmos 1. FC Nürnberg
Rezension
Matthias Hunger
Fußballkosmos 1. FC Nürnberg
100 Orte der Erinnerung
Hildesheim 2022
(Arete Verlag)
216 S.
„Eine Reise zu Orten, die aufzeigen, dass Clubfans vergebenen Chancen im Spiel nachtrauern, wie andere den vergebenen im Leben. Zu Orten, die für negative, zu solchen, die für lehrreiche, oder eben auch positive Erfahrungen stehen – einige sogar für alles zusammen. Denn: Vom 1. FC Nürnberg kann man während eines einzigen Fußballspiels mehr lernen, als vielerorts im ganzen Leben gelingt!“ Der Buchautor Matthias Hunger stellt in seinem Buch hundert Orte zusammen, die in der Geschichte des 1. FC Nürnberg eine Bedeutung haben. Indem er von ihnen erzählt, erzählt er damit sowohl von der Geschichte als auch vom Wesen des Glubb. Sein Autorenhonorar spendet Hunger dem FCN-Nachwuchsleistungszentrum.
Auf jeweils einer Textseite und einer Fotoseite werden die hundert Orte präsentiert. Darunter sind viele Stadien, in denen sich diverse historische Momente bei Spielen zutrugen. Das ist etwa die Schützenwiese in Bamberg, wo der 1. FC Nürnberg gegen den 1. FC Bamberg (heute FC Eintracht Bamberg) sein erstes offizielles Fußballspiel austrug und den Anlass auch entsprechend beging („Von der Schützenwiese, wo sich heute auch das Erzbischöfliche Priesterseminar befindet, ging es aber nicht gleich zurück nach Nürnberg. Zunächst stand nämlich noch eine ausgiebige Tour durch die Bamberger Gartenwirtschaften mit den Gastgebern vom FCB auf dem Programm. Erst der Morgenzug brachte die siegreiche FCN-Elf dann wieder zurück nach Nürnberg.“) Teil der 100 Orte sind auch die beiden zentralen Orte des Geschehens vor 100 Jahren, als das deutsche Meisterschaftsfinale zwischen dem FCN und dem HSV im Berliner Grunewaldstadion nach sagenhaften 189 Minuten aufgrund Dunkelheit beim Stand von 2:2 abgebrochen werden musste, und das Wiederholungsspiel im heutigen Bruno-Plache-Stadion in Leipzig nach verletzungsbedingtem Ausfall zweier FCN-Spieler und zweier Ausschlüsse für ihn schließlich ebenfalls abgebrochen werden musste. Der deutsche Meistertitel 1922 wurde nicht vergeben. Eine Initiative, das Spiel zwischen FCN und HSV hundert Jahre danach 2022 nochmal stattfinden zu lassen, war übrigens leider nicht erfolgreich.
Es kommt der Aachener Tivoli, wo der 1. FC Nürnberg in der Saison 2003/04 zum ersten Geisterspiel im deutschen Profifußball anzutreten hatte, im Buch genauso vor wie der Fürther Ronhof, wo am 21.1.1973 „Clubfans beim Stand von 2:4 durch das Abschießen von Feuerwerksraketen einen Spielabbruch provozierten. Es war der erste in der deutschen Profifußballgeschichte!“ Im Wattenscheider Lohrheidestadion spielte der FCN 1991 unterstützt von 6.000 Nürnberger und 3.000 Schalker Fans gegen den Abstieg. Ihr Jubel über den vermeintlich fixierten Bundesliga-Klassenerhalt samt Platzsturm kam aber einige Augenblicke zu früh, da noch vier Minuten zu spielen waren. Die Fans konnten dazu gebracht werden, wieder auf die Tribünen zurückzukehren. Allerdings hatten einige Nürnberger Spieler im Jubel und Trubel ihre Dressen abgegeben, sodass sie sich nun für die letzten Spielminuten welche von Fans ausleihen mussten. Einer hatte sogar einen Schuh verloren und spielte die Partie mit dem vom Trainer ausgezogenen linken Turnschuh fertig. Im Stadionul Giulești von Rapid Bukarest wurde für den FCN 2007 das Europacuplied „Erste Runde Bukarest ...“ wahr. Im Sandhausener Hardtwaldstadion schallte 2018 „Oohhh ... der FCN steigt wieder auf!“ durch das Stadion. Man kann die Momente beim Lesen gut nachempfinden
Im Amsterdamer Olympiastadion spielte der FCN in der ersten Runde 1968/69 zum letzten Mal im Europacup der Meister (4:0-Niederlage gegen das Ajax um Johan Cruyff). Das Stadionbild dazu durfte ich beisteuern.
Das offizielle Clubmuseum am Valznerweiher wird ebenso vorgestellt wie das Rot-Schwarze Quartier, ein Museum von Clubfans für Clubfans mit dem Motto „Museum ja, aber mit einem Bier in der Hand.“
Es kommen aber auch ganz andere Orte abseits der Fußballstadien, von Straßennamen oder Tabakläden einstiger Spielerlegenden vor. So etwa das Kurhaus in Baden-Baden, wo die FCN-Meistermannschaft von der deutschen Sportpresse als Mannschaft des Jahres 1961 ausgezeichnet wurde. Oder das Geburtshaus des Schriftstellers Peter Handke im Kärntner Ort Griffen. Handke ging 1968 mit einer zur Gedichtform veredelten Aufstellung in die Literaturgeschichte ein. Unerwartet kommt das Geburtshaus des Gerd Müller, da dieser seinerzeit beim FCN abgelehnt wurden, woraufhin er zum FC Bayern München ging. Anlässlich des Zitats von Franz Beckenbauer „Ohne die Tore von Gerd Müller wäre der FC Bayern München nicht das, was er heute ist.“ fragt Matthias Hunger: „Ob der 1. FC Nürnberg mit Müller heute noch das wäre, was er früher war?“
Als Ort Numero 99 findet auch das Hütteldorfer Weststadion seinen Eintrag im Buch – „nicht nur die neue Heimat der Rapidler, sondern inzwischen auch zweite Heimat vieler Cluberer“. Rapid Wien und FCN.
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