Sonntag, 17. Dezember 2023
Nantes – Stade Brestois 0:2 (0:0)
Frankreich, Ligue 1, 16ème journée, 17.12.2023
Stade de la Beaujoire – Louis Fonteneau, 30.075
Das Spiel stand im Zeichen des Gedenkens für den getöteten Max von der Brigade Loire. Die zu den Klängen von Rose Tattoo der Dropkick Murphys eingelaufene Mannschaft des FC Nantes war in der ersten Hälfte besser, die Gäste von Stade Brestois aber in der zweiten Hälfte und erzielten auch zwei Tore. In der Schlussphase hätte das Match eine Wendung nehmen können, wenn nicht der Anschlusstreffer für Nantes vom VAR wieder aberkannt worden wäre.
Die charakteristischen gelb-grüne Farben brachten dem FC Nantes den Spitznamen Canaris (Kanarienvögel). Entsprechend war auch das Maskottchen ein solcher gelber Vogel. Jahreszeitgemäß trat er an diesem Tag in Weihnachtsmann-Verkleidung auf.
Max pour toujour („Max für immer“) hieß es in der ersten Choreographie zu Spielbeginn. Bein Ausrollen der Blockfahne brandete im Stadion Applaus auf, als der Name Max erkennbar wurde. Am Vormittag hatte es bereits einen Trauermarsch in Gedenken an das Mitglied der Brigade Loire gegeben. Maxime war vor zwei Wochen von einem Taxifahrer erstochen worden, der wohl die Fahrgäste seines Autos zu verteidigen versucht hatte. Mehrere Auswärtsfans aus Nizza waren zum Stadion unterwegs am Treffpunkt der Brigade Loire vorbei geführt worden, was eine Auseinandersetzung ausgelöst hatte. Es gab eine Schweigeminute vor Spielbeginn mit vom Stadionsprecher verlesenem Nachruf. Dazu leuchtete eine Fackel am Maxime-Fetzen, der die ganze Zeit über dem Gruppenfetzen gehängt war, und wo auch ein Kranz zu seinem Gedenken am Vorsängerpodest lag. Sehr viele schwarze Leiberl mit gelber Maxime-Aufschrift waren zu sehen und wurden in der zweiten Hälfte auch einmal gesammelt präsentiert. Nach Ankick gab es dann eine Reihe an Fackeln auf der Tribune Loire zu sehen und zunächst kamen Maxime-Chants bis nach einer Vorsängeransprache ein lautes „Allez Nantes allez“ begann. Auch später noch wurde pour Maxime („für Maxime“) in Gesänge eingebaut.
MAX stand in der zweiten Choreographie Mitte der ersten Hälfte in großen Großbuchstaben in einer Zettelchoreographie, dazu stand „du vignole à la Beaujoire ...“ („vom Weinberg bis ins Beaujoire ...“). In einem zweiten Schritt erleuchtete erneut Pyro die Tribüne. Dazu kam ein neues Spruchband „la tribune s'embrase en ta memoire!“ („die Tribüne brennt in Erinnerung an dich“). Anschließend wurden die Zettel in der Hand geschwenkt und ergaben damit einen bewegten Max-Schriftzug.
Mit „Le FC Nantes est à vendre“ („Der FC Nantes steht zum Verkauf“) und „Soutien à ceux qui œuvrent pour nous rendre le FC Nantes“ („Unterstützung für die, welche uns den FC Nantes zurückgeben“) wurden in den Schlussminuten zwei Spruchbänder neben den Fetzen der Brigade Loire aufgehängt, mit denen die Unzufriedenheit mit dem Eigentümer und Präsidenten Kita ausgedrückt wird. Man hätte gerne, dass er verkauft und das Weite sucht.
Die Brigade Loire wurde 1999 gegründet. An das 25-jährige Jubiläum erinnert bereits eine Schwenkfahne. Sie sind eine der wenigen Ultrasgruppen Frankreichs, die nicht als behördlich angemeldeter Verein organisiert sind. Mit ihnen kehrte der italienisch geprägte Tifo-Stil in Nantes ein, wo man zuvor im Support britisch geprägt war. Die Loire Side (1985 bis 1990), die 1990 vom FC Nantes nach Brandstiftung einer Tribüne in Caen aufgelöst wurde, und vor allem die Urban Service (1990 bis 1998) waren rustikaler Gewalt nicht abgeneigt gewesen.
