Mittwoch, 10. Juni 2020

Schwarz auf Weiß, 46




Rezension


Schwarz auf Weiß
Das Sportclub-Fanzine
№ 46, Mai 2020
40 S.









Mit Demokratie in Fußballvereinen und dem Mitgliederverein als Konzept beschäftigt sich das in einer fußballspiel-, aber nicht demokratiefreien Zeit erschiene Heft des Fanzines der Freund*innen der Friedhofstribüne des Wiener Sport-Club. „Lasst uns mehr Demokratie!“ ist dabei die Schlagzeile – eine Paraphrase des epochemachenden Satzes „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ des Sozialdemokraten Willy Brandt in seiner ersten Regierungserklärung als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland 1969, mit dem er eine gesellschaftliche und geistige Öffnung einleitete.
Im Editorial stellt man die Fragen dazu: „Was bedeutet Demokratie in einem Mitgliederverein? Wie kann das gelebt werden? Was bedeutet das vor dem Hintergrund einer Gesellschaft, in der autoritäre Strukturen wieder Unterstützung inden, in der Ausschluss wieder vermehrt akzeptabel erscheint?“ Antworten geben auch verschiedene Beiträge des Hefts.

Was ist die Aufgabe eines Fußballfans im Stadion? Nicht die „Mitwirkung bei Werbeaktionen“, findet ein kritischer Kommentar zu einer Sponsorenaktion zur Umgestaltung von Torjubel zu kommerzieller Werbung beim letzten WSC-Heimspiel. Ein alter Text aus dem Schwarz auf Weiß aus dem März 1998 berichtet vom Zwiespalt, aus der Fanszene in den Vorstand des Vereins zu kommen, und ein Gespräch mit zwei Protagonisten blickt auf vergangene turbulente Zeiten in den Jahren rund um die Aufspaltung in WSC und WSK zurück. „Im Vorstand hat uns nie jemand was gesagt. Du bist da gesessen für die Wand. Einmal hat sich der Willy Kaipel mit uns und der Angängervereinigung zusammengesetzt, um uns Dinge zu erzählen. Das war aber alles informell.“ Jedenfalls waren es in den 1980er/90er Jahren schwierige Zeiten als Fan, wie ebenfalls erzählt wird: „In der Zeit waren andere Vereine viel prominenter. Allen voran Rapid. Das war voll gschissen. Oder die VÖEST. Das war der gschissenste Verein überhaupt, damals. Wir sind oft grennt. Einmal haben uns am Heimweg fünf VÖESTler abgepasst, wir sind in irgendeinen Hauseingang geflüchtet. Der GAK auswärts war auch scheiße. Du kommst hin und wirst sofort mit Gegenständen beworfen. So sind wir als Gruppe gewachsen.“ (Literaturhinweis für die jungen Leserinnen und Leser zu VÖEST-Hooligans: Reinhard Krennhuber, Ein Tritt zu viel. in: Ballesterer 90)

Zurück zum Hauptthema des Hefts: Information ist eine Problemstellung, die auch in weiteren Beiträgen zum Thema Mitgliederverein eine Rolle spielt. So gibt es eine Vorstellung der basisdemokratischen Konsensfindungsstrategie bei Roter Stern Leipzig, man erfährt über Herangehensweisen beim „unbeschriebenen Blatt“ Dresdner SC, über den im Dezember 2018 in einer Punk-Bar in Bratislava entstandenen FK Kozmos und über den erfolgreichen Kampf um die Vereinsführung bei Tennis Borussia Berlin, wo man mit gewisser Selbstirone auf den eigenen Verein blickt – „Etwa im Zehnjahresrhythmus fühlt sich Tennis Borussia zu Höherem berufen und nimmt freudig Anlauf ins Verderben.“ (das beste Zitat des Hefts). Einiges an Stoff zum Thema gibt es in zwei Interviews mit Leuten des FC United of Manchester, wo auch interne Verwerfungen zur Sprache kommen.

Spannend ist ein Artikel über das 1895 fertiggestellte und 1982 verkaufte einstige Klubhaus des Wiener Sport-Clubs in der Hernalser Rötzergasse (Nähe Jörgerbad). Weiters gibt es im Heft u.a. einen Bericht vom Besuch des Fussballfans gegen Homophobie-Hallenturnies in Zürich und einer anschließenden Groundhopping-Spritztour nach Italien. Dabei machte man schlechte Erfahrungen mit Flixbus. Zu ihrer Beruhigung: Damit sind sie nicht allein. Ohne zumindest einmal eine schlechte Flixbus-Erfahrung gemacht zu haben, ist die Welt des Fußballreisens nicht komplett erfahren.

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