Dienstag, 8. September 2015

Unterwegs 11



Rezension


Unterwegs
Das etwas andere Fanzine aus Österreich
Nr. 11, August 2015
80 S.





Eine großartige Aufarbeitung der Geschichte der Rapid-Fanzinekultur gibt es hier zu lesen! Josef Gruber beschreibt die Fanzine-Pioniere in Österreich und die 1990er Jahre, „die goldenen Zeiten der Fanzine-Kultur in Österreich“, wie er sie nennt: „Im Sommer 1998 habe ich einmal den Versuch gewagt und eine genaue Bestandsaufnahme in Österreich gemacht. Diese wurde in der Nummer 3 von meinem ,Unterwegs‘ dokumentiert. Es gab exakt 37 Hefte!“ Nach der Einführung zur Lage gibt es eine Darstellung der Entwicklung in Hütteldorf, samt Spieltagsflyern und weiteren Fanpublikationen.
Mit ausführlichen Interviews schöpft Gruber aus dem Vollen. Rapideum-Kurator und Fanhistoriker Domenico Jacono spricht u.a. über die Integration von Fanzines in Archiv und Bibliothek im neuen Rapideum im neuen Weststadion. Harald S. von den Klempnern erzählt von den Ausgaben des Fanzines Abflussgeflüster in den Jahren 1993 bis 1995 ihrer seit 1991 bestehenden sympathischen Gruppe und warum sie ihren markanten Fetzen seit Jahrzehnten nur mehr bei Europacup-Auswärtsspielen aufhängen. Lorenz K. berichtet von seinen Anfängen mit der SCR Fanzeitschrift 1993/94, die dann als Block West Echo zum Heft der Ultras Rapid wurde, das er bis 2001 herausgab: „Wir waren mit dem ,Block West Echo‘ ein gewichtiger Teil der Fanzine-Bewegung in Österreich und ein kleiner Teil einer dynamischen Fanbewegung.“ Dominik H. erzählt von Hochs und Tiefs in 18 Jahren Tornados spezial und die „sehr mühsamen und zachen Zeiten um die Jahre 2005/6 − 2010/11. Da kam das Internet so richtig auf und das meist gehörte Argument, warum das Heft nicht benötigt wird: Weil es ja eh im Netz zu lesen ist ...“. Chris von den Lords wird von Gruber u.a. zu der wohl ungewöhnlichsten und mit einer Schlusspointe amüsantesten Story in ihrem Ostboten befragt, einem Interview mit dem Pfarrer des Wiener Stephansdoms. Zu den Gesprächen gibt es auch schöne Faksimiles, die einen guten Eindruck damaliger Berichte liefern.

Weiters gibt es wie gehabt viele Groundhoppingberichte. Bei Vereinen aus Ostdeutschland werden konsequent die DDR-Traditionsnamen verwendet. Auch von der Reaktivierung des alten Brünner Stadions, einem wahrlich bemerkenswerten Nachmittag, erzählt Gruber: „Viele normale Besucher hatten heute ihre alten Fahnen oder Transparente ausgegraben, das unterstrich den nostalgischen Aspekt nochmals deutlich. Mehr Old School, so wie es heute geboten wurde, geht definitiv nicht.“ Mit dem Frühjahrs-Heimderby hat es auch wieder ein Bericht von einem Rapidspiel ins Heft geschafft. Im Rückblick auf vergangene große Rapid-Europacup-Abenteuer gibt es diesmal Erinnerungen von Hin- und Rückspiel der Begegnung mit Petrolul Ploiești 1995. Die Stärke des Hefts sind seit jeher die Interviews. Da gibt es diesmal Gespräche mit einem Fanzineschreiber von Szombierki Bytom und zu Geschichte und Bedeutung der Żyleta-Fahne bei Legia Warschau.

Von mir selbst stammt ein Text über die Geschichte der Stadt Triest von 1946 bis 1949, als es hier zeitgleich einen italienischen und einen jugoslawischen Erstligsten gab, die im selben Stadion spielten.

Beim Meister ist das Heft bereits ausverkauft. Erwerbbar nur mehr im BFU-Shop.

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