Montag, 30. Dezember 2024

Wimbledon – Gillingham 1:0 (0:0)

England, League Two, week 23, 30.12.2024
Plough Lane, 8.281

Der AFC Wimbledon ist das Role Model gegen den modernen Fußball. Das Vorbild für Fußballfans, die sich aufrichten und sich ihren Verein nicht wegnehmen lassen. Zwei Jahrzehnte danach ist Wimbledon wieder ein etablierter Klub in der Football League. An diesem Abend gewannen sie mit einem Goldtor fünf Minuten nach der Pause gegen den Gillingham FC und erreichten den zweiten Platz der viertklassigen League Two. Eine Rückkehr in die drittklassige League One, in der man schon 2016/17 bis 2021/22 gewesen war, ist in Griffweite.
Typisch britische Fußballstimmung entwickelte sich zeitweise sowohl von der Hintertortribüne als auch der Längsseite auf heimischer Seite und teilweise von den 1.131 Away Fans auf der anderen Hintertorseite.
Der AFC Wimbledon war 2002 der erste von Fans neugegründete Fanverein, um Vereinstradition fortzuführen. Der 1889 gegründete einstige Wimbledon Football Club hatte 1986/87 bis 1999/2000 erstklassig in der First Division und Premier League gespielt und 1987/88 den FA Cup gewonnen. Nachdem man aus baulichen Gründen schon seit 1991 nicht mehr im Heimstadion an der Plough Lane in Wimbledon gespielt hatte, gaben die Eigentümer im Jahr 2001 bekannt, dass der Verein 113 km entfernt in die Satellitenstadt Milton Keynes umziehen werde. 2002 genehmigte die FA das auch. 2003/04 spielte Wimbledon FC in Milton Keynes, wurde aber zum Saisonende abgewickelt und an seiner Stelle spielte der Retortenverein MK Dons weiter in der Liga. Die Supporters fanden sich mit dem Verlust ihres Vereins nicht ab und begannen mit ihrem 2002 neugegründeten AFC Wimbledon im unteren Amateurfußball, in der neuntklassigen Combined Counties League Premier Division. Sie stiegen auf und erreichten 2013 mit dem Aufstieg in die Football League Two den Profifußball. Ein großer Erfolg gegen den modernen Fußball. Der Anhang gewann viel Know-How in seinem Kampf um den Erhalt ihrer Vereinstradition, dem Neuaufbau eines Fußballvereins und dem erfolgreichen Hinaufklettern nach Neubeginn. Der Klub ist nicht wie auf der Insel üblich im Privateigentum einzelner Personen, sondern gehört über einen Supporters Trust The Dons Trust seinen Mitgliedern. „We own our own club!“ schreibt dieser auf seinem Stand im Stadion stolz. Damit wurden sie zu einem Role Model. 2005 unterstützten sie mit ihrem Know How die Gründung des FC United of Manchester und auch die Neugründung des SV Austria Salzburg konnte darauf Bezug nehmen.
Das zweite Ziel war die Rückkehr an die Plough Lane in Wimbledon im Südwesten Londons. Die erste Mannschaft des alten Wimbledon FC hatte seit 1991 nicht mehr im 1912 eröffneten Heimstadion gespielt, da dieses nicht den Anforderungen nach dem Taylor Report entsprach und ein Umbau in ein Sitzplatzstadion als zu teuer beurteilt wurde. Stattdessen spielte man im Selhurst Park. 1998 verkauften die Klubeigentümer das Stadiongrundstück an der Plough Lane an eine Supermarktkette, die es aber später weiterverkaufte. Heute stehen dort Wohnungen und an das Stadion erinnert die Plough Lane Landmark. Das Denkmal von Sam Burford aus dem Jahr 2009 zeigt auf einer Tafel in Reliefform Ereignisse des siegreichen Finales des FA Cup 1988.
Fast drei Jahrzehnte später schaffte der AFC Wimbledon, der zwischenzeitlich in Kingsmeadow gespielt hatte, die ersehnte Rückkehr. Die 2020 eröffnete neue Stadion an der Plough Lane wurde nur wenige hundert Meter entfernt vom alten Stadion errichtet. Das Stadion konnte aufgrund einer Vereinbarung mit einem Wohnbauunternehmen gebaut werden, das auf dem Gelände eines früheren Stadions für Windhunde- Stockcar- und Speedway-Rennen das neue Fußballstadion und ringsum Wohnhäuser errichtete. Das Stadion bietet eine Kapazität von 9.300 Plätzen. Eine Doppelstatue aus dem Jahr 2022 vor dem Haupttribünen-Eingang zeigt die jeweiligen Kapitäne Roy Law und Dave Beasant beim Stemmen des Pokals beim Cupsieg im FA Amateur Cup 1963 und im FA Cup 1988.
Der Stadionname ist seit 2021 an ein Musiklabel verkauft. Die ursprünglich aus dem Punk kommende Firma sponsert den Verein schon lange Jahre und hatte auch den Namen der vorherigen Spielstätte gekauft gehabt. Auch für einen im Kampf gegen den modernen Fußball entstandenen Fußballverein gibt es für das Überleben in der kapitalistischen Welt des Profifußballs kein richtiges Leben im falschen. Die Haupttribüne ist hier doppelt so hoch wie die drei anderen Tribünenseiten. Auf zwei Rängen finden sich hier Logen-Reihen, mit denen Geld verdient wird. Während die Haupttribüne in fester Bauweise errichtet ist, sind die anderen Tribünen aus Metall. Dass hier ein Stadion für Fußballfans gebaut wurde, sieht man aber an anderen Details wie der beachtlichen Fülle an Kulinarik mit einem halben dutzend Food Trucks, die innerhalb des Geländes in der Fanzone hinter den Tribünen stehen, oder dem gut ausgestatteten Stadionpub. Eine der mehreren Biersorten, die ausgeschenkt werden, ist das 2020 zur Rückkehr an die Plough Lane von By The Horns Brewing Co. herausgebrachte Bier Crazy Gang. Mit diesem Namen hatten die britischen Sportmedien die Wimbledon-Erfolgsmannschaft der 1980er Jahre bezeichnet. Bemerkenswert ist im Stadion auch die integrierte Fahrradgarage. Die Tribünenwände hinter den Sitzplätzen bieten anstatt Werbeflächen den Fans Platz zum Aufhängen ihrer Fahnen.

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