Dienstag, 8. Dezember 2015

Tornados spezial, 36



Rezension


Tornados spezial
Ausgabe 36
75 S.







Ein weithin unbekanntes Thema rückt das Tornados spezial in den Vordergrund: Die Vielfalt anderer Sportarten, die unter dem Dach des Sportklub Rapid in vergangenen Jahrzehnten betrieben wurden. Die zweite Sektion, die nach dem Fußball gegründet wurde, war 1914 die Leichtathletik. Sie wurde bis in die fünfziger Jahre betrieben. „In ihrer Blütezeit hatte die Leichtathletiksektion bis zu 200 aktive Mitglieder und übertrumpfte die Fußballsektion somit um Längen.“ Daneben hatte auch Boxen, Handball und Radsport Bedeutung. Es gab zumindest in der Hochphase verschiedener Rapid-Sektionen in den 1920er Jahren aber auch Wintersport (Langlaufen und Alpinschifahren), Schwimmen, Turnen, Touristik (Bergsteigen), Tennis und Motorradfahren, wie der von den Tornados mit Unterstützung von Domenico Jacono erstellte Artikel aufzählt. Interessant ist, dass die Radsektion die einzige Sportsektion Rapids war, in der auch Frauen aktiv Sport betreiben konnten.
Alle Sportarten hatten ihre Erfolge. Sie blieben in ihrer Bedeutung aber hinter den Fußballern zurück. Am ehesten mit dem Fußball vergleichbar waren die 1956 von einem Anhänger gegründeten und später vom Verein übernommenen Handballer, die zunächst wie damals üblich Feldhandball im Freien spielten (regulär am Platz der ASV 13 in Speising, selten als Vor- oder Nachspiel der Fußballer auf der Pfarrwiese) und dann später in der Wiener Stadthalle antraten. Mit einem Interview mit einem ehemaligen Rapid-Handballer beschäftigt man sich im Heft näher mit dieser Sportsektion, die 1970 an den Werksverein der Zentralsparkasse verkauft wurde. Während die Spiele in Speising vor wenigen Zuschauerinnen und Zuschauern ausgetragen wurden, waren die Hallenspiele dann gut besucht, wie Hubert Poppe im Interview erzählt: „Die B-Halle in der Stadthalle war mit 2.000 Zuschauern oft ausverkauft. Wenn's eine heiße Partie war, dann haben die Rapid-Handball- und Fußballanhänger für uns geschrien.“
Mit der hier erstmals in dieser Ausführlichkeit zu lesenden Aufarbeitung dieses Teils der Geschichte Rapids wurde wertvolle Arbeit geleistet. Die Tornados verknüpfen ihren historischen Rückblick mit einem Vorschlag für die Zukunft, die verschüttete Traditon der Sportsektionen wieder aufleben zu lassen: „Ein breit aufgestellter SK Rapid, der vielen Menschen die Möglichkeit zu sportlicher Betätigung bietet, würde die Bedeutung des SCR als Institution jedenfalls stärken. Frühere Sektionen wieder zu beleben sowie die Gründung eines Frauenfußballteams wären mutige Schritte zur Vergrößerung des Vereins.“

Der Neubau des Weststadions wird kritisch begeleitet und es gibt offene Worte zum neuen Wind, der mit neuem Präsidium in ungeahnter Stärke durch den Verein weht: „Es ist nicht einmal drei Jahre her, dass wir vehement Veränderung für Rapid gefordert haben. Die Kurve wollte den sportlichen und wirtschaftlichen Niedergang des SCR nicht länger tatenlos mit ansehen. Der Aufstand gegen den ,Vorstand‘ setzte viel Energie frei − es tat sich etwas. Viele Bereiche wurden professionalisiert und damit war auch der sogenannte ,moderne Fußball‘, gegen den der Block West jahrelang angekämpft hatte, mit voller Wucht bei uns angekommen. Richtig überraschen kann uns das nicht, denn wir sind mitverantwortlich.“
Der Professionalisierungsschub war notwendig und der auf Einnahmensteigerung fokussierte Weg ist wirtschaftlich wohl auch erfolgversprechend. Sportlicher Erfolg war und ist Ziel und Anspruch des Vereins. Doch „Rapid sollte nicht nur erfolgreich sein, sondern auch leiwand.“ Mit dem Satz „Das Vereinsleben wirkt gescriptet.“ fasst man zusammen, dass Emotionen gezielt gesteuert und konstruiert werden, um sie ökonomisch zu verwerten. Dazu gibt es in diesem programmatischen Artikel auch Standpunkte zur Veränderung des Block West und notwendigen neuen Wegen der Fankurve.

Weiters gibt es hier u.a. einen szeneorientierten Rückblick auf die Rapidspiele des Frühjahrs 2015 oder erneut die nette Foto-Rubrik Nebendarsteller über die Fankurven anderer Vereine bei Rapidspielen. Das Groundhopping-Gemüt wird diesmal durch sehr schöne Fotos von Amateurfußballplätzen in Europa und Amerika leider nur halb befriedigt. Positiv ist der Blick auf den kleinen Fußball abseits der großen Spiele. Es sind Bilder mit Fernwehpotential (Slovenská Ľupča im Regen ...), doch man liest halt auch sehr gern über die dazugehörigen Abenteuer. Aber sonst wäre es ja auch schon fast zu viel des Lobes, das über das Heft ausgesprochen und verbreitet werden muss.

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