Rozlučka Petra Švancary (Abschiedsspiel von Petr Švancara), 27.6.2015
Stadion za Lužánkami, 35.000
Als ich das verfallene Stadion vor fünf Jahren besichtigte, hätte ich nicht zu träumen gewagt, dass es einmal wiederauferstehen würde. Das Stadion wurde zwischen 1949 und 1953 gebaut und erreichte nach dem Bau der zweirangigen Haupttribüne in den 1960er Jahren eine Kapazität von 50.000 Plätzen, davon 6.500 Sitzplätze und 43.500 Stehplätze. Seine größte Zeit mit jeweils rund 20.000 Zuschauerinnen und Zuschauern im Saisonschnitt erlebte das Stadion 1977/78, als hier Zbrojovka Brno tschechoslowakischer Meister wurde, sowie 1994/95 als die Mannschaft unter dem Namen Boby Brno Furore machte. 44.120 füllten 1996 das Stadion zum Spitzenspiel gegen Slavia. 1997 war Rapid im Europacup zu Gast (Impressionen hier und hier). 2001 wurde das Stadion geschlossen und verfiel seither zur Ruine.
Der Brünner Fußballer Petr Švancara hatte für ein Abschiedsspiel seiner Spielerkarriere eine große Idee: Die Wiederbelebung des seit eineinhalb Jahrzehnten leerstehenden, traditionsreichen Heimatstadions. Er sammelte Geld und Unterstützer und begann gemeinsam mit hunderten freiwilligen Helferinnen und Helfern das Mammutprojekt, das verfallene und von Sträuchern und Bäumen überwucherte Stadion spieltauglich zu machen und ein Match zu organisieren. Mit der großen Veranstaltung sollte gezeigt werden, dass der Brünner Fußball hierher und nicht ins ungeliebte Stadion na Srbské gehört. Es wurde zum Selbstläufer: Während die Erstligaspiele von Zbrojovka Brno dort vor nur wenigen tausend Zuschauerinnen und Zuschauern ausgetragen werden, war das Spiel hier Anfang Juni in zehn Tagen ausverkauft, wobei die Karten nur in Brünn verkauft wurden.
Viel mehr Menschen als die 23.000 verkauften Tribünenstehplätze und 2.000 VIP-Karten hergegeben haben, drängten ins Stadion. Die Ränge abseits der aus bautechnischen Gründen gesperrten Haupttribüne waren gesteckt voll, kein Platzerl und kein Stiegenaufgang frei. Die amtliche Schätzung lautet, dass 35.000 Menschen ihren Weg ins Stadion gefunden haben. 2.000 Leute sollen unverrichteter Dinge noch vor dem Stadion gestanden haben. Einige hundert drangen auf die gesperrte Haupttribüne vor. Aus dem oberen Rang wurden sie mit Durchsage von Petr Švancara, der sein Projekt in Gefahr sah, und darob verärgerten Sprechchören der übrigen Zuschauerinnen und Zuschauer nachdrücklich weggebeten. Im unteren Rang durften sie bleiben.
Zwei Teams aus ehemaligen Mitspielern von Petr Švancara, Freunden, tschechischen Prominenten und Eishockeyspielern lieferten sich am Feld ein torreiches Spiel. Es war aber angesichts von insgesamt 37 Spielern, die alle Švancaras Nummer 9 trugen, und sehr häufiger Wechsel schwer, die Übersicht zu bewahren. Die Hauptsache war hier aber ohnehin der Spaß an der Freude und die Werbung für Wiederbelebung und Neubau des Stadion za Lužánkami. Am Schluss spielte auch noch der junge Sohn Švancaras mit, der sogar ein Tor beisteuern durfte. Nach Torjubel mit ausgezogenem Dress erhielt er regelkonform die gelbe Karte. Petr Švancara wurde nach Schlusspfiff gefeiert, drehte gemäß seines Spitznamens „Mercedes“ auf einem Wagen dieser Marke eine Ehrenrunde und bedankte sich bei alle Beteiligten.
Auch für unkomplizierten Umgang mit Pyrotechnik wurde an diesem Nachmittag de facto geworben. Im Fanblock wurde eifrig gezündelt. Einen Spieler, der den Anstoß mit Fackel in der Hand ausführt, hatte ich bislang auch noch nicht gesehen. Die Brünner Ultras feierten Petr Švancara mit einer großen Choreographie, die in Überrollfahnen die Wappen von Boby Brno und Zbrojovka Brno sowie ein Abbild und die Jahreszahlen 1998 und 2015 von Anfang und Ende der Spielerkarriere Švancaras zeigte. Aufgrund der regelmäßigen Würfe nicht abgebrannter Fackeln über die Ränge hinweg in den Innenraum hatte die Feuerwehr mit dem Aufsammeln der pyrotechnischen Gegenstände Hochbetrieb. Nach der Choreo musste sie sogar mit Wagen und Mannschaften anrücken, da die danach auf der grasüberwachsenen Laufbahn liegenden Choreoteile Feuer gefangen hatten.
Ob aus dem ersehnten Stadionneubauprojekt jemals etwas werden wird, ist allerdings ungewiss. Die Stadt ist am Zug. Der Verein Zbrojovka Brno war jedenfalls auch an diesem Nachmittag auf Distanz zum Stadion za Lužánkami, war nicht vertreten und nahm stattdessen anderswo an einem Turnier teil.
In der Stadt Brünn wurde eine kleine Besichtigungstour unternommen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen