Dienstag, 30. Oktober 2012

11 Freunde, Spezial 2


Rezension


11 Freunde
Spezial Nr. 2
Sonderausgabe
Football's Coming Home
Die Geschichte des britischen Fußballs
130 S.




Der Geschichte des britischen Fußballs ist die zweite Ausgabe der Spezial-Reihe von 11 Freunde gewidmet − und das Heft wird der Bedeutung des Themas gerecht.

Es gibt natürlich keine Gesamtschau der britischen Fußballgeschichte. Aber es werden lesenswerte Texte und informative Artikel geboten. Reichlich Anekdoten gibt es auch. Wenn etwa der 85-jährige Cyril Mintz, der seit 75 Jahren zu Manchester City geht, erzählt: „Ich hatte seit dem Jahr 1956 eine Dauerkarte, 40 Jahre lang. Dann mit 70 dachte ich, daß ich zu alt dafür werde, und bestellte sie ab. Im folgenden Jahr war es aber wieder um mich geschehen. Ich blickte auf die neue Jahreskarte und hätte weinen können: Darauf stand: ,Jahre mit City: 1.“

Über die Entstehung des selbstverständlich erscheinenden Modus einer Liga schreibt Ulrich von Berg. 1888 wandte sich William McCregor von Aston Villa brieflich mit einer Idee an anderen Vereine des Landes und wenige Monate später wurde am 8. September die englische Football League begründet. Die Meisterschaft trat als drittes Standbein des Fußballs zum seit 1872 bestehenden FA Cup der Vereinsmannschaften und der ebenfalls seit 1872 ausgetragenen Länderspiele der Nationalmannschaften von England, Schottland, Wales und Irland.
„Uns erscheint es als eine Art Naturgesetz, daß Fußball in Ligen gespielt wird, in denen Mannschaften halbwegs vergleichbarer Leistungsstärke vereint sind, daß dabei pro Spieljahr jeder Verein zweimal gegen jeden der anderen antritt, einmal auf eigenem Platz und einmal auswärts [...] und daß sich die Gesamtausbeute an Punkten, die jede Mannschaft verbuchen kann, in einer Tabelle niederschlägt. Uns, denen der Spielplan, egal welcher Liga, den Jahres- und damit den Lebensrhythmus vorgibt, so weit wir zurückdenken können, erscheint das alles als pure Selbstverständlichkeit. Aber William McCregor ist derjenige, der sich dieses so simple wie geniale Verfahren einst hat einfallen lassen. Und in knapp 125 Jahren ist niemandem ein objektiveres und faireres Verfahren zur Ermittlung der wahren Spielstärke eingefallen.“
Danke dafür!

Ebenso spannend ist Alex Raacks Portrait des Architekten Archibald Leitch, der das typische britische Fußballstadion prägte. Nach seinen Plänen wurden mehr als zwanzig stilprägende Stadionbauten errichtet, u.a. (auszugsweise!): Ibrox Park, Celtics Parkhead und Hampden Park in Glasgow. Craven Cottage, Highbury, Stamford Bridge, White Hart Lane in London. Anfield und Goodison Park in Liverpool. Hillsborough und Bramall Lane in Sheffield. Old Trafford in Manchester. Wer an das typische britische Stadiongesicht mit weiten Stehplatzrängen samt Wellenbrechern und Haupttribüne mit Ziegelfassade und Giebeldach denkt, denkt an Archibald Leitch. Als Architekt war er allerdings zu Beginn seiner Karriere auch für eine der größten britischen Stadionkatastrophen verantwortlich, als 1902 bei der Eröffnung des von ihm geplanten Ibrox in Glasgow die Holzpfeiler einer Tribüne brachen und 26 Menschen starben sowie 516 verletzt wurden. Er ersetzte Holz künftig durch robustere Materialien.

An die vergessene Geschichte des Belfaster Vereins Bankmore Star erinnert Ulrich von Berg. Hier spielten Katholiken und Protestanten gemeinsam Fußball, mitten in der Hochphase des Nordirland-Konflikts. Vier Fußballer und Vereinsmitglieder wurden Anfang der 1970er Jahre von religiösen Fanatikern ermordet. Nach dem vierten Ermordeten gaben die Spieler 1973 auf und stellten den Spielbetrieb ein.

Das intelligente Schreiben über Fußball aus Fansicht hat nicht Nick Hornby erfunden. Wenn jemand Pionier war, dann die Erfinder von When Saturday Comes. Die 1986 als Fanzineprojekt von Mike Ticher und Andy Lyons gestartete Zeitschrift ist nichts weniger als eine Institution. Uli Hesse berichtet über ihre Anfänge.

Dazu gibt es sehr viele, sehr schöne Fotos. Ein gelungenes Heft.

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