Samstag, 18. Februar 2023

Rudar-Prijedor – Borac Banja Luka 6:5 i.E. (1:1, 1:1)

Bosnien und Herzegovina, Kup BiH, osmina finala, 18.2.2023
Gradski Stadion Prijedor, 1.500

Der 16. Elfmeter entschied ein dramatisches Regionalderby im bosnischen Cup. Wenn das Weglassen der Verlängerung im Reglement hier den Zweck hat, das Prozedere abzukürzen, funktioniert dies nicht, wenn das Elfern fast so lang dauert wie eine Verlängerung gedauert hätte. Elfmeter wurden teils kläglich vergeben, teils kurios verwertet und teils auch souverän geschossen. Schließlich triumphierte der letztjährige Absteiger und nunmehrige Zweitligist (in der Prva Liga RS) Rudar-Prijedor im krajiški derbi der Bosanska Krajina (Босанска Крајина) gegen den Erstligisten, Europacupteilnehmer der letzten Saisonen und zuletzt 2021/22 zum zweiten Mal bosnisch-herzegovinischen Meister aus dem 48 km entfernten Banja Luka. Nach 13 Minuten war Rudar (Рудар), was „Bergmann“ heißt, in Führung gegangen. Kurz vor der Pause konnte aber Borac (Борац), was „Kämpfer“ heißt, ausgleichen. Als Rudar-Prijedor in der zweiten Hälfte binnen zwei Minuten zweimal Gelb-Rot sah und die letzten zwanzig Minuten der regulären Spielzeit zu neunt zu bestreiten hatte, schien es düster für sie auszusehen. Sie retteten das 1:1 aber über die Zeit und konnten schlussendlich Cupgeschichte schreiben.
Vor Spielbeginn wurde eine Schweigeminute für die Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien abgehalten.
„Rudar-Prijedor, Republika Srpska!“ erschallte es unter anderen vom Fansektor der 1995 gegründeten Alcohol Boys von Prijedor, die passend zum Gruppennamen ein überschäumendes Bierglas als Symbol haben. Der zweite aufgehängte Fetzen zeigte zum Spruch „Ziga Zaga“ einen Bergmann mit Grubenlampe am Helm. Vor dem Spiel hatte sich der Fanblock in der Innenstadt getroffen und war gut eingestimmt im Corteo zum Stadion marschiert. Balkantypisch wurde supportet, zu einem Spruchband Bekleidung aus dem Gästeanhang martialisch verbrannt und mit Doppelhaltern und Schals eine optische Aktion gezeigt. Pyro wurde immer mal wieder gezündet und Fackeln gern im Weitwurf in Richtung des im anschließenden Hintertorbereich liegenden Gästesektors entsorgt. Ein Stoff in Borac-Farben zeigte ein Bündel Geldscheine mit der Beschriftung Борац против свих! (Borac protiv svih!, „Borac gegen alle!“), um zu sagen, dass es dort nicht mit rechten Dingen zugehe. Die Gründung der Alcohol Boys geschah anlässlich der Begegnung von Rudar-Prijedor und Borac im Finale des nach Kriegsende 1995 als erstem Fußballbewerb hier wieder durchgeführten Cup der Republika Srpska im Dezember 1995. Vier Jahre später verschwand der Fanblock zwar, fand sich 2009 aber von Neuem zusammen.
Der Gästeanhang um die 1987 gegründeten Lešinari (Лешинари) wurde für bosnische Verhältnisse recht früh, nämlich schon nach wenigen Minuten Spielzeit, in den Gästesektor gebracht. Die kleine Tribüne dort füllte sich schnell randvoll und man begann lautstark zu singen. Auffällig waren Stoffe mit italienischsprachigem „inferno rosso blu“ und einem schwingenden Gürtel, wie er in Italien gern eingesetzt wird.
Italienische Ankläge hatte man bei Rudar-Prijedor ebenfalls mit dem gezeigten Борац мерда (Borac merda).
