Schweiz, 1. Liga Promotion, 30. Runde, 28.5.2016
Paul-Grüninger-Stadion, 610
Für Brühl begann das Match wie aus dem Bilderbuch: Nach fünf Minuten 1:0 nach einem Corner, fünf Minuten darauf schon das 2:0. Aber es ging nicht in dieser Tonart weiter. Die BSC Old Boys aus Basel zeigten sich nicht geschockt, kamen in das Spiel zurück und konnten noch vor Pause wieder ausgleichen. Den Brühler Matchball gab es nach 80 Minuten, doch der Kopfball ging an die Latte statt ins Goal. Stattdessen erzielten die Basler auf der Gegenseite ihr drittes Tor. Brühl verspielte eine schnelle 2:0-Führung und verlor ein Spiel, das man nicht verlieren hätte müssen.
Der im Osten der Schweizer Stadt St. Gallen beheimatete SC Brühl wurde 1901 gegründet. Bis 1942 hieß man FC Brühl. Im Gegensatz zum von bürgerlichem Milieu geprägten FC St. Gallen war Brühl der Arbeiterverein. Der größte Brühler Vereinserfolg ist der Schweizer Meistertitel in der Saison 1914/15. Nach Jahren von 1996 bis 2010 in der 2. Liga interregional, der vierthöchsten Liga, schaffte Brühl in einer Saison in der 1. Liga 2010/11 den Durchmarsch in die Challenge League, die zweite Liga. Nach einer Saison stieg man aber wieder ab und spielt seither in der drittklassigen 1. Liga Promotion.
Das Paul-Grüninger-Stadion wurde 1911 als Sportanlage Krontal im St. Galler Stadtteil Krontal eröffnet. Eine 1914 errichtete Holztribüne prägte das Aussehen der Anlage bis sie 1958 niederbrannte und 1960 durch die heutige Haupttribüne ersetzt wurde. 2005 und 2006 wurde das Stadion renoviert. Die Kapazität liegt heute bei 3.900 Plätzen, davon 900 überdachte Sitzplätze auf der Haupttribüne. Ihren Rekordbesuch erlebte die Sportanlage 1970, als sich zum „Stadtmatch“, wie das Derby gegen den FC St. Gallen heißt, 10.500 Zuschauerinnen und Zuschauer im mit Stehplatz-Rampen aus Holz ausgestatteten Stadion drängten. 2011 waren es gegen den FCSG zuletzt auch stolze 5.500 im mit Zusatztribünen ausgebauten Stadion.
2006 wurde das Stadion nach Paul Grüninger benannt. Paul Grüninger war nicht nur als Spieler 1914/15 Meister mit Brühl und später von 1924 bis 1927 und von 1937 bis 1940 zweimal Vereinspräsident gewesen, sondern hatte sich in seinem Beruf als Polizeihauptmann in St. Gallen menschlich herausragend verhalten. In den Jahren 1938 und 1939 rettete er als leitender Grenzbeamter mehreren hundert jüdischen und anderen Flüchtlingen vor den Nazis aus Deutschland und dem eingegliederten Österreich das Leben. Ab Oktober 1938 anerkannte die Schweiz vor den Nazis fliehende Jüdinnen und Juden nicht mehr als Flüchtlinge, verlangte von Deutschland die Kennzeichung von Jüdinnen und Juden in deutschen Reisepässen und schickte die Menschen an der Grenze zurück. Grüninger rettete hunderte Menschen vor der späteren Ermordung durch die Nazis, indem er den Flüchtlingen die Einreise in die Schweiz ermöglichte. 1939 wurde er deswegen vom Dienst suspendiert, sein Pensionsanspruch wurde gestrichen und 1940 wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt. Aufgrund seiner Verurteilung trat er als Brühler Vereinspräsident zurück. Grüninger galt als Verbrecher, fand in seinen restlichen drei Lebensjahrzehnten nie wieder eine feste Anstellung und starb 1972 verarmt. Erst in den 1990er Jahren wurde er rehabilitiert und seine Leistung als Flüchtlingshelfer und Lebensretter anerkannt.
2013 wurde eine Skulptur aus zwei bronzenen Fußballschuhen der St. Galler Künstlerin Antonella Cavalleri im Stadion aufgestellt. Die beiden Schuhe stehen für das doppelte Jubiläum im Jahr 2011, das 100jährige Bestehen der Sportanlage Krontal und 110 Jahre SC Brühl.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen