Donnerstag, 18. Februar 2021

Athleticker Spezial Februar 2021




Rezension


Athleticker
So tickt die Kurve
Spezial Februar 2021
140 S.









„Eine würdige Verabschiedung bleibt der alten Gugl wohl verwehrt. Wir hoffen aber, mit diesem Heft unserem hassgeliebten Oval zumindest schriftlich ein kleines Denkmal gesetzt zu haben.“ Mit einem doppelten so großen (A4 statt A5) und dreimal so dicken Heft wie zuvor melden sich die Landstrassler mit einem Fanzine, das dem Stadion-Abschied gewidmet ist.

Die Stadiongeschichte wird ausführlich und mit zahlreichen historischen Fotos – aus dem Archiv der Stadt Linz – beschrieben. So erfährt man von der Geschichte des ehemaligen Ziegelei-Fabriksgeländes und wie es zur Namensgebung des Froschbergs kam: „Neben den einhundert Angestellten tummelten sich Erzählungen zufoge mindestens ebenso viele Frösche auf dem Anwesen. In den Ziegelteichen fanden sie hier den perfekten Lebensraum vor. Weithin hörbare Gesangsdarbietungen verliehen dem Froschberg zu jener Zeit seinen Namen.“ Später sollten hier einmal Fangesänge zu hören sein. In den Nachkriegsjahren wurde das Stadion der Stadt Linz errichtet und 1952 eröffnet.
„Millionengräber und Ostblockcharme – Distanz und Heimat“ ist der Artikel zur Baugeschichte des über die Jahrzehnte schrittweise aus- und umgebauten Stadion betitelt und fasst damit auch die beständige Ambivalenz in Worte, die das Linzer Stadion mit sich brachte: „Die Gugl war nie Wohlfühloase, sie war kein architektonisches Meisterwerk und auch kein Stadion, das aus objektiver Sicht erhalten bleiben müsste, sie war aber stets emotionale Heimat, für viele schon Kinderzimmer gewesen, Wohnzimmer geblieben und für manche Arbeitszimmer geworden.“

Ein besonderes Schmankerl sind alte Zeitungsberichte, die hier abgedruckt werden und von einem Spiel des LASK gegen Rapid am 14.5.1960 auf der Gugl berichten: Man kann sich in die Zeitumstände gut hieinfühlen und kommt um das Schmunzeln nicht herum. „Aus 20.000 Kehlen ertönte gegen Spielende in einem Peitschenhiebe-Rhythmus im gewaltigen Sprechchor das ,Schiebung, Schiebung!‘ So ist wohl noch niemals einem Schiedsrichter zu verstehen gegeben worden, wie sehr er abgelehnt wurde.“ Das Spiel ging 1:1 aus. Die LASKler hätten gerne gewonnen und die Artikel triefen vor Unverständnis darüber, dass dem nicht so war.
1959/60 schloss der LASK im Mittelfeld ab, doch 1964/65 wurde er österreichischer Meister, zu seinem ersten und einzigen Mal und zum ersten Mal wurde dies damit ein Verein außerhalb Wiens. Über jene Zeiten und andere Erinnerungen spricht in einem Interview Dolfi Blutsch. Aber im Heft finden sich nicht nur die Erinnerungen des Spielers und Trainers Blutsch sondern auch jene eines 1969 geborenen Anhängers über sein Fanleben als stadionbesuchendes Kind in den 1970er Jahren sowie ein Text über die LASK-Fanszene der 1980er Jahre.

Die LASK-Fangeschichte steht im Zentrum eines 16-seitigen Interviews mit Gerald Gross über ein Vierteljahrhundert Kurvengeschichte mit den 1995 gegründeten Viking Linz. Erzählungen aus den 1990er Jahren sind fast immer legendär, so hier z.B. jene Geschichte, wie Gross bei einem Fanszenen-Treffen im Innenministerium durch ihre Vorführung die Genehmigung von Teleskopstangen bewirkte. Aber auch andere Eindrücke und Erinnerungen über die LASK-Fanzene und die österreichischen Fanlandschaft jener Jahre sind lesenswert. Interessant ist auch das Raisonnieren über Fanklubentwicklung und das Wegbrechen vieler Leuten und Gruppen über die Jahrzehnte sowie über vergangene Freundschaften.
„Nie kamen mit einem Zuschauerschnitt von 1169 weniger Menschen für den LASK auf die Gugl als in der Saison 02/03 in der 2. Division. Negativrekord: Gerade einmal 200 Schwarz-Weiße gegen Untersiebenbrunn.“ Schon im Gross-Interview wurde jene Zeit in den 2000er Jahren angeschnitten, wo teils nur wenige hundert Leute ins Stadion kamen und der LASK im Niemandsland der 2. Liga versumperte. In einem Artikel über die LASK-Fanszene dieses Jahrzehnts erfährt man Details. Fankulturell schuf man sich Wege, mit der Lage umzugehen: „Hoher Alkoholkonsum war generell das gewählte Mittel, um die sportliche Tristesse erträglicher zu machen. So wurden die sogenannten ,Mistkübelpartys‘ eingeführt – Sauf-Exzesse bei den Mülltonnen hinter dem heutigen Auswärtssektor.“ Man lernt nie aus. Nachdem ich im Zuge der Medienberichterstattung über die Corona-Pandemie erfahren habe, dass es in Oberösterreich etwas namens „Garagenparty“ gibt, lerne ich nun mit „Mistkübelparty“ einen weiteren neuen Begriff aus oberösterreichischem Zusammenhang.
Unter dem Titel „Wahnwitz, Chaos, Happy End“ werden im Heft die 2010er Jahre zusammengefasst. 2012 wird der 32 Mio. € verschlingende letzte Umbau der Gugl abgeschlossen. Der Lizenzentzug bringt dem LASK zwei Regionalliga-Jahre. Nach drei Zweitligajahren kommt die Rückkehr in die Bundesliga. Seit 2016 spielt man nicht mehr in Linz sondern in Pasching. Dazwischen fand sich die Fanszene 2014 unter dem Dach Landstrassler neu zusammen und begründete „die vielleicht beste Phase, in der sich die aktive Fanszene des LASK je befand.“ Den Stadionschwerpunkt schließen Texte zu Kuriosa rund um das Gugl-Stadion, zu den Sektoren im Laufe der Stadiongeschichte, dem alten LASK-Platz, Erinnerungen und Zahlen ab.

Weiters gibt es im Heft Texte zum aktuellen Thema der Dressenfarbe (der LASK trat in Heimspielen statt in Schwarz-Weiß in der Sponsorfarbe Rosa an), Bilder aus dem Froschberg-Viertel, einen gesellschaftspolitischen Kommentar und einen Comic. Interessant ist eine ausklappbare kleine Beilage zu den Rechten von Fußballfans gegenüber der Polizei. In der Rubrik „Mein Block“ findet sich eine Stellungnahme zur Priorität von Werten und Identität und dass es keine „Nestbeschmutzung“ sei, wie einem vorgeworfen wurde, wenn man als LASK-Fan das Verhalten der Vereinsführung beim Brechen der gesetzlichen Vorschriften und Bundesliga-Regeln bei der Wiederaufnahme des Trainingsbetriebs im Frühjahr 2020 kritisiert habe. Das Schlusswort beschreibt neue Stadien zwar als Ausdruck der Entwicklung des modernen Fußballs, es liege aber an den Fans, aus dem neuen LASK-Stadion etwas zu machen. „Dazu braucht es weder Trachtenkapelle noch Schiachperchten.“

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