Polen, I liga, 17. kolejka, 15.11.2014
Stadion Widzewa, 700
Widzew Łódź machte einem Abstiegskandidaten alle Ehre und zeigte eine Mischung aus Pech und Unvermögen. Von Beginn weg waren sie die aktivere Mannschaft, ihre Vorstöße endeten aber als nicht sehr zielgenaue Weitschüsse oder als vergebene Chance. Selbst einen Elfmeter samt Nachschuss brachten sie nicht ins Goal. Die Gäste spielten dagegen cool und nützten die Lücken des Abwehrverhaltens von Widzew zu Toren. Es war die achte Meisterschaftsniederlage in Serie für Widzew Łódź. Vom Klassenerhalt sind sie weit entfernt.
Die in Konflikt mit der Vereinsführung liegende Fankurve boykottiert derzeit die Heimspiele. Nur für das nächste und letzte Spiel im gegenwärtigen Stadion wird vom Boykott eine Ausnahme gemacht werden. Dann wird es hierin wohl voller sein. Nur zu Spielbeginn sang ein Dutzend Fans auf der Gegentribüne eine Strophe. Das war’s. Sportliche Bankrotterklärung und Kurvenboykott, der dem Stadionbesuch die Atmosphäre nahm, sind eine fatale Mischung: Von den durchschnittlich 4.500 Zuschauerinnen und Zuschauern, die es hier noch zu Saisonbeginn gab, ist nicht mehr viel übrig.
RTS Widzew Łódź wurde 1910 von Textilarbeitern als TMRF Widzew im Stadtteil Widzew der polnischen Stadt Łódź gegründet. Der Sportverein Towarzystwo Miłośników Rozwoju Fizycznego („Verein für körperliche Entwicklung“) bestand bis zum Ersten Weltkrieg. 1922 gründeten fünf der sechs ursprünglichen Vereinsgründer den Klub als RTS Widzew (RTS für „Arbeitersportverein“ Robotnicze Towarzystwo Sportowe) neu. Viermal wurde der Verein polnischer Meister, jeweils zweimal hintereinander 1981 und 1982 sowie 1996 und 1997. 1985 wurde der polnische Cup gewonnen.
Im Europacup der Meister schied Rapid 1982/83 im Achtelfinale (das war damals bereits die zweite Runde) gegen Widzew Łódź aus. Das Hinspiel im Hanappi-Stadion gewann Rapid knapp und nach hartem Kampf mit 2:1. Hier in Łódź verlor Rapid in einem dramatischen Spiel 5:3. Widzew führte nach einer halben Stunde zwar bereits 3:0, doch Rapid kam zwischenzeitlich auf 3:2 heran und wäre damit nach Auswärtstorregel weiter gewesen. Widzew erreichte im weiteren Verlauf 1983 das Semifinale im Meistercup, wo gegen Juventus Endstation war.
Das letzte Jahrzehnt verlief unruhig: Abstieg aus der Ekstraklasa 2004, Wiederaufstieg 2006, 2008 Zwangsabstieg nach Spielmanipulation, 2009 trotz Zweitligameisterschaft der Aufstieg aufgrund des Manipulationsskandal verwehrt, 2010 schließlich Aufstieg und 2013 wiederum Abstieg in die zweite Liga. Hier ist Widzew derzeit abgeschlagen Tabellenletzter.
Das Stadion Widzewa wurde 1930 eröffnet. Es ist noch ein Beispiel jener Stadionbautechnik vergangener Jahrzehnte, die vor allem im Aufschütten von Böschungen bestand, auf denen auf einer Seite Betonstufen gebaut wurden. Heute hat das Stadion eine Kapazität von 10.500 Sitzplätzen. Es erlebt nun seine letzten Spiele. Das hier am Standort komplett neu gebaute Stadion mit 18.000 Plätzen soll bis 2017 fertig sein.
Am Tag in der polnischen Großstadt Łódź wurde auch beim bereits im Neubau befindlichen Stadion des Stadtrivalen vorbeigeschaut, ein Ort der polnischen Fußballgeschichte besucht und die Stadt besichtigt.
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