Deutschland, 3. Liga, 38. Runde, 14.5.2016
Waldau-Stadion, 5.970
Ein dramatisches Saisonfinale, das für die Stuttgarter Kickers mit dem Abstieg am letzten Spieltag endete. Man benötigte nur einen Punkt, den man mit Defensivspiel und einem lange scheinbar gut verwalteten 0:0 nach Hause bringen wollte. Doch die favorisierten Chemnitzer erzielten Minuten vor dem Ende das 0:1, womit die Kickers abgestiegen waren. Die Verzweiflung und Anspannung war zahlreichen Leuten ins Gesicht geschrieben und machte sich auch verbal Luft. Man glaubte sich im Moment des Gegentors draußen. Dann machte die Kunde vom Ausgleich von Mainz II in Cottbus die Runde, womit die Kickers nach Spielstand wieder gerettet gewesen wären. So sah es auch beim Schlusspfiff aus. Doch mit einem Tor in der Nachspielzeit von Wehen gegen die bereits abgestiegene II. Mannschaft des VfB Stuttgart kam das endgültige Aus. Damit rückte Wehen auf. Werder Bremen II war nun punktegleich mit den Kickers und hatte dasselbe Torverhältnis, womit ihre größere Anzahl geschossener Tore den Ausschlag für deren Klassenerhalt und den Abstieg der Kickers gab. Absteiger wegen eines zu wenig geschossenen Tores. Vielleicht hätte man im Endspiel gegen Chemnitz doch auch versuchen sollen, auf das gegnerische Tor zu spielen.
Nach einer Schrecksekunde lief ein Dutzend Kickers-Anhänger auf das Feld. Manche Spieler erhielten von ihnen Stesser mit auf den Weg hinaus, die Mannschaft flüchtete in die Kabine. Andere der Anhänger redeten mit Spielern am Platz. Nach kurzer Zeit richtete sich die Aufmerksamkeit dann auf den Auswärtsblock, woraufhin neben den Ordnern, die eine Schnur über den Platz gespannt hielten, auch die Polizei in Mannschaftsstärke martialisch aufmarschierte und Avancen beendete.
Zuvor hatten die beiden auf der Stehplatz-Längsseite untergebrachten Fanblöcke (der Auswärtssektor zieht sich auch auf den Hintertorbereich) für gute Stimmung gesorgt. Die Chemnitzer feierten ihre Vereinstradition aus DDR-Zeiten als ehemaliger FC Karl-Marx-Stadt choreographisch und in ihren Gesängen.
Der SV Stuttgarter Kickers wurde 1899 als Fußballclub Stuttgarter Cickers gegründet. Als Rugby-Befürworter sich bei den Kickers nicht durchsetzen konnten, verließen sie 1902 den Verein und traten zum FV 1893 Stuttgart über, aus dem später der große Rivale VfB Stuttgart wurde. Die größten Erfolge der Kickers waren das Erreichen des Endspiels um die deutsche Meisterschaft 1908, die DFB-Pokal-Finalteilnahme 1987 und zwei Saisonen in der Bundesliga 1988/89 und 1991/92. Nach Jahrzehnten in der 2. Bundesliga (23 Saisonen) spielte man zuletzt seit 2001 drittklassig bzw. von 2009 bis 2012 sogar viertklassig.
Bis in die späten 1940er Jahre war der Anhang der Kickers zahlenmäßig etwa gleich groß wie jener des VfB. Die größte Kulisse hatten die Stuttgarter Kickers beim Spiel gegen die Admira in der Endrunde der deutschen Meisterschaft 1939, zu dem 70.000 Zuschauerinnen und Zuschauer in die damalige Adolf-Hitler-Kampfbahn, das spätere Neckarstadion, kamen. 1941 traf Rapid in der Endrunde und im Pokal auf die Kickers
Das Waldau-Stadion bzw. derzeit nach einem Sponsor benannte Stadion auf der Waldau im Stadtteil Degerloch wurde 1905 als Kickers-Platz eröffnet. Kein anderer deutscher Fußballverein spielt so lange am selben Ort. 1988 ging die zu Füßen des Fernsehturms liegende Anlage in den Besitz der Stadt Stuttgart über und heißt seither Waldau-Stadion. Zeitweise, v.a. während der beiden Bundesligajahre, spielten die Kickers aber auch im großen Neckarstadion, dem späteren Gottlieb-Daimler-Stadion. 1913 wurde im Maßstab 1:3 eine Kopie einer überdachten Holztribüne des Arsenal-Stadions Highbury errichtet, die bis zum Neubau der Haupttribüne 1975 bestand. Nach deren Abriss und erneutem Neubau der Haupttribüne 2014/15 mit nun 2.211 Sitzplätzen passen hier heute 11.408 Zuschauerinnen und Zuschauer herein.
Vor dem Spiel wurde die Stadt Stuttgart besichtigt.
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