Freitag, 8. Januar 2021

1899fm – Folgen 44 und 45




Rezension


Heinz Deutsch
1899fm
Rapidfunk
1899fm.net







Peter Schöttel war in der letzten Podcast-Folge vor dem Jahreswechsel zu Gast. In der zweistündigen Folge 44 erzählt er gleich zu Beginn mit dem ihm eigenen trockenen Humor von seinem Erlebnis bei seinem ersten Rapid-Training als 12-/13-jähriger, um 1980 noch auf der Pfarrwiese: „Dort haben sie mein Talent mehr oder weniger erkannt. Also: Ich bin als Stürmer gekommen. Dort haben sie mich einmal ins Tor gestellt, dann bin ich ein halbes Jahr nicht hingegangen. Nach einem halben Jahr habe ich es wieder probiert und dann bin ich geblieben.“ So startet eine Rekordspielerkarriere. Über zwei Jahrzehnte spielte Schöttel von da an für Rapid. Gemeinsam mit Andi Herzog, Andi Heraf und mit Bernie Brunner, der dann verletzungsbedingt nicht mehr lange Fußball gespielt habe (das Rapidarchiv nennt für ihn einen Pflichtspieleinsatz), wurde er 1985 von den Junioren in die Kampfmannschaft übernommen, erzählt Schöttel. Eine große Ehre, wie er betont, zumal es sich damals um ein Europacupfinalteam, eine große Mannschaft, gehandelt habe. 1986 hatte er dann in einem Heimspiel gegen die Vienna seinen ersten Kampfmannschaftseinsatz: „Einerseits war es erfolgreich, weil wir gewonnen haben. Andererseits ist es mir deswegen in Erinnerung geblieben, weil ein gewisser Mario Kempes damals dem Funki Feurer einen Freistoß reingeschossen hat, während er die Mauer eingeteilt hat. Ich bin in der Mauer gestanden. Das sind so Momente, die einem bleiben.“ Nach einem bis zwei Jahren habe er regelmäßig gespielt und 1988 sein erstes Länderspiel bestritten.

In seiner Jugend habe Rapid so trainiert, wie auch 30, 40 oder 50 Jahre zuvor: Für das Training gab es das Hauptfeld der Pfarrwiese und den Rote-Erde-Platz daneben. Mehrere Mannschaften haben zeitgleich trainiert. Im Winter war man kaum auf dem Platz. „Unvorstellbar, wenn man sieht, was heute für ein Aufwand betrieben wird, was Infrastruktur betrifft.“
Zum Vergleich der beiden Rapid-Rekordspieler (Hofmann Rekordspieler im gesamten, Schöttel Bundesliga-Rekordspieler) argumentiert Schöttel wiederum mit seinem verschmitzten Augenzwinkern mit trockenen Humor: „Für mich müssen ja alle Spiele gelten. Die Nachwuchsspiele genauso, die U21-Spiele, ... Ich habe in der Zeit über 60 Länderspiele... In irgendeiner Form hätte ich mir schon einen Modus überlegt, dass ich trotzdem noch vorne geblieben wäre.“ Schöttel schafft es, immer ernst zu bleiben. Man kann das Schmunzeln beim Zuhören aber nicht vermeiden.
Thema des Gesprächs sind die frühen 1990er Jahre mit u.a. den drei verlorenen Cup-Finali 1990, 1991 und 1993 und der Umgang damit. Das gewonnene Cupfinale 1995 war dann ein Punkt, ab dem Rapid wieder im Aufschwung war. Für das Selbstvertrauen extrem wichtig nennt Schöttel die Europacupspiele 1995/96 und erzählt davon sowie über 1996 als „das größte Jahr meiner Generation.“ Das Einlaufen in Old Trafford in der Champions League neben den damaligen Kapazundern sei einer der Momente, die hängen bleiben.

Interessant sind Schöttels Ausführungen über seine Defensivqualitäten und die Offensivaktionen. Hinten habe er auch das Risiko nicht gescheut, habe nicht nachgedacht: Es sei sein Job gewesen, Tore zu verhindern. Vorne hätte er etwa auch bei Standardsituationen irgendwo Angst gehabt, wenn er seinen Kopf hin halten musste.
Zur Endphase seiner Karriere und ihrer Beendigung durch Lothar Matthäus erzählt Schöttel, dass die Trainingsintensität durch „richtig langes, richtig häufiges Training“ immens gesteigert wurde und er gesagt habe, dass er am Wochenende helfen könne, wenn er die Intensität in der Woche reduziere. Doch Matthäus habe damit nichts anfangen können. Schöttel hatte daneben schon seine Trainerausbildung begonnen und war neben seiner aktiven Karriere bereits Nachwuchsleiter von Rapid. Der Abschied vom Fußballspielen sei ihm nicht schwer gefallen, da er dann sogleich Trainer der Rapid-Amateure wurde. 2003 wurde er Sportdirektor. Im Herbst 2006 sei bei ihm ein Nachdenkprozess passiert und er habe gespürt, dass er nach dreißig Jahren im Verein auf etwas anderes neugierig sei. Er habe gemerkt, dass es brodelt, aber hatte mit Edlinger schon vorher ein Gespräch gehabt, im Winter aufhören zu wollen. Die Beschmimpfungen haben das dann beschleunigt.

