Sonntag, 12. Juni 2022

Palermo – Padova 1:0 (1:0)

Italien, Serie C, Play Off Finale, Ritorno, 12.6.2022
Stadio Renzo Barbera, 34.010

Italien lebt von Emotion. Süditalien noch mehr. Neben einiger allgemeiner Theatralik kam hier die Dramatik nicht zu kurz. Palermo gewann auch das Rückspiel des Playoff-Finales und kehrt in die Serie B zurück. Vor einer Woche hatte Palermo in Padova ebenfalls 1:0 gewonnen. Diesmal sorgte ein Elfmeter nach 22 Minuten für das 1:0. Eine Menge weiterer Chancen hätte Palermo gehabt, um den Spielstand zu erhöhen. Gegen Gäste, die nach zwei Ausschlüssen am Schluss nur mehr zu neunt am Platz standen.
Die Atmosphäre war weit weg von Drittklassigkeit und auch weit mehr als zweitklassig. Palermo hatte in der Meisterschaft einen Schnitt von 5.758 Zuschauerinnen und Zuschauern in den Heimspielen, in den vier Playoff-Heimspielen aber jeweils über 30.000. Eine Stunde vor Spielbeginn waren schon locker 25.000 Leute im Stadion. Der Tag war heiß gewesen, zu Spielbeginn um 21:15 Uhr war es immer noch recht warm. Die Spannung war allenthalben ebenso spürbar wie große Vorfreude.
Rivalität gab es aber nicht. „Palermo!“ skandierte der tapfer, aber auf verlorenem Posten agierende 506-köpfige Auswärtsblock schon vor Spielbeginn und „Padova!“ ertönte es aus der Curva Nord, die danach auch immer ein „Ultras!“ nachsetzte. Zur zweiten Hälfte zeigte die Curva Nord Superiore zur Zelebrierung der amicizia-Verbindung noch eine Freundschaftschoreographie.
Die Curva Nord ist seit 2014 in die Gruppen des oberen Rangs (Superiore) und jene des unteren Rangs, die Curva Nord Inferiore, gespalten. Gegenüber in der anderen Kurve gibt es auch noch die Ultras Curva Sud. Rosa Zettel waren im ganzen Stadion verteilt und gingen vor Spielbeginn im Rhythmus hoch und nieder. Pyro leuchtete immer wieder auf. Die Curva Nord Inferiore machte zu Beginn die Anforderung „Insisti – Resisti – Combatti“ („Beharrlich sein – durchhalten – kämpfen“) per Spruchband klar. Im oberen Rang gab es striscioni für Trainer und Präsident und Schluss noch die Botschaft „Oggi per voi un giorno tosto / tornerete al vostro posto.“ („Heute ist ein harter Tag für Sie / Sie werden an Ihren Platz zurückkehren.“)
Nach Schlusspfiff versuchten Ordner ziemlich erfolglos die Fluchttore zum Spielfeld zuzuhalten. Sie wurden von einigen dutzend Leuten aufgedrückt, die dann zum Entsetzen des Stadionsprechers am Feld feierten. Die Kurve und der Großteil des Stadion blieb aber auf den Rängen. Als schließlich nicht nur ein Pfeifkonzert erfolgte sondern nach langer Zeit auch die schwere Infanterie in Form behelmter und beschilderter Celeri anrückte, kletterten die meisten über mittlerweile wieder verschlossene Tore in den meterhohen Plexiglaswänden zurück. Spätzünder-Platzstürmer wurden recht ruppig von den Einsatzkräften abgeführt. Einen stoppte sogar der Vereinspräsident per gekonntem Haxlstellen. Sie sahen wohl die anschließende Siegerehrung nicht mehr. Zu hören war der Ausgang des Spiels in der Innenstadt Palermos noch sehr lange. Falls es hier ein innerstädtisches Hupverbot gibt, war es in dieser Nacht Makulatur.
Der Palermo FC wurde 1900 als Anglo-Palermitan Athletic and Foot-Ball Club gegründet. Wie der Name schon nahelegt, waren in Palermo lebende Engländer neben einheimischen Italienern an der Gründung beteiligt. Damals hatte man noch Rot und Blau als Farben. 1907 wurde daraus der Palermo Foot-Ball Club und man nahm die heute so charakteristischen Farben Rosa und Schwarz an. Mit dem Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg 1915 musste der Verein seine Aktivitäten einstellen. Nach Kriegsende entstanden in Palermo mehrere Mannschaften. 1920 wurde aus dem Racing FBC die US Palermo, welche die Rosanero-Tradition fortführte. 1914 benannte man sich Palermo Football Club. Man spielte 1926/27 in der höchsten Spielklasse, der Prima Divisione, musste aber nach zehn Runden den Betrieb aufgrund finanzieller Probleme einstellen. 1928 fusionierte der aus Palermo stammende Verein Vigor mit den Resten des Palermo FC, der so weitermachen konnte. 1935 musste der englischsprachige Vereinsname unter der faschistischen Mussolini-Herrschaft durch den italienischen Namen AC Palermo ersetzt werden. 