Mittwoch, 25. April 2012
Transparent, April 2012
Rezension
Transparent
Magazin für Fußball & Fankultur
Erstausgabe
April 2012
66 S.
„Fußball hat mehr zu bieten als 90 Minuten auf dem Rasen“ − mit dieser programmatischer Ansage beginnt das neue Magazin Transparent seine erste Ausgabe. Man wolle mit Blick auf die Fankultur „alle Facetten rund um das Spiel“ beleuchten, erklärt Pavel Brunßen. Ein anscheinend ambitioniertes deutsches Projekt mit engagierter gesellschaftskritischer Perspektive, unter dem Motto „Football, Culture & Politics“.
Das Titelthema widmet sich dem ewig jungen Thema Derby. Über das seit dreizehn Jahren ruhende regionale Derby zwischen Fortuna Düsseldorf und dem 1. FC Köln erzählt Kea Müttel: Die Fußballwelten hatten sich im Lauf der Zeit auseinanderentwickelt − „man kennt sich einfach nicht“ − und bewegen sich jetzt wieder aufeinander zu. Drei Bremer Ultras erzählen weiters, warum sie HSV-Fans bei aller Rivalität nicht (mehr) hassen. Persönlich halte ich aufgesetzte Mord- und Totschlag-Rhetorik ja ebenfalls für sehr entbehrlich. Dazu gibt es im Rahmen des Schwerpunkts auch noch ein Interview mit Sebastian Prödl. Die Zeitschrift dürfte also ein starkes Bein in Bremen stehen haben.
Peter Römer beschäftigt sich mit der gehäuften Kollektivstrafe der Geisterspiele, seit diese 2004 in Deutschland erstmals verhängt wurde. Das Geisterspiel von Rapid zu Beginn dieser Saison schmerzt mich immer noch sehr. Ich durfte meine Rapid nicht spielen sehen. Ich wurde bestraft. Ich habe das persönlich genommen und tue das weiterhin. Es gibt nichts Erfolgloseres als ziellose Kollektivstrafen.
Mit einer anderen Form der Bestrafung, die jüngst aus der Türkei berichtet wurde, beschäftigt sich Nicole Selmer: Der Ausschluß von Männern, nur Frauen und Kinder im Stadion erlaubt. Hilft dies einer gleichberechtigten Akzeptanz von Frauen als Fußballfans? Selmer ist skeptisch: „weibliche Fans wie bei Beşiktaş, die die Vorsängerin geben, Wechselgesänge dirigieren und dabei Spaß haben, sind ein guter Schritt in diese Richtung. Hinter dieser richtigen Praxis steht jedoch eine falsche Theorie: Frauen in der Kurve als Strafe für Männergewalt zu konzipieren, mag dem Image der Vereine dienen, aber es ist kein emanzipativer Schritt, sondern Wasser auf die Mühlen der Frauenfeindlichkeit im Fußball.“ Das ist ein Punkt. Doch der alte historische Materialist in meinem Kopf meldet sich dazu und fragt, ob sich vielleicht doch noch die richtige Theorie aus der richtigen Praxis entwickeln kann.
Mit Fotoessay (schöne, traurige Bilder vom Abriß des Tivoli-Stadions in Aachen), guten Texten, ein bisserl Mischmasch und kleinen Groundhopping-Berichten bietet das Heft eine gelungene Lektüre. Ich bin einmal gespannt, ob und in welcher Tonart dies weitergeht.
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