Mittwoch, 24. März 2021

Manni 7




Rezension


Manni
Dat Fanzine vonne Borussia
Ausgabe 7 (März 2021)
60 S.










Mangels aktueller Spielberichte von Borussia Dortmund erfreut der Manni mit historischen Erlebniserinnerungen. Ein Vorteil, dass dies ohnehin seit Beginn ein Standbein des Fanzines war. Grandios geht es gleich mit Erzählungen von einer einwöchigen Portugal/Spanien-Tour mit mehreren Fußballspielbesuchen im Jänner 2001 anlässlich des damaligen Dortmunder Wintertrainingslagers im Heft los. Noch weiter zurück, in die 1980er/90er Jahre, führt ein Interview mit zwei Protagonisten des Fanprojekts über dessen Entstehungsgeschichte und Anfänge. „Wir waren damals kein Fan-, sondern ein Hooligan-Projekt.“ heißt es zum damaligen Klientel. Die bekannte, damals verbreitete offen antisemitische Stimmung wird ebenso geschildert wie Exzesse auf einer Europacup-Auswärtsfahrt und die praktische Umsetzung des sozialpädagogischen Zugangs des Fanprojekts.

Am spannendesten im Heft sind die Schilderungen von den Relegationsspielen im Jahr 1986. „Heute weiß man, dass dieser Moment den absoluten Wendepunkt in der Historie des Ballspielvereins darstellt. Kaum auszumalen, wo der BVB heute stecken würde, hätte man damals, 10 Jahre nach dem Wiederaufstieg, erneut den Gang in die Zweitklassigkeit antreten müssen.“ In drei persönlich gehaltenen Spielberichten werden das Erleben der Spiele und die Umstände drumherum geschildert. Drei Spiele wurden es, da nach 2:0-Hinspielniederlage des BVB gegen Fortuna Köln und knappem 3:1-Heimsieg im Rückspiel – „Der bereits als Judas abgeschriebene Jürgen Wegmann, er hatte wenige Tage zuvor seinen Wechsel zum blauen Abschaum bekanntgegeben, baute sich mit dem wahrscheinlich wichtigsten Tor der Vereinsgeschichte in wirklich aller letzter Sekunde doch noch sein Denkmal in Dortmund.“ – kam es zu einem Entscheidungsspiel auf neutralem Platz, im alten Rheinstadion in Düsseldorf. Dieses wurde auf Wunsch des Fortuna-Köln-Zampano Jean Löring eine Woche nach hinten verlegt. Zusätzlich zu den Spielberichten aus Fanperspektive gibt es im Heft auch ein Interview mit einem BVB-Spieler jener Zeit, Marcel Răducanu, der dazu erklärt: „Wir haben gehört, dass 8 Spieler krank sein sollen, aber es entsprach sicher nicht der Realität. Für uns war dies ein Zeichen, dass die Kölner Angst hatten.“ Eine kuriose Geschichte ist, dass die Dortmunder Mannschaft auch zum ursprünglichen Termin nach Düsseldorf fuhr und pro forma allein am Platz stand.

In der ersten Ausgabe des Manni war von der abenteuerlichen Zugreise von Fans zum Dortmunder Europacupspiel bei Velež Mostar im UEFA-Cup 1987 zu lesen gewesen. Einen Rückblick, welche andere Welt vor wenigen Jahrzehnten noch existierte, bietet Marcel Răducanu in diesem Heft im erwähnten Interview. Da er im Heimatland Rumänien für seine Flucht aus dem Ostblock auf einer Nationalmannschaftsreise zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt worden war, verzichtete er aufgrund eines Auslieferungsabkommens zwischen Jugoslawien und Rumänien auf die Teilnahme an der Europacupreise nach Mostar. „Bei der Rückkehr unserer Mannschaft holte ich mit Bomber die Jungs am Flughafen mit dem Bus ab. Dort fiel mir umgehend Niebaum um den Hals, der mich gar nicht mehr gehen lassen wollte, und teilte mir mit, dass die mich echt am Flughafen erwarteten, um mich nach Rumänien zu schicken.“

In der Reihe von Berichten vergangener Europacuspspiele wird diesmal von Erlebnissen in Trondheim 1999 rund um das Dortmunder Spiel bei Rosenborg erzählt. Die Gruppe um den Erzähler Bruno hatte aufgrund der hohen Bierpreise eine Kühltasche zur Selbstversorgung mit. Einer aus der Reisegruppe übertrat das Verbot des Alkoholtrinkens in der Öffentlichkeit am Spieltag und wurde von der Polizei eingesperrt. „Seine Strafe war sein ganzes persönliches Bargeld. Dummerweise hatte er auch die Gemeinschaftskasse dabei. Sein Kommentar war: ,Scheiß auf das Geld (ca. 50 DM), die Zelle war blau-weiß gestrichen! Die Höchststrafe!‘“

Unter welchen Umständen und mit welchen vielfältigen Problemen Fernreise-Groundhopping in der Pandemie ablaufen kann, erfährt man im Heft von einer Reise mit Spielbesuchen in den beiden Staaten auf der Karibikinsel Hispaniola, der Dominikanischen Republik und Haiti, im November 2020.

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