Auf die Frage „Hast du damals überlegt?“ wie ihn als damaligen Wiener Neustädter Trainer Rapid holen wollte, antwortet Schöttel wie aus der Pistole geschossen: „Nein. Also das war schon das Ziel.“ Wie er gesehen habe, dass es mit Wiener Neustadt als Trainer funktioniert (er brachte sie ins Cupfinale), habe er gewusst, jetzt würde es auch als Rapid-Trainer passen. Im weiteren Verlauf werden seine beiden Trainer-Saisonen durchgenommen. Schöttel reflektiert gewohnt sachlich und nüchtern. Am Schluss des Gesprächs geht es um Schöttels aktuelle ÖFB-Tätigkeit.

Wolfgang Hagen von den Rapid M@ilers stand als Oberarzt eines Wiener Gemeindespitals und Rapidfan im Block West zuletzt schon im Grantler Rede und Antwort. In der ersten 1899fm-Ausgabe 2021 erzählt er in Folge 45 über seine Fankarriere und seine Erfahrungen in der aktuellen Pandemie. Stationen seiner Fangeschichte sind das Aufwachsen in Vorarlberg, Beschäftigung mit Rapid im Auslandssemester, West-Abonnent seit 1996/97 und Mitglied in dem aus einer Mailingliste, offiziell 1998 entstandenen Fanklub M@ilers. Er erzählt, dass die 1994 gründete Rapid-Mailingliste eine der ersten ihrer Art von Fußballfans im deutschsprachigen Raum im noch jungen Internetz war. Später wurde diese Form der Kommunikation über E-Mail dann von Internet-Foren als Diskussionsplattform abgelöst. Der Kern des Fanklubs von damals sei geblieben, um Nachwuchs habe man sich nicht gekümmert.

Auf seinem Twitteraccount ist Hagen sehr aktiv: „Da sind mir früher die Leute früher vor allem wegen Rapid gefolgt, jetzt vor allem wegen dem Corona-Virus.“ Als Arzt in der Grippe-Station in Krankenhaus habe er auf die Corona-Entwicklung geschaut, bewusst wurde ihm die Dimension des Kommenden aber erst mit Bergamo. Er schildert in abgeklärten, ruhigen aber nichtsdestoweniger deutlichen Worten die Lage. Wie schon im angesprochenen TR-Interview führt er aus, dass er es sich nehmen ließ, ins Stadion zu gehen, als es ihm im Herbst dreimal möglich war. Das Sicherheitskonzept bewertet er als gut. Nur, dass man anfangs die Masken am Sitzplatz abnehmen durfte, fand er nicht gut. Die Menschenansammlungen vor den Lokalen draußen nach dem Spielen hielt er allerdings für problematisch.

Zur Belastung durch die vielen Schwerkranken im Spital sagt Hagen: „Der Unterschied ist auch gewesen, dass wir alle eigentlich in der ersten Welle das Gefühl gehabt haben, da passiert etwas, es ist ein Lockdown gewesen, die Politik reagiert. Im zweiten Lockdown, in der zweiten Welle, sind wir eigentlich vom Gefühl her ... ich habe das Gefühl gehabt, wir werden von der Politik ziemlich allein gelassen. Ich möchte betonen, das ist nicht vom Spital. Der Gesundheitsverbund, also der Konzern von den Gemeindespitälern: Wir haben im August schon einen Plan gehabt, wie das läuft. Wir haben auch immer die Schutzkleidung gehabt. Nicht immer gleich gut, aber wir haben die Schutzkleidung gehabt. Das hat funktioniert. In den Spitälern ist allen, die damit zu tun gehabt haben, bewusst gewesen, was das bedeutet. Aber in der Politik hat es bis in den Oktober gedauert, bis man überhaupt begonnen hat, sich Gedanken zu machen. Zumindest ist es das, was nach außen kommuniziert worden ist. Das war eigentlich das Zermürbende. Und eben wie viele Patienten es insgesamt waren. Deutlich mehr als in der ersten Welle. Weil eben die Maßnahmen gefehlt haben. Deswegen haben wir soviel mehr gehabt.“

Von Heinz Deutsch auf einen der gängigen Irrglauben angesprochen – der viel zur Verbreitung der Seuche beiträgt – dass man ohne Symptome nicht ansteckend sei, erklärt Hagen recht unmissverständlich, dass dies schlicht falsch ist. Gerade die Ansteckung anderer Menschen, während man selbst noch nichts von der Infektion merkt, mache das Gefährliche des Virus aus.
Vor dem Hintergrund der Erwartung, dass nach Anrollen der Impfungen „in absoluten Zahlen sicher weniger, aber doch sehr viele jüngere Leute, 40-, 60-jährige, die gesunden Erwachsenen sozusagen, in die Spitäler und auf die Intensivstation kommen, wenn die Leute sich wieder mehr treffen, weil die Lokale auch irgendwann wieder aufsperren werden,“ meint Hagen zum Ausblick auf den Sommer und die neue Saison, dass die Stadien wohl wieder aufsperren werden. Aber ob es dann wieder so sein kann, wie wir uns das wünschen, ist ungewiss. „Im Laufe der nächsten Saison, das glaube ich schon. Ob es mit Sommer/Frühherbst soweit sein kann, bin ich mir nicht so sicher.“ Auch hier verweist er aber wieder darauf, dass nicht das Stadion selbst, sondern das Danach das Problem darstelle. „Es ist grauenhaft, dass uns das weggenommen wird durch das Virus. Aber das Problem ist halt: Es hat keinen Sinn, dass man das Virus negiert.“ Das bedauere er als leidenschaftlicher Gasthausgeher. Er vermisse es wahnsinnig.

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