Cosenza – Catanzaro 1:1 (0:0)

Italien, Serie B, 19a giornata, 26.12.2024
Stadio San Vito – Gigi Marulla, 10.603

Derby di Calabria am Boxing Day in Italien. Manch Emotion war am Spielfeld zu sehen, das Match war aber eher recht zäh. Pfeffer brachte hinein, als zehn Minuten vor Schluss die US Catanzaro das 0:1 erzielte und Cosenza geschockt schien. Mit der Minute 90 wurde das Spiel aber erst so richtig dramatisch. Ein vermeintliches 1:1 wurde schon groß gefeiert, doch der VAR ließ sich Zeit und schickte schließlich den Schiedsrichter zur Kontrolle an den Fernseher hinaus. Dort sah sich dieser die Szene an, während sein Linienrichter die Spieler von ihm abzuhalten suchte, und annullierte das Tor. Einen von Cosenza reklamierten Elfmeter in der Nachspielzeit gab es nicht und mit einem Stangentreffer hatten sie alles Pech der Welt. Dafür gab es in einer zweiten Elfmetersituation nach erneuter Fernsehbildschirm-Betrachtung des Schiedsrichters am Spielfeldrand tatsächlich noch einen Elfmeter und diesmal galt es. 1:1 in Minute 106 der regulären Spielzeit.
Das Spiel zwischen Cosenza und Catanzaro ist als Derby di Calabria das größte Spiel der Region Kalabrien. Besonders macht das ganze, dass die Begegnung seit 1930/31 an diesem Tag erst zum 57. Mal stattfand. Seit 2023/24 sind beide in der Serie B. Zuvor war man sich zuletzt 2017/18 in der Serie C gegenübergestanden. Die Derbybilanz steht nun bei 11 Siegen von Cosenza, 25 Remis und 21 Siegen von Catanzaro.
Nachdem es beim letzten Derby hier vorige Saison etwas heftiger zuging und die Fackeln flogen, wurden Gästefans diesmal erwartungsgemäß von der Behörde verboten. Daran hatte auch ein gemeinsamer öffentlicher Appell der beiden Vereinspräsidenten zur Zulassung von Gästen nichts geändert. Die im oberen Winkel der Längsseite platzierte Vereinsdelegation aus Catanzaro war nicht nur von Polizisten und Ordnern abgeschirmt, sondern auch so stark abgetrennt, dass über ein Drittel der Tribüne für sie leer blieb. Ein kurioser Anblick.
Von Seiten von Cosenza gab es Spruchbänder in beiden Kurven zum Thema. „Libertà per gli ultrà“ („Freiheit für die Ultras“) war in der Curva Sud zu sehen und „Settore chiuso unica via per autorità incompetenti e polizia“ („Ein geschlossener Sektor ist der einzige Weg für eine inkompetente Autorität und Polizei“) sowie später noch „Trasferte libere“ („freie Auswärtsfahrt“) in der Curva Nord.
Die Ultras verteilen sich hier auf die Ultrà Cosenza Curva Sud 1978 in der Curva Donato Bergamini sowie die Curva Nord Massimiliano Catena. Kennzeichen der gesamten Szene sind traditionell linkes politisches Engagement und auch provokative politische Statements. In der Curva Nord waren neben einer Fahne des kommunistischen Jugoslawiens zahlreiche Palästina-Fahnen zu sehen. In der Curva Sud gab es nicht nur eine solche, sondern es schwenkte jemand auch eine Fahne Nordkoreas. Ein gewisses Maß an Protest gibt es in Cosenza auch oft, aktuell gegen die Vereinsführung von Präsident Guarascio.
Markante Galionsfigur war über Jahrzehnte der heute 86-jährige Padre Fedele, ein katholischer Afrika-Missionar, der sich um die Fußballfans in Cosenza kümmerte und mit seiner braunen Mönchskutte in der Kurve stand. 1978 hatte sich in Cosenza mit dem Commando Ultrà Prima Linea die erste Ultrasgruppe gegründet. Später folgten Fedayn (1982), Boys Cosenza (1983), Nuclei Sconvolti (1983) und im Lauf der Jahrzehnte viele weitere Gruppen. Zunächst stand man auf der Längsseite (Tribuna B) und zog dann erst später in die Curva Sud. Die Curva Nord entstand in der Saison 1993/94 als zweite Ultras-Kurve. 2015 stellten sich die Ultras, welche die Tessera nicht akzeptierten, auf die Tribuna A, dann 2018 auf die Tribuna B und schließlich 2021/22 in die Curva Nord. Namentlich u.a. die Anni Ottanta („Achtziger Jahre“). In der Curva Sud verblieben andere Gruppen.
