Freitag, 12. Januar 2024

Strawanza 2




Rezension


Strawanza
... zweiter Streich
2023
84 S.









„Der gelernte Strawanza ist auch immer ein Tachinierer“ erfährt man im Vorwort. Fast drei Jahre dauerte es seit dem ersten Streich. Lange Zeit, dafür kann man sich aber auch an diesem Heft sehr erfreuen.

Nicht Aktualität sondern die Erlebnisse stehen im Zentrum. So gilt der erste Bericht gleich einmal einem 28 Jahre vergangenem Spiel, nämlich dem letzten Europacupfinale des SK Rapid im Jahr 1996. Über „Finale, Atomium, Rauchpulver & mehr“ ist zu lesen. Zu sehen sind Bilder aus Brüssel, die einen schon optisch in eine andere Zeit zurückversetzen. In jener Zeit geht es dann gleich weiter mit einem Bericht über den Spielbesuch beim UEFA-Cup-Semifinale zwischen Olympique de Marseille und Bologna im Jahr 1999 auf der „damals (gefühlt) wohl stimmungsvollsten Tribüne Europas“ (Virage Sud) samt Betrachtung des lokaltypischen Fackelwerfens zwischen Gästesektor und Virage Nord sowie 50 Minuten langer dritter Halbzeit im Stadion.

Die Texte und Schreibweise sind wieder locker, unterhaltsam und anekdotenreich. Herrlich, dass der Strawanza-Korrespondent beim Besuch von Vorwärts Steyr gegen Blau-Weiß Linz 2015 auf die Verneinung der Frage „Seids ihr Linzer?“ an die unauffällig auffällige Expeditionsgruppe nachgesetzt bekam: „Sicher seids ihr Linzer, ihr habts North Face Jacken an, de tragen nur Linzer.“ Neben dem Tifo sorgte ein beidseitiger Fetzendiebstahl-Ringelreihen für Aufregung.

Seinen Bildungsauftrag erfüllt der Strawanza mit einem gut recherchierten und aufbereiteten Text über das „afrikanische Hillsborough“, der auch hier von der Polizei ausgelösten Stadionkatastrophe mit vielen Toten in Ghana im Jahr 2001.
Der im ersten Heft angesprochene Bari-Bericht wird dankenswerterweise im zweiten Streich nachgeliefert. Auch der Autor hier stellt fest, dass das Stadio San Nicola recht abseits der Stadt liegt. Ebenso aus dem Jahr 2019 stammen interessante Reiseberichte aus Serbien.
Anreiseweg und Rahmenprogramm waren ein anderes, aber ein Strawanza besuchte wie ich das Derby Aris gegen PAOK im Jänner 2020 und staunte wie ich über die unfassbare Menge an Pyro, die dort abgefeuert wurde. „Oida, ich trau mich zu behaupten ja schon einiges in Europa und darüber hinaus gesehen zu haben, aber dies war einfach der pure Wahnsinn!“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Weitere Fußballreisen führten 2020 nach Salzburg und Berlin und anlässlich des Rapid-Europacupspiels bei West Ham United 2021 zu QPR, zu Fulham und nach Portsmouth. Wer wissen will, warum eine Lehre des Rapidspiels ist „bei den Engländern auswärts herrscht Kapperlpflicht“, nehme das Heft zur Hand.

Der 2020 in Mexiko ermordete Rapidler Florian Kafka war ein sehr guter Freund eines der Strawanza, der in seinen Berichten in diesem Heft Erlebnisse mit ihm schildert. Eine Umschlagseite zeigt mit Bildern des Gedenkgraffitis am Donaukanal, des seither präsenten Fetzens für ihn und Spruchbändern Gedenken aus den letzten Jahren. Eine Rezension der Graphic Novel Ein Match für Algerien und eine Anleitung zur Herstellung von Strawanza-Kaffeelikör runden die Ausgabe ab.

Die Strawanza sind aufmerksame Beobachter, die das gescheit und gut geschrieben zu Papier bringen.


A5-Format / 4 € / Kontakt strawanza @ protonmail.com

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