Lemberg, 25.8.2015
Im großen Stadtpark von Lemberg, dem heutigen Stryjski-Park (Стрийський парк), wurde 1894 ein Fußballspiel ausgetragen. Es spielten hier Polen, denn Lemberg war damals mehrheitlich polnisch. Daher gilt dieses Match als das erste polnische Fußballspiel. Da die Stadt aber heute ukrainisch ist, war es auch das erste Fußballspiel auf ukrainischem Boden. Daher wurde 2004 in Erinnerung an jenes Match das große Denkmal mit ukrainischen Nationalsymbolen aufstellt. Es huldigt dem „ersten Fußballspiel der Ukraine“ (Першому футбольному матчеві України).
Am 14. Juli 1894 traten im Rahmen des zweiten Verbandstreffen des polnisch-nationalen Turnvereine Sokół zwei Sokół-Mannschaften aus Lemberg und Krakau zu einem Fußballspiel an. Eine Zeitung berichtete detailliert über dieses Ereignis. Vor gut zehntausend Zuschauerinnen und Zuschauern, die an diesem Tag diverse Sportvorführungen sehen, geht es wild hin und her. Weder die Leute im Publikum noch die Spieler kennen die Regeln wirklich. Die Spieler wissen, dass der Ball irgendwie zwischen den Fahnenstangen des Gegners untergebracht werden muss, die das Tor markieren. In der siebten Minute trifft Włodzimierz Chomicki zum 1:0 für die Gastgeber. Man nimmt an, dass die Sache damit beendet ist. Das Spielfeld wir frei gemacht für Turner, die nun dem Publikum Gymnastikübungen vorführen. Der aus Krakau stammende Schiedsrichter Zygmunt Wyrobek und die Krakauer Mannschaft protestieren, da ihnen bekannt ist, dass ein Fußballspiel länger als bis zum ersten Tor dauert. Doch ihr Protest war vergeblich.
Ein Jahrzehnt später werden mit Czarni und Lechia Lwów die ersten polnischen Fußballvereine in Lemberg gegründet. Czarni Lwów war 1911 Gründungsmitglied des polnischen Fußballverbands, der Vorläufer des heutigen PZPN ist. Obwohl der Verein in Lemberg recht populär war, war Czarni sportlich wenig erfolgreich. Der achte Tabellenplatz 1928 war die beste Meisterschaftsplatzierung. Größter Erfolg war der polnische Cupsieg 1935. 1939 wurde der Verein wie alle anderen von den sowjetischen Behörden aufgelöst. Größter Sohn von Czarni war der 1921 in Lemberg geborene Kazimierz Górski, der zum polnischen Jahrhunderttrainer wurde.
Größter Fußballverein der polnischen Zeit Lembergs war der Lwowski Klub Sportowy Pogoń Lwów (kurz LKS Pogoń Lwów), der 1907 gegründet wurde. Sein Stadion befand sich hier in der Nähe im damaligen Park im. Jana Kilińskiego, heute Park Stryjski. Im unabhängigen Polen hatte Pogoń Lwów seine beste Zeit, spielte bis zur Vereinsauflösung im Zweiten Weltkrieg 1939 immer in der ersten Liga, wurde von 1922 bis 1926 viermal hintereinander polnischer Meister und in den dreißiger Jahren dreimal Zweiter. Als die Meisterschaft nach dem deutschen Überfall auf Polen im September 1939 abgebrochen wurde, lag Pogoń Lwów vier Runden vor Schluss am dritten Platz. Nach der sowjetischen Besetzung Lembergs 1939 wurde der Verein wie alle polnischen Vereine aufgelöst. Einige ehemalige Spieler nahmen den Geist des Vereins und seine Vereinsfarben Blau-Rot mit nach Bytom, wo sie nach Kriegsende im Rahmen der Zwangsumsiedlung der polnischen Bevölkerung aus den ehemals polnischen Ostgebieten nach Westpolen, wo die deutsche Bevölkerung ihrerseits vertrieben worden war, angesiedelt wurden: Sie gründeten dort Polonia Bytom. 2009 wurde ein neuer Verein Pogoń Lwów vom polnischen Konsulat im westukrainischen Lemberg gegründet, der sei 2011 in der vierten Liga spielt und mit der polnischen Eisenbahn als Hauptsponsor und polnischer Unterstützung als Wiederbelebung des großen Pogoń vermarktet wird. Die meisten Spieler sind aber Ukrainer.
Der Żydowski Klub Sportowy Hasmonea Lwów („Jüdischer Sportklub Hasmonea Lwów“), kurz ŻKS Hasmonea Lwów, wurde 1908 im damals überwiegend polnischsprachigen Lemberg, in dem ein Viertel der Bevölkerung jüdisch war. Es war der erste und später wichtigste ausschließlich jüdische Sportverein in Österreich-Ungarn und Polen und mit Pogoń und Czarni 1927 Gründungsmitglied der Liga Piłki Nożnej, der ersten landesweiten polnischen Fußballmeisterschaft. Mit dem Zweiten Weltkrieg wurde der Verein nach der sowjetischen Besetzung 1939 aufgelöst. Die Jüdinnen und Juden Lembergs wurden von den Deutschen im Holocaust ermordet. Der berühmteste Spieler Hasmoneas war Zygmunt Steuermann, der zwei Länderspiele für Polen absolvierte und 1926 den ersten Hattrick in der Geschichte der polnischen Nationalmannschaft erzielte. Er wurde im Dezember 1941 im Ghetto von Lemberg von den Deutschen erschossen.
Der Fußballverein der ukrainischen Minderheit im bis 1939 polnischen Lemberg war der Verein Ukraina Ľviv, der in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre seine beste Zeit in der höchsten Spielklasse der Region Lemberg innerhalb des polnischen Fußballverbands hatte.
Die kleine deutschsprachige Volksgruppe in