Freitag, 11. November 2022
Ballesterer 175
Rezension
ballesterer
Nr. 175
November/Dezember 2022
100 S.
Persönlich tue ich mir leicht mit der WM: Ich schaue sie mir nicht an, ebenso wie andere Nationenwettstreit-Veranstaltungen davor. Da schaue ich mir lieber fußballkulturell Relevantes an. Generell gesehen ist das Turnier mit seiner Entstehung aus Korruption und Durchführung durch den Tod abertausender Arbeiter aber ein Tiefpunkt des Fußballs, der nicht kaltlassen kann. Der ballesterer beschäftigt sich in seinem WM-Sonderheft mit der FIFA und dem Fußball und der Situation in Katar sowie dem europäischen Blick darauf. Die Vorstellung der teilnehmenden Mannschaften mittels charakteristischer Geschichten ist diesmal kürzer und nur in einer Auswahl. Dafür gibt es einiges an interessanter WM-Geschichte. Zum Zugang, der gewählt wurde, schreibt Nicole Selmer im Leitartikel: „Der ballesterer steht für kritischen Fußballjournalismus, und eine WM in Katar wäre der schlechteste Zeitpunkt, damit aufzuhören.“ Auch ohne Interesse am National(ismus)mannschafts-Brimborium finde ich dann doch aufgrund des qualitätsvollen Journalismus auch in so einem Heft hier spannende und vor allem lehrreiche Dinge. Das gilt etwa für den Themenblock Leben und Arbeiten in Katar. Aufgrund der eingangs angesprochenen Abwendung fehlte mir viel Wissen über den Ablauf. Hier lernte ich, dass die WM zwar mit den kurzen Wegen zwischen den Stadien beworben wird, ein Gutteil des Publikums aber per Flugzeug aus den Nachbarländern zu den Spielen fliegt und danach wieder retour, da es schlicht abseits von tausende Euro verschlingenden Zeltstadt-Unterkünften in der Wüste zu wenig Quartiere gibt. Das führt den Marketinggag der kurzen Wege im kleinen Land dann doch ziemlich ab absurdum. Spannend waren die Interviews mit dem ehemals in Katar als Bauarbeiter tätigen Malcolm Bidali über seine Erfahrungen sowie mit dem Gewerkschafter Marcus Strohmeier vom Internationalen Referat des ÖGB über die internationalen Gewerkschaftsaktivitäten sam Undercover-Reise nach Katar zur Unterstützung und Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen vor Ort. Überrascht war ich vom Artikel von Fabian Beer, dass die Nationalmannschaft Katars fast ein halbes Jahr (!) in Österreich zur WM-Vorbereitung auf Trainingslager verbrachte und an elf verschiedenen Orten mehrere Testspiele absolvierte. Das war an mir vorüber gegangen. A4 / 9,50 € / erhältlich im Zeitschriftenhandel
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