Europa League, Gruppe A, 2. Spieltag, 3.10.2019
Stade Josy Barthel, 3.005
Ein Drohnenflug mit Fahne des armenischen Bergkarabach als nationalistische Provokation für den Qarabağ Futbol Klubu aus Aserbaidschan sorgte für Tumult und Spielunterbrechung während des Europa-League-Spiels in Luxemburg.
Zunächst verlief das Spiel normal, mit Führungstreffer der Gäste nach zehn Minuten und ihrem zweiten Tor später drückten sie ihre Überlegenheit gegen F91 Düdelingen aus, die zuvor überraschend bei APOEL in Nikosia gewonnen hatten. Für Stimmung sorgte der Auswärtsblock mit kurzen Sprechchören. Auf heimischer Seite gab es keinen Support, vereinzelt wurde ein paar Mal von jeweils vielleicht einem halben Dutzend auf Haupttribüne und Gegengerade zu verschiedenen Zeitpunkten „Diddeleng, Diddeleng, Diddeleng ...“ gesungen.
Dann schaltete sich nach einer halben Stunde Fußball der Nationalismus in das Geschehen ein. Bald nach dem zweiten Treffer flog plötzlich eine anscheinend vom Dach des Gebäudes des angrenzenden Tenniclubs gesteuerte Drohne mit einer armenischen Karabach-Fahne über den Spielern herum. Die Fahne löste sofort Unruhe im Auswärtssektor aus, in kürzester Zeit kletterten mehrere Leute auf den Zaun und auch darüber, einzelne liefen auf das Spielfeld in Richtung der Drohne und wurden von Ordnern verfolgt und überwältigt. Das Spiel wurde unterbrochen, eine Traube an Menschen bildete sich vor Auswärtssektor und Kabinenabgang davor, Schiedsrichter und Mannschaften verließen schließlich den Innenraum. Die Drohne flog wieder ab. Das Szenario war offensichtlich eine Kopie einer gleichartigen nationalistischen Provokation bei einem Länderspiel Serbien-Albanien 2014. Der aserbaidschanische Verein ist ein Flüchtlingsverein aus der nunmehrigen Geisterstadt Ağdam. Der 1988 aufgeflammte Bürgerkrieg mit gegenseitigen Massakern an der jeweiligen Zivilbevölkerung um die mehrheitlich armenisch bewohnte, aber innerhalb Aserbaidschans liegende Region Karabach endete 1994 mit der armenischen Eroberung, Besetzung und Vertreibung der aserbaidschanischen Bevölkerung. Der Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan ist seither ein eingefrorener, nicht gelöster Konflikt. Mit einer Stadionlautsprecher-Durchsage während der Spielunterbrechung entschuldigte sich der Luxemburger Sportminister in englischer Sprache bei den Gästen für die politische Provokation und betonte, dass diese nicht von Luxemburg kommt sondern von anderer Seite. Der Gästeanhang skandierte daraufhin „Luxemburg, Luxemburg, Luxemburg“, was von heimischer Seite mit Applaus bedacht wurde.
Schließlich ging das Spiel nach 25 Minuten weite. Bald erfolgte per Elfmeter das 0:3. Mit einem Mann weniger in der letzten halben Stunde wurde es für Düdelingen auch nicht leichter. In Minute 89 gelang aber immerhin noch der Ehrentreffer.
Der F91 Düdelingen (deutscher Name) bzw. luxemburgisch F91 Diddeleng und französisch F91 Dudelange entstand 1991 aus der Fusion von Alliance Dudelange (1916), Stade Dudelange (1908) und US Düdelingen (1912). Die drei Vereine hatten ihre erfolgreichen Zeiten, waren aber Ende der 1980er Jahre zurückgefallen, sodass man sich zum Großverein der Stadt Düdelingen zusammenschloss. Mit schlussendlichem sportlichen Erfolg: In den letzten beiden Jahrzehnten ist man luxemburgischer Serienmeister mit 15 Meistertiteln seit 1999/2000. Zuletzt wurde man 2014/15 einmal nicht Meister.
2005 erreichte Düdelingen als bis dahin größtem Luxemburger Erfolg im Europacup die zweite Qualifikationsrunde der Champions League. Gegen Rapid war hier aber Endstation. Rapid gewann in Düdelingen, wo damals noch gespielt werden konnte, 6:1 und im Hanappi-Stadion nach 0:2-Rückstand noch 3:2. 2018 schaffte es Düdelingen wiederum als erster Luxemburger Verein in die Gruppenphase der Europa League, in der man nun 2019 gleich zum zweiten Mal hintereinander spielt. 2012 hatten die Düdelinger Amateure auch die Salzburger Dosen aus der Qualifikation zur Champions League rausgeworfen.
Das Stade Josy Barthel wurde 1931 als Städtisches Stadion von Luxemburg eröffnet. 1993 wurde es nach dem 1992 verstorbenen Joseph „Josy“ Barthel benannt, der Olympiasieger von 1952 im 1500-Meter-Lauf, Präsident des Luxemburger Olympischen Komitees und Minister gewesen war. Das Stadion wurde 1989 bis 1990 renoviert und bietet als größtes Stadion der Stadt und des Landes Luxemburg 8.054 Plätze. Hier spielt die luxemburgische Nationalmannschaft und als derzeit einzigem europacuptauglichem Stadion alle Luxemburger Vereine in den UEFA-Bewerben. 2012 wurde gegen eine erneute Renovierung des Stadions entschieden und 2017 mit dem Bau des neuen Nationalstadion Luxemburg (luxemburgisch Nationalstadion vu Lëtzebuerg, französisch Stade national du Luxembourg) begonnen, das im Mai 2020 eröffnet werden soll.
Vor dem Spiel wurde die Stadt Luxemburg besichtigt.
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