Dienstag, 10. Dezember 2024
A guardia di una fede
Rezension
A guardia di una fede
Ein Film von Andrea Zambelli.
Mit Claudio „Bocia“ Galimberti.
Italien 2023 102 Min.
Breitenseer Lichtspiele, 8.12.2024
Ein mit Spannung erwarteter Film über den mit den meisten staatlichen Repressionen belegten Mann in der Welt der italienischen Ultras: Claudio „Bocia“ Galimberti, legendäre Führungspersönlichkeit der Ultras von Atalanta Bergamasca Calcio.
Die Ultras Rapid organisierten die Filmvorführung in den schönen Breitenseer Lichtspielen in Wien XIV, dem ältesten Kino der Stadt, am 8. Dezember 2024. Dazu gestalteten sie eine sehr informative Ausstellung über die Ultras von Atalanta in ihren Räumlichkeiten. Lehrreich und gut gemacht. Darüber wird man auch im nächsten Block West Echo 46 lesen können und darf sich schon darauf freuen. Der Filmverleih Rotzfrech Cinema und Erlebnis Fußball präsentieren derzeit eine Tournee des Films im Originalton mit deutschen Untertiteln, bei der es neben internen Veranstaltungen wie hier auch öffentliche Vorführungen gibt. Deren Termine sind auf rotzfrech-cinema.com einzusehen. Der Tag in den Breitenseer Lichtspielen war eine exklusive Veranstaltung der Ultras Rapid. Zum Film gab es einleitende und abschließende Worte von Seiten der Ultras Rapid selbst. Oliver sprach etwa über die Eindrücke, als man 2002 auf Besuch in Venedig den Atalanta-Gästemob gegenüber erlebte. Dazu zeigten die UR drei Videobotschaften, einerseits von Persönlichkeiten von Veneziamestre und Sampdoria, die italienischen Hintergrund beisteuerten und den Film einordneten, und andererseits als Höhepunkt eine Nachricht von Bocia selbst. Seine Worte an Rapid sind die erste und einzige Videobotschaft, die er bislang an das Publikum einer Filmvorführung im deutschsprachigen Raum richtete. Guly (Ventisei Giugno 1987) hob den wichtigen Schritt der Ultras von Atalanta mit der Bildung der Dell’Atalanta Supporters (1998) hervor, da sie eine neue Idee des Tifo mit der Umsetzung des für die Ultraskultur so bedeutenden Wortinhalts von aggregazione in einem gemeinsamen Bergamo-Banner entwickelt haben. Auch wenn man seit Mitte der 1990er Jahre feindlich gegenüber stehe, tue man dies mit vollem Respekt. Nadir (Ultras Tito Cucchiaroni) sprach von den Eindrücken aus der Vorführung des Films in Genua und bezeichnete Claudio als einen Freund, der die Sprache der Ultras spricht, im old fashioned way, wodurch man sich untereinander versteht. Was ihm zugestoßen sei, müsse erzählt werden und soll nicht vergessen werden. Im Film höre und lerne man Worte und Sätze, die man innerlich spüre, wenn man Ultras in sich hat. Bocia bedankte sich in persönlichen Worten für die Aufmerksamkeit, welche die Ultras von Rapid ihm schenkten. Er betonte Leidenschaft und Würde und die Ideale der Ultras sowie die Bedeutung von Freundschaft und Respekt. Seinen Gruß „Lunga vita! Grazie!“ kann man an ihn nur zurückgeben. Die Masse an Justizverfahren mit Hausarrest und sogenannter Sonderüberwachung, was zu seinem gerichtlichen Aufenthaltsverbot in Bergamo führte, wird im Film nur gestriffen. Das im Detail nachzuerzählen, hätte wohl den Rahmen gesprengt. Man kann aber erahnen, welch Belastung das darstellen musste. Bocias Augen leuchten, wenn er von Atalanta spricht, auch wenn er nun als Fischer am Meer weit weg in Senigallia leben muss und in einem Pferdegestüt arbeitet. Diese notgedrungenen Lebensumstände werden im Film gezeigt und kontrastierten deutlich zu den historischen Filmsequenzen, die Bocia im Kreise seiner Ultras zeigen. Diese Passagen sind ein beeindruckendes Zeitdokument. Wenn man ihn hier reden hört, etwa zu seinen Leuten auf einer Zugfahrt zum großen Rivalen Brescia 2006, um sich auf einer Demonstration mit ihnen gegen Polizeigewalt zu solidarisieren, oder ihn etwa auf der Bühne der Festa della Dea agieren sieht, hört und sieht man eine charismatische Person. Man spürt, was mit A guardia di una fede („Wächter eines Glaubens“) in Bergamo gemeint ist. Davon hätte man noch stundenlang mehr sehen können.Bocia bei der Arbeit als Fischer und im Pferdestall zu sehen und ihn dabei hören zu müssen, wie er weiter über Atalanta, die Kurve und Ultrasmentalität als Lebensinhalt spricht, ist tragisch. Es ist ein Film über einen Mann, der sich trotz aller Repression nicht brechen lassen will. Allein am Meer im Exilort Senigallia, 350 Kilometer von Bergamo, stehend, sagt er: „L'ultimo mio campionato con l'abbonamento io feci nel 2001. Sono 30 anni diffida quest'anno. 30 anni di DASPO.“ („Meine letzte Meisterschaft mit einem Abo war 2001. Man hat mich für dreißig Jahre ausgeschlossen. Dreißig Jahre Stadionverbot.“) Mit der Bekräftigung nicht aufzugeben, auch wenn er auch jetzt ständig unter Verdacht stehe.
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