Deutschland, 2. Bundesliga, 11. Runde, 30.10.2016
Wildparkstadion, 27.930
Mit einem Favoritensieg des VfB Stuttgart endete das erste Derby seit sieben Jahren in Karlsruhe. In der zehnten Minute gingen die Gäste in Führung und trafen gleich eine Minute nach Wiederbeginn nach der Pause erneut. Ein Elfmeter sorgte für den Karlsruher Anschlusstreffer. Die Stuttgarter hatten noch einen Lattentreffer und machten mit dem dritten Tor in den Schlussminuten den Derbysieg klar. Auch wenn der sportliche Unterschied deutlich wurde, war es ein umkämpftes und daher spannendes Match.
Jimmy Hoffer im Sturm der Karlsruher hatte es nicht einfach, spielte aber mannschaftdienlich gut mit. Torchance hatte er keine.
Eine große mehrteilige Choreographie über die Gegentribüne leitete auf Karlsruher Seite das Derby ein. Erst wurde die Tribüne in die rot-gelben Landesfarben Badens getaucht und zwei Botschaften an die Mannschaft ausgegeben. Anschließend überdeckte eine blau-weiße Überrollfahne die Ränge, die passend zum „Schlachtfeld“-Banner kampfeslustige Karlsruher Ultras und einen als „mutlos und scheu“ den Ort des Geschehens verlassenden Stuttgarter Haufen zeigte. Im Stehplatz-Kurveneck neben der Tribüne gab es blaue und weiße Fahnen in den Vereinsfarben. Zum Beginn der zweiten Halbzeit thematisierte eine bewegte Choreo das Thema Gewalt mit übergroßen Pappfiguren und Spruchbändern, mit denen diese quasi miteinander sprachen. Die Karlsruher Fanszene war zuvor gemeinsam zum Stadion marschiert und hatte dabei kurz vor dem Stadion ein mitgeschleiftes Exemplar des Stuttgarter Vereinsmaskottchens rituell verbrannt.
Auf Stuttgarter Seite wurde ein Banner der Cannstatter Kurve und roter Rauch zu Spielbeginn gezeigt und nach der Pause eine Pyroshow. Ein Derbysieger-Banner hatte man auch mit und konnte es am Ende benutzen.
Gesänge, Sprechchöre und die vielen Karlsruher Spruchbänder handelten zu einem Gutteil von der Abneigung zum Gegenüber. Die Rivalität geht auf die unterschiedliche geschichtliche Entwicklung des kleineren, historisch ärmeren Landesteils Baden mit der Hauptstadt Karlsruhe und dem größeren und reicheren Württemberg mit der Hauptstadt Stuttgart zurück. 1952 wurden die beiden Länder zu einem gemeinsamen Bundesland Baden-Württemberg zusammengeschlossen, wobei die Mehrheit in Baden dagegen gestimmt hatte. Die Rivalität der Länder und Städte wurde im Fußball übernommen und wird hier besonders leidenschaftlich gepflegt. Vor Spielbeginn wird in Karlsruhe das Badnerlied abgespielt.
Der Karlsruher Sport-Club Mühlburg-Phönix geht auf den 1894 gegründeten Karlsruher FC Phönix zurück, der 1952 mit dem VfB Mühlburg (1905) fusioniert wurde. Phönix war 1900 Gründungsmitglied des DFB und wurde 1909 deutscher Meister. Der KSC fügte 1955 und 1956 zwei Pokalsiege in die Titelsammlung hinzu. 1963 bis 1968 spielte der Karlsruher SC in den ersten Saisonen der Bundesliga und pendelte seither unzählige Male zwischen erster und zweiter Liga. Die erfolgreichste Zeit waren die Bundesligajahre von 1987 bis 1998 unter Trainer Winfried Schäfer und bis 1994 mit Oliver Kahn im Tor. Höhepunkt war das sogenannte Wunder vom Wildpark im UEFA-Cup 1993/94, als der KSC nach einer 3:1-Hinspielniederlage zuhause Valencia mit 7:0 deklassierte. Man kam bis ins Semifinale, wo man knapp mit zwei Unentschieden (0:0, 1:1) an Austria Salzburg scheiterte. 1996 erreichte der KSC das DFB-Pokal-Finale und spielte 1996/97 und 1997/98 zwei weitere Male im UEFA-Cup (jeweils Achtelfinale), bevor man 1998 nach elf Jahren wieder aus der Bundesliga abstieg. Von zwei Drittligajahren 2000/01 (Regionalliga) und 2012/13 (3. Liga) sowie zwei Bundesligasaisonen 2007/08 und 2008/09 unterbrochen spielt man seither fast immer in der 2. Bundesliga.
Rapid hatte 1907 bei einem Osterturnier am Rudolfsheimer Sportplatz den Karlsruher FC Phönix zu Gast und unterlag 1:4 (1:0). Drei Wiener Trainer gab es beim KSC: Mit dem Ex-Dornbacher Adolf Patek stand man 1953 bis 1956 zweimal im Pokalfinale und einmal im Finale um die deutsche Meisterschaft. Ihm folgten 1959 bis 1962 mit Edi Frühwirth (Rapidspieler 1927/28) und 1981/82 mit Max Merkel zwei Ex-Rapidler. Als Spieler wechselte Christian Stumpf 1998 von Rapid hierher, konnte sich aber nicht durchsetzen und blieb nur eine Saison. Seit 2015 spielt hier Jimmy Hoffer.
Das Wildparkstadion wurde 1955 eröffnet. Es war an der Stelle des 1923 in Betrieb genommenen FC-Phönix-Sportplatzes gebaut worden. Die Gegentribüne wurde 1978 ausgebaut und 1991 bis 1993 die Haupttribüne neu errichtet. Einst passten 50.000 Zuschauerinnen und Zuschauer in das Oval, heute gibt es 29.699 Sitz- und Stehplätze. Seit nunmehr zehn Jahren wird in Karlsruhe über einen kompletten Stadionneubau im Wildpark geredet. Solange nicht neu gebaut wurde, kann man noch den Anblick der aufgeschütteten Böschungen des Ovals, die pittoreske Gegentribüne oder die geneigten Flutlichtmasten genießen.
Neben dem Spiel wurde auch die Stadt Karlsruhe besichtigt.
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