Zu Spielbeginn gab es auf beiden Seiten etwas zu sehen. Auf der Südseite eine schöne Old-Style-Choreographie zahlreichen Schwenkfahnen, eingerahmt von drei Bahnen auf denen jeweils ein Wort von Ultrà 1978 Cosenza stand und davor einem großen Spruchband „Lo insegnia la storia lo dice la fede / il Cosenza a sempre è di chi lotta e ci crede!“ („Die Geschichte lehrt es, der Glaube sagt es / Cosenza gehört immer denen, die dafür kämpfen und daran glauben!“). Im Norden gab es eine Überrollfahne, die einen Spieler mit Ultrà Cosenza-Fahne zeigte, eingebettet ein rot-blaues Zettel-Muster. Während des Spiels zeigte sich der Norden hinsichtlich Tifo, Bewegung und Anzahl des aktiven Kern als stärkere Kurve.
Am Spielfeld gab es emotionale Momente, aber auf den Rängen machte sich das Fehlen von Gästen negativ bemerkbar. Es gab gute Phasen, welche das Potential zeigten und insgesamt war das absolut in Ordnung. Aber es gab Luft nach oben, wenn man sehr kritisch sein will. Das Stadion war auch nur halbvoll, was dennoch ein guter Besuch ist. Beim Spiel im Frühjahr letzte Saison war das Stadion mit 18.125 Leuten voll gewesen und die Anwesenheit des Gästeanhangs hatte für knackige Derbystimmung gesorgt.
Zum Einlauf der Mannschaften erklang aus den Stadionlautsprechern wie seit 2016/17 üblich das 2015 aufgenommene Lied Sembra impossibile der Oi!-Band Lumpen aus Cosenza (es basiert auf Sloop John B. der Beach Boys). Die eingängige Hymne wurde dann von den Kurven weitergesungen (zumindest von der Curva Nord).
Cosenza Calcio wurde 1912 als Teil eines Mehrspartensportvereins namens Fortitudo gegründet, wobei das Jahr 1914 als Jahr des ersten Fußballspiels als Gründungsjahr gilt. 1926 spalteten sich die Fußballer daraus b, gründeten den Cosenza Football Club und nahmen die rot-blauen Farben anstelle des bisherigen schwarz-weiß von Fortitudo an. 1933 wurde daraus die AS Cosenza und nach deren Pleite 1982 Cosenza Calcio, die 2003 wiederum pleite aus dem Profifußball ausgeschlossen wurde. Ein neugegründeter Cosenza Football Club kaufte die Spielberechtigung von Castrovillari und startete damit 2003/04 in der Serie D. Daneben klagte sich der alte verein aber die Spielberechtigung auch ein, sodass 2004/05 dann zwei Cosenza-Vereine in der Serie D spielten. Die Fans waren gespalten und das Derby wurde von einem Platzsturm unterbrochen. Nach dem einen Jahr ging Cosenza Calcio aber endgültig in Konkurs und es blieb der Cosenza FC übrig. Er benannte sich in AS Cosenza Calcio um und ging aber seinerseits auch 2007 bereits pleite. Der Rende FC, ein Verein aus der Provinz Cosenza, trat an die Stelle, benannte sich in Fortitudo Cosenza um. 2008 wurde daraus wieder Cosenza Calcio. Die größten Erfolge sind die Saisonen in der Serie B, in welcher man 1946/47 zum ersten Mal war und gegenwärtig 2024/25 zum 26. Mal spielt. Seit 2018/19 spielt Cosenza nunmehr durchgängig in der Serie B, wobei man in den letzten Jahren einige Male knapp am Abstieg vorbeischrammte. 2020/21 wäre man abgestiegen, konnte aber durch den Ausschluss von Chievo in der Liga bleiben. 2021/22 und 2022/23 rettete sich Cosenza in den Play-Outs. Erst 2023/24 erreichte man mit dem neunten Tabellenplatz wieder einen souveränen Klassenerhalt.
Das Stadio San Vito – Luigi Marulla wurde 1964 als Stadio San Vito eröffnet. 2015 wurde es zusätzlich nach dem verstorbenen Fußballer Luigi Marulla benannt. Es bietet eine Kapazität von 20.987 Plätzen in einem sehr weitläufigen Oval mit überdachten Längsseiten und offenen Kurven.