Samstag, 2. Januar 2021

Der tödliche Pass, 98



Rezension


Der tödliche Pass
Magazin zur näheren Betrachtung des Fußballspiels
Heft 98, Oktober 2020
84 S.









„Seine Worte stehen in Kontrast zu seinen Taten.“ Eine heftige Polemik verfasst Frank Ritmeester gegen César Luis Menotti und dessen Aussagen im jüngsten Ballesterer-Interview. Auf fünf Seiten nimmt er sie auseinander und zerreißt sie in der Luft. Er bezweifelt die Unkenntnis Menottis von den zahlreichen Eingriffen der argentinischen Militärdiktatur in der WM 1978 und stellt weit ausholend, bis hin zu Ödön von Horváth eine idealisierte Wiener Kultur heranziehend, das Handeln Ernst Happels als niederländischer Bondscoach im WM-Finale 1978 demjenigen Menottis als argentinischer Teamchef gegenüber. „Menotti enttarnt sich im Interview eher als Goethes Doktor Faust, der seine Seele für den Erfolg verkaufte.“

Als ein weiterer Verein in der Reihe „von betuchten Selbstdarstellern gepäppelter Klubs“ beschreibt Claus Melchior den durch Drittligaaufstieg und DFB-Pokal-Posse Bekanntheit errungenen Türkgücü München. Man dürfte ihn nicht mit dem Vorgänger SV Türk Gücü verwechseln, der es 1988 in die damals drittklassige Bayernliga geschafft hatte. Jener Verein war „stark in der türkischen Gemeinde Münchens verwurzelt und brachte es gelegentlich sogar auf fünfstellige Zuschauerzahlen.“ In den 1990ern erlebte er aber einen Niedergang und wurde 2001 aufgelöst. Der heutige Verein wurde erst 2018 auf den Namen Türkgücu umbenannt und wäre kein den Aufstieg geschafft habenden Migrantenverein sondern „auch nichts anderes als ein Investorenklub“ eines reichen Alleinherrschers mit Hire-and-Fire, der das für sein Ego mache. „Fans hat Türkgücü nämlich kaum, selbst in der Regionalliga bewegten sich die Zuschauerzahlen vor Covid eher im dreistelligen Bereich.“

Weiters erfährt man im Heft über das abwechslungsreiche Leben des im Juli verstorbenen Wim Suurbier und liest eine vernichtende Kritik des offenbar beeindruckend schlechten FIFA-Spielfilms United Passions, in dem die Geschichte eines Fußballjahrhunderts als Heldengeschichte von FIFA-Präsidenten erzählt wird und Fußball nur die Plattform dafür bietet. Carmen Mayer erzählt im Interview über das Zustandekommens des Fanzine Trauer und Fußball.

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