Dienstag, 20. Oktober 2015

Ballesterer 106



Rezension


Ballesterer
Nr. 106, November 2015
82 S.






Drei Jahrzehnte Berlusconi-Regentschaft beim AC Milan seit 1986 haben den Verein und den italienischen Fußball geprägt und verändert. Zumindest in den ersten eineinhalb Jahrzehnten. Dass jetzt diese Ära zu Ende gehen könnte, ist für den Ballesterer Anlass für ein Vereinsportrait. Caporedattore Jakob Rosenberg erzählt in der Titelgeschichte von Silvio Berlusconi, der vom Unterhaltungssänger und Staubsaugerverkäufer zum Millionär wurde − wie er zu dem Geld kam, ist unklar − und sich mit gut protegierten Immobilienprojekten in den 1970er Jahren sowie in den 1980er Jahren als Privatfernsehpionier mit Programmen der Marke as low as you can go, die er mit Hilfe guter politischer Beziehungen am Wortlaut des Gesetzes vorbei landesweit ausstrahlen konnte, zu lichten Höhen aufschwang. Die Übernahme des kriselnden Milan wurde zum Schlussstein des Showkonzepts: Mit Neuausrichtung der Vereinsführung als Unternehmen, sportlicher Neuausrichtung unter Arrigo Sacchi und dem Konzept des massiven Einsatzes von viel Geld, Geld und nochmals Geld wurde Milan von Ende der 80er Jahre bis Mitte der 90er Jahre zum besten Verein Europas.
Auch Mitte der 2000er Jahren war il Milan noch sportlich erfolgreich, das Hauptaugenmerk Berlusconis lag da aber schon längst auf der Politik. Dort schuf er ja mit unkaschierter Politk zur Sicherung der persönlichen wirtschaftlichen Aktivitäten, die in rechtspopulistischen Popanz eingebunden wurden, einen eigenen Politikertypus. „Milan verlor die Funktion als Instrument für Berlusconis Selbstinszenierung zunehmend.“ bringt dies Rosenberg auf den Punkt. Was auch immer die Zukunft bringt, sein Geschäftsmodell steht und fällt mit seiner Person: „Ob Berlusconi verkauft oder nicht − eine Ära neigt sich dem Ende zu. Platz für eine geordnete Übergabe gibt es nicht.“
Dazu gibt es Interviews mit Arrigo Sacchi sowie der von Berlusconi ausgebooteten Vereinslegende Gianni Rivera.

Empfehlenswert ist im Heft das Portrait von Rapidler Louis Schaub („der stille Künstler“) von David Eder. Ein Austrianer wird im Heft auch interviewt, aber das kann man schnell überblättern. Neben der Mitarbeit am Milan-Schwerpunkt und dem Sacchi-Interview stammt von Martin Schreiner auch noch ein Gespräch mit der Fanszene von Austria Klagenfurt („die Hautevolee vom Wörthersee“). In seiner Auswärtssektoren-Serie bewertet Clemens Schotola das Schwanenstädter Stadion aufgrund des Geisterspiels ohne Zuschauerinnen und Zuschauer zwischen Austria Salzburg und Wacker Innsbruck mit 0%. „Die rund 400 angereisten Fans beim Westderby machten auf ihren Standorten − die Salzburger im Unterholz, die Innsbrucker neben einem Kürbisfeld − das Beste aus der Situation.“ Im Stadion ist allerdings vieles anders als draußen. Das zeigte sich auch bei der Verpflegung: „Der geerntete Kürbis konnte mangels Kochmöglichkeiten nicht verzehrt werden.“ Lesenswert ist weiters der an kulturellen Impressionen reiche Groundhoppingbericht aus Costa Rica von Thomas U.

Aus der Feder des Autor dieses Blogs stammt ein Artikel über das alte Ajax-Stadion in Amsterdam und sein heutiges Aussehen als fußballthematische Wohnsiedlung. In anderer Form gab es darüber bereits hier im Blog einen Bericht.

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