Samstag, 22. Dezember 2018
Ballesterer 138
Rezension
Ballesterer
Nr. 138, Jänner/Februar 2019
84 S.
„Sein Name war Matěj Šindelář“ beginnt Clemens Zavarsky über einen der größten Wiener Fußballer, Matthias Sindelar, zu erzählen. Er hatte wie so viele große Wiener Migrationshintergrund, stammte aus dem mährischen Kozlov (Kozlau) und wuchs im von tschechischer Zuwanderung geprägten Favoriten auf, wo vor dem Ende der Monarchie 80.000 Tschechinnen und Tschechen lebten (in ganz Wien 250.000 bis 300.000). Auch wenn er für die Wiener Austria spielte, als Weltklasse-Sportler wohl eine würdige Figur für Titelgeschichte und Schwerpunkt im Heft. David Winterfeld, geb. Forster, arbeitete vor eineinhalb Jahrzehnten viel daran, die Märchen, die sich außersportlich um Sindelar ranken, durch einen klaren Blick auf die Person zu ersetzen. Gerade aufgrund seiner Vereinsanhängerschaft und Wertschätzung des Sportlers Sindelar war ihm das ein Anliegen, wie im Interview im Heft deutlich wird. Er blickt zurück: „Ich kann den Sportler vom Rest der Geschichte trennen. Ich glaube, das können viele andere in dieser Debatte nicht.“ Fakten wurden und werden beiseitegeschoben, da der Mythos eines Widerstandshelden Sindelar wirkmächtiger und anziehender ist. In einer Zeit der Goldgräberstimmung, als man in der Anfangszeit der Naziherrschaft in Wien 1938 die jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn ausrauben konnte, hat Sindelar aber, wie Winterfeld ausdrückt, „eine moralisch fragwürdige Entscheidung getroffen und wurde ein ‚Ariseur‘.“ Die Nazis zwangen den Kaffeehausbesitzer Drill mit Terror und Gewalt zur Aufgabe seines gut gehenden Kaffeehauses und Sindelar konnte den ihm bekannten Betrieb zu einem billigen Preis übernehmen. „Er hätte sagen können: Beim Leopold Drill waren wir früher tarockieren, ich will nicht. Er war ein Profiteur. ‚Ariseure‘ sind auch ein Kollektiv von Systemträgern und Mittätern, aber vor allem profitieren sie persönlich von der Beraubung der jüdischen Bevölkerung.“ Menschen möchten Helden. So wurde aus dem NS-Opfer ein „Vorbesitzer“ und nach kurzer Unsicherheit wird mit kritischen Halbsätzen heute meist wieder eine Wunschgestalt Sindelar statt dem realen Menschen, dem herausragenden Fußballer und Teilnehmer am Raubzug der Nazis, erinnert. Man kann das sehen und akzeptieren und muss die dunkle Seite nicht leugnen, um Sindelar dennoch für einen großen Fußballer zu halten. Ein weiterer Artikel im Heft behandelt aktuelle Gedenkaktionen von Wiener Fußballvereinen und ihren Fans anlässlich des Gedenkjahres 2018 80 Jahre nach der Nazi-Machtübernahme in Österreich 1938.
Zoki Barišić gab dem Ballesterer kurz vor seinem überraschenden Abschied von Olimpija Ljubljana ein Interview, in dem er sich noch in Aufbauarbeit sah. Seine sportliche Bilanz war ja mit nur einer Niederlage in 16 Spielen durchaus beachtlich. Offenbar kurz vor Drucklegung konnte noch ein Satz über den bevorstehende Trennung in den Artikel hinzugefügt werden. Um Rapid geht es im Interview natürlich auch viel. Wie könnte es auch anders sein.
Weiters erfährt man im Heft, dass der häufigste Geburtstag österreichischer Bundesligaspieler der 18. Jänner ist. Jürgen Pucher analysiert das Wandeln des SK Sturm Graz zwischen Provinz und Großklubträumen. Nicole Selmer berichtet vom Bielefelder Polizeikessel für St. Pauli-Fans. Von Thomas Unger stammt ein Reisebericht aus Prag, in dem er über aktuelle Fansituation berichtet und den guten Antonín Panenka interviewt.
Wie in Tschechien so ist auch in Kärnten Eishockey ein Massenphänomen. In meiner Amateurfußballserie Nebenschauplätze stelle ich die Fußballer des KAC vor.
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