Der Gästesektor blieb leer. Beim Jubel nach den Toren machten sich im Sektor daneben normale Fans aus Brest bemerkbar. Nach Schlusspfiff freute sich die Mannschaft gemeinsam mit ihnen. In Gefolge des Todesfalls hatten die französischen Behörden wie üblich zu großflächigen Auswärtsfahrtverboten für Spiele mit größerem oder auch kleinerem Risiko gegriffen. Trotz der Ultrasszene von Stade Brestois wäre das hier nicht wirklich der Fall gewesen. Die Stadt Brest liegt in der Bretagne und Nantes war jahrhundertelang Hauptstadt der historischen Betragne, auch wenn es seit acht Jahrzehnten nicht mehr innerhalb der Grenzen der heutigen Region Bretagne liegt. Das Derby breton hat Nantes aber mit dem Nachbarn Stade Rennais. Dieses brachte in den letzten Jahren bemerkenswerte Höhepunkte, hat aber eine relativ junge Geschichte. Die historisch stärkste und längste Rivalität ist für Nantes das derby de l'Atlantique mit Girondins de Bordeaux.
Der FC Nantes wurde 1943 von Jean Le Guillou und Marcel Saupin durch Fusion der Fußballsektionen von fünf Vereinen gegründet, um mit einem Großverein einen Spitzenklub zu schaffen. Mit acht Meistertiteln 1964/65, 1965/66, 1972/73, 1976/77, 1979/80, 1982/83, 1994/95 und 2000/01 sowie vier Cupsiegen 1978/79, 1998/99, 1999/2000 und 2021/22 ist der FC Nantes einer der erfolgreichsten Fußballvereine Frankreichs. Mehr Meistertitel haben nur PSG (11), AS Saint-Étienne (10) sowie Olympique de Marseille (9) und ex aequo ist man mit AS Monaco (8). 1963/64 bis 2006/07 spielte der FC Nantes durchgehend erstklassig. Nach dem zwischenzeitlichen Abstieg spielt man seit 2013/14 wieder in der Ligue 1.
In europäischen Bewerben erreichte der FC Nantes 1995/96 das Semifinale der Champions League und 1979/80 das Semifinale im Cup der Cupsieger. Rapid traf im Europacup der Meister 1983/84 in der ersten Runde auf den FC Nantes und setzte sich nach einem 3:0-Heimsieg im Hanappi-Stadion vor 16.000 Zuschauerinnen und Zuschauern in einem heißen Rückspiel im alten Stadion in Nantes mit einer 3:1-Niederlage vor 18.789 Leuten knapp durch. Antonín Panenka erzielte für Rapid mit einem seiner legendären Freistoßtreffer das Tor beim Stand von 2:0 nach 30 Minuten. Die rund 100 mitgereisten Rapidfans waren – in einer Zeit vor abgetrennten Gästesektoren – auf der Tribüne inmitten der Heimfans Attacken ausgesetzt und verteidigten sich u.a. mit abgerissenen Cola-Dosen gegen die Angreifer. „In Nantes ist viel Blut geflossen.“ ist mir als Satz aus der Erzählung eines damaligen Auswärtsfahrers vor einigen Jahren in Erinnerung geblieben. Auch die Rapidspieler hatten es nicht leicht, wie Medien damals berichteten. Ein Nantes-Fan verfehlte Rapid-Spieler Hagmayr beim Versuch, ihn mit einer Coladose zu treffen, woraufhin Hagmayr die Dose aufhob, einen Schluck nahm und sich bedankte. Bei der Abfahrt wurde der Rapid-Bus von wütenden Nantes-Anhängern attackiert.
Das Stade de La Beaujoire – Louis Fonteneau, allgemein La Beaujoire genannt, wurde 1984 als Stadion für die EM 1984 (zwei Gruppenspiele) mit 52.923 Plätzen eröffnet. Nach Umbau bot es bei der WM 1998 (fünf Gruppenspiele, ein Viertelfinale) 38.285 Plätze. Derzeit sind es 35.322 Plätze. Imposant ist seine Bauweise mit dem geschwungenen Dach über die zwei Ränge der Längsseiten und die einrangigen Hintertortribünen. Die Haupttribüne ist nach Jules Verne benannt, dem 1828 in Nantes geborenen Schriftsteller und Autor der Romane Die Reise zum Mittelpunkt der Erde (Voyage au centre de la terre, 1864), 20.000 Meilen unter dem Meer (Vingt mille lieues sous les mers, 1869/70) sowie Reise um die Erde in 80 Tagen (Le Tour du monde en quatre-vingts jours, 1873). Eine goldene Statue vor der Haupttribüne erinnert an Rekordspieler Henri Michel, der 1966 bis 1982 für den FC Nantes spielte und dabei dreimal Meister und einmal Cupsieger wurde.
Vor dem Spiel habe ich die Stadt Nantes besichtigt.
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