1940 ging man pleite, die Reservemannschaft konnte aber die Saison 1940/41 beenden und fusionierte danach 1941 mit der Juventina Palermo zur Unione Sportiva Juventina Palermo. Sie spielte zunächst in den weiß-blauen Dressen der Juventina, trat aber 1942 wieder in rosa-schwarz an. Nach der kriegsbedingten Einstellung im Zweiten Weltkrieg aufgrund der Landung der alliierten Armeen auf Sizilien 1943 wurde nach der Befreiung der Insel 1944 der Verein als US Palermo wiedergegründet. 1968 wurde daraus die Società Sportiva Calcio Palermo. Im September 1986 wurde sie aufgrund Überschuldung vom Fußballverband FIGC ausgeschlossen und als bankrott aufgelöst. Im Jänner 1987 wurde mit Unterstützung des Bürgermeisters die US Palermo als Nachfolgeverein gegründet, die mit einer FIGC-Ausnahmegenehmigung in der Saison 1987/88 in der Serie C2 einsteigen konnte. 1994 benannte man sich Unione Sportiva Città di Palermo.
In der Saison 2001/02 begann die 2002 bis 2017 währende Ära Palermos unter dem wunderlichen Eigentümer Maurizio Zampari, der den Verein 2004 nach 31 Jahren wieder in die Serie A und gleich auch in den Europacup führte, in den nächsten Jahren seiner Präsidentschaft aber vor allem auch durch eine nicht enden wollende Kaskade an zahlreichen Trainerentlassungen Aufsehen erregte. Manchmal waren es zwei, manchmal drei und manchmal mehr Trainerentlassungen in der Saison. 2015/16 waren es neun (!) Trainerentlassungen. Oftmals kamen bei den zahlreichen Trainerwechseln auch zuvor einmal rausgeworfene Trainer wieder zum Zug. Zu Saisonende 2018/19 erhielt Palermo einen Punktabzug von zwanzig Punkten als Strafe für aus dem Jahren 2014 bis 2017 stammende Verstöße gegen Verbandsregeln und wurde aus den Play-offs um den Aufstieg aus der Serie B in die Serie A ausgeschlossen. Wenige Wochen darauf folgte im Juli der erneute Ausschluss aus der FIGC wegen nicht bezahlter Schulden. Aufgrund der faszinierenden italienischen Bestimmungen konnte der Bürgermeister (es war ebenso wie 1987 Leoluca Orlando) über die Weiterführung der Vereinstradition entscheiden. Er übergab die Rechte des im Oktober schließlich endgültig aufgelösten Vereins im Juli 2019 an eine Unternehmergruppe, die mit ihrem neugegründeten Fußballverein SSD Palermo als Nachfolger in der Serie D einsteigen konnten. 2020 wurde der Verein Palermo Football Club benannt.
Die größten Erfolge sind die Saisonen in der Serie A 1932/33 bis 1935/36, 1947/48 bis 1953/54, 1959/60, 1961/62 und 1962/63, 1968/69 und 1969/70, 1972/73, 2004/05 bis 2012/13, 2014/15 bis 2016/17 sowie drei Teilnahmen am italienischen Cupfinale 1973/74, 1978/79 und 2010/11 und fünf Teilnahmen am UEFA-Cup bzw. der Europa League (Achtelfinale 2005/06, Gruppenphase 2006/07, 1. Runde 2007/08, Gruppenphase 2010/11, 3. Qualifikationsrunde 2011/12).
Der Wiener Toni Cargnelli war 1930/31 und in den ersten drei Runde der Saison 1931/32 Trainer von Palermo. Zweiter Österreicher am Trainersessel war 1953/54 (in der sechsten bis 26. Runde) der Grazer Rudi Hiden.
Das Stadio Renzo Barbera wurde 1932 mit dem faschistischen Namen Stadio del Littorio eröffnet. 1937 wurde das Stadion in Stadio Michele Marrone umbenannt. Michele Marrone war ein aus Palermo stammender Fußballer, der als Soldat der auf faschistischer Seite im Spanischen Bürgerkrieg gegen die demokratische Regierung der Spanischen Republik kämpfenden italienischen Armee getötet wurde. Nach der Befreiung vom Faschismus wurde das Stadion zunächst nach der es umgebenden Parkanlage Stadio La Favorita benannt. In der Nachkriegszeit wurde die Laufbahn um das Spielfeld entfernt und zu den Längsseitentribünen auch zwei Hintertortribünen gebaut, was die Kapazität auf 30.000 Plätze erhöhte. 1984 wurde der zweite Rang der Kurven und der Gradinata errichtet und damit 55.000 Plätze erreicht. Ende des Jahrzehnts wurde das Stadion für die WM 1990 renoviert. Dabei wurde es mit Sitzplätzen versehen, was die Kapazität auf 36.422 Plätze verringerte. Bei den Bauarbeiten starben 1989 fünf Arbeiter beim Einsturz eines Stadionteils. 2002 erhielt das Stadion seinen heutigen Namen nach dem zuvor verstorbenen legendären Vereinspräsidenten der Jahre 1970 bis 1980, Renzo Barbera. Beachtlich ist das Panorama des nahen Monte Pellegrino.
Vor dem Spiel wurde die Stadt Palermo besichtigt.

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