Bei aller gezeigten Abneigung gegenüber, brachte man im Nationalismus aber auch politische Gemeinsamkeiten zum Ausdruck, indem zwischen Heimfanblock und Gästen in Wechselgesängen der serbische Gebietsanspruch auf den Kosovo und der vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag als Kriegsverbrecher verurteilte Ratko Mladić gemeinsam besungen bzw. bejubelt wurden.
Der Fudbalski Klub Rudar-Prijedor (Фудбалски клуб Рудар-Приједор) wurde 1928 von Bergleuten im zu Prijedor gehörenden Bergwerksgebiet Ljubija als FK Rudar Ljubija gegründet. Das Bergwerk von Ljubija war 1916 eröffnet worden und bot 4.000 Bergleuten Arbeit. In Prijedor selbst gab es den 1919 gegründeten SK Prijedor, der nach verschiedenen Umbenennungen und Fusionen durch zusammenschluss mit einem weiteren Verein 1965 zum OFK Prijedor wurde. Dessen Heimstätte war das heutige Stadion. Jahrzehntelang bestand zwischen OFK Prijedor und Rudar Ljubija eine hitzige Derbyrivalität.
1970/71 und 1971/72 scheiterte Rudar Ljubija in den Aufstiegsspielen am Aufstieg in die erste jugoslawische Liga. Das Rückspiel 1972 gegen Spartak Subotica (1:3-Niederlage nach 2:2 auswärts im Hinspiel) sahen hier 10.000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Die größten Erfolge im jugoslawischen Fußball waren 14 Saisonen in der West-Division der zweiten jugoslawischen Liga (Druga savezna liga – Zapad) 1967/68 bis 1972/73, 1976/77 bis 1978/79, 1985/86 bis 1987/88 und 1990/91 bis Kriegsausbruch 1992 sowie das Erreichen des Semifinales im jugoslawischen Cup (Kup Maršala Tita) 1988/89.
1992 wurden die beiden Vereine in den Anfängen des bosnischen Kriegs zum FK Rudar-Prijedor zusammengeschlossen, der Verein steht aber klar in der Tradition von Rudar Ljubija. Der Bindestrich im Vereinsnamen ist jedenfalls nicht unwichtig sondern steht für die Verbindung der beiden Vereine. Im Vereinswappen sind sowohl der verbundene Vereinsnamen FK Rudar-Prijedor als auch der Ortsname Prijedor zu lesen, sodass darin FK „Rudar-Prijedor“ Prijedor steht. OFK Prijedor wurde 1999 nocheinmal wiedergegründet, aber 2006 aufgelöst. Rudar-Prijedor spielte nach Wiederaufnahme des Fußballbetriebs nach Kriegsende 1995 zumeist auf Ebene der bosnisch-serbischen Republik, 2009/10 bis 2015/16 und in der Saison 2021/22 spielte man erstklassig in der landesweiten Premijer Liga.
Das Gradski Stadion Prijedor, das städtische Stadion von Prijedor, wurde 1952 gebaut und war ursprünglich die Heimstätte von OFK Prijedor bzw. seiner Vorgänger. Seit 1967 spielte hier auch Rudar Ljubija und nunmehr ist es das Stadion von Rudar-Prijedor. Damals gab es nur die dreiteilige Längsseitentribüne im Westen mit ihrer überdachten Haupttribüne in der Mitte sowie Hintertorplätze auf der Nordseite wo jetzt der Gästesektor ist. Mit der Teilnahme an der landesweiten ersten Liga waren 2009 Sitzplatzanforderungen zu erfüllen und 2011 bis 2012 wurde dann die zweite Längsseitentribüne im Osten errichtet, womit das Stadion nunmehr eine Kapazität von 3.540 Sitzplätzen bietet. Die roten Stiegenaufgangstürme an den beiden Seiten der Osttribüne erinnern ein wenig (zugegeben wenig) an das Marassi.
Vor dem Spiel wurde die Stadt Prijedor besichtigt.

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