Mittwoch, 3. Juni 2020
Der tödliche Pass, 96
Rezension
Der tödliche Pass
Magazin zur näheren Betrachtung des Fußballspiels
Heft 96, April 2020
96 S.
30 Jahre nach den berühmten Ausschreitungen beim Spiel Dinamo Zagreb gegen Roter Stern Belgrad, die im Nachgang zu einem Vorspiel des später ausbrechenden Krieges erinnert wurden, bespricht Albrecht Sonntag das Buch Le Football dans le chaos yougoslave des französischen Politikwissenschaftlers Loïc Trégourès im Heft. „Der plötzlich verordnete Zwang, sich festlegen zu müssen auf eine zementierte Identität, entgegen aller Empirie menschenlichen Zusammenlebens in einer ursprünglich von gelassener Duldung der Vielfalt geprägten Region, ist eine schmerzhafte Erfahrung der Enteigung,“ resumiert Sonntag. Für Trégourès sei der Fußball in Jugoslawien „immer gleichzeitig ‚Schaufenster‘ und ‚Akteur‘ der Geschehnisse (S. 195). Eine grundsätzliche Ambivalenz, die nichts daran ändert, dass der Fußball unbestreitbar dazu beigetragen hat, im zerfallenden Jugoslawien ein Umfeld zu schaffen, ‚in dem es nicht mehr statthaft war, sich NICHT auf eine Seite zu schlagen‘ (S. 84).“
Zur deutschen Hopp-Debatte vom Februar 2020 äußert sich Claus Melchior in einem differenzierten Essay mit der Schlussfolgerung „Wenn sich allerdings Verbände und Vereine nach den Reaktionen auf die Ereignisse vom 29. Februar nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, gegen persönliche Beleidigungen härter vorzugehen als im Kampf gegen jegliche Art von Diskriminierung, dann müssen sie genau diesen Kampf in Zukunft mit großem Ernst führen.“ Das ist wohl allerdings nicht zu erwarten. Im Unterschied zur Melchiors Kommentar zitiert Johannes John in seinem Meinungsartikel begeistert einen Leserinnenbrief, der den Rauswurf von Ultras aus dem Stadion verlangt und in seinem Furor der PR-Masche auf den Leim geht, dass Hopp als Heilsbringer einen Coronavirus-Impfstoff entwickle und man ihm ein Hosianna zu singen habe.
Der Heftautor Paul Schönwetter berichtet, dass er oft Facebook-Freundschaftsanfragen und Nachrichten erhalte, die einem gleichnamigen ehemaligen Fußballer und Trainer gelten. Weiters gibt es im Heft Nachrufe und Erinnerungen an den verstorbenen Literaten Ror Wolf und die Fußballer Rob Rensenbrink und Barry Hulshoff.
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