Donnerstag, 7. November 2019

Fußballg'schichten und Fansachen



Rezension


Fußballg'schichten und Fansachen
her.story
Das Magazin zur Fan.Tastic Females Ausstellung in Österreich.
Wien 2019
40 S.







„Obwohl Frauen seit Anbeginn des Fußballspiels als Zuseherinnen und Fans am Spielfeldrand standen und ihre Teams anfeuerten, werden sie weder in diesen Erzählungen noch generell in der Geschichtsschreibung erwähnt.“ Fußball gab und gibt es nicht ohne Frauen. Das unterstreicht diese Broschüre, die zur derzeit in Österreich zu sehenden Ausstellung Fan.Tastic Females – Football Her.Story erschienen ist. Nachdem diese bereits in Innsbruck und Graz zu sehen war, sind die aktuellen Stationen bis 16. November in Wien (ega: Frauen im Zentrum) und anschließend von 20. bis 30. November in Linz (KunstRaum Goethestraße xtd).

Die Wanderausstellung wurde 2018 im Hamburger Millerntor-Stadion eröffnet. In einer im Heft zu lesenden Reportage von 11 Freunde von der Eröffnung kommen verschiedene Frauen zu Wort. Die Bedeutung bringt dabei etwa Agnes vom Frauen-Fanklub Malmösystrar aus dem schwedischen Malmö zu Tage, die hier zitiert ist: „Auch sie geht schon ihr ganzes Leben lang zum Fußball: ‚Das ist Teil unserer Identität. Wenn du aus Malmö kommst, bist du Malmö-Supporter.‘ Ihr Bruder ist in einer Ultra-Gruppe, Agnes wollte das eine Zeit lang auch. Aber in Schweden gebe es praktisch keine weiblichen Ultras. ‚Ich fand es spannend zu hören, dass das in Deutschland anders ist‘, erzählt sie über die Erfahrungen, die sie am Wochenende in Hamburg gesammelt hat.“ Ein weiterer hier wiederabgedruckter Text ist der großartige Artikel über verschiedene Generationen österreichischer Frauen als Fußballfans von Nicole Selmer aus dem Ballesterer 131.

In den hier neu veröffentlichten Beiträgen erzählen verschiedene Frauen, wie sie zum Fußball kamen und warum sie blieben. „Aufs Spiel zu gehen ist so phantastisch. Ich bin zwar 13 Jahre alt, aber ich will diese Gefühle immer wieder erleben.“ schrieb Naz Gündoğdu am 30.9.2003 in ihr Tagebuch, nachdem sie ihren Vater überzeugt hatte, mit ihr zu Galatasaray ins Stadion zu gehen. Marie wiederum erzählt: „Das Spiel auf dem grünen Rasen zog mich in seinen Bann, und unsere Mutter lenkte die angehenden Fankarrieren von meinem jüngeren Bruder und mir in konkrete Bahnen, indem sie sich für den SK Sturm Graz als einzig unterstützenswerten Verein aussprach. Sie war es auch, die uns ein paar Jahre später erstmals einpackte, die dreistündige Anreise auf sich nahm und mit uns von Niederösterreich nach Graz fuhr. Immer wieder reiste sie mit uns zu Heim- und Auswärtsspielen und förderte dadurch unsere Liebe zu Sport und Verein.“

„Im FHT-Umfeld darf der Tomboy in mir so richtig raus, denn auf der Tribüne sind wir alle gleich, und es ist erst mal scheißegal, welchem Geschlecht du dich zugehörig fühlst oder auf wen du stehst.“ erklärt Manuela Hofer. Ob Mann oder Frau, die Virusinfektion läuft immer ähnlich ab, wie etwa hier in den Worten von Andrea Winter (Blau-Weiß Linz): „Das Fußballfan-Fieber hat mich gepackt und das Anfeuern und die Schlachtgesänge haben mich infiziert. Es tat und tut noch immer gut endlich mal laut zu singen und zu schreien und noch dazu in einer Menge Gleichgesinnter. Teil eines Ganzen zu sein, das das Team anpeitscht mit ihren Anfeuerungen.“

„Ich kann meine Fähigkeiten einbringen und die Sachen tun, die mir Spaß machen.“ begründet Verena überzeugend die Beweggründe für ihr Engagement in einer Ultràgruppe. „Und so steh ich hier nun mit Socken voller Farbe. Meiner kreativen Ader entsprechend kann ich mich – sofern es meine Zeit erlaubt – an den Bastelabenden einbringen und meinen Teil zur Folklore der Kurve beitragen.“ Simone erlebte Ablehnung, als sie fasziniert von den großen Choreographien bei der Choreoerstellung einsteigen wollte, und hörte, dass sich „die Jungs, da nicht gerne helfen lassen, schon gar nicht von Frauen,“ fand aber Jahre später eine andere fußballerische Heimat, wo sie sich entsprechend einbringt.
Emma und Ines erzählen von Vernetzung von Frauen in der Fanszene der Vienna unter den Namen Vienna Rude Girls oder Sektion Menstruation. Denn, wie Ines über vereinsübergreifende Vernetzung schreibt: „Es sind die schönen Erfahrungen, die uns zusammengeführt haben, und es sind die schlechten Erfahrungen, die es umso wichtiger machen, dass jede weiß, dass sie nicht allein damit ist und gelassen wird.“

Suya über ihre Erfahrung als Schwangere im Polizeikessel von 2018, als die Wiener Polizei über 1.300 Rapidfans bis zu sieben Stunden bei Minusgraden festhielt: „Ein junger Bursch vor mir hört das Gespräch mit und lässt mich sofort vor, schreit laut, dass sie mich durchlassen sollen. Alle hüpfen sofort zur Seite, machen den Weg frei, und ich stehe in null Komma nichts vor einer Polizistin, die mir Vorwürfe macht, dass ich als Schwangere hier nichts zu suchen hätte. Und das ist der Punkt. Doch! Genau dort bin ich richtig! Inmitten von solidarischen Fans, mit denen ich seit vielen Jahren Tränen des Glücks und der Wut teile. Die genau wissen, was Leidenschaft und Zusammenhalt bedeutet.“

Das Heft macht Vorfreude auf die Ausstellung.
https://fan-tastic-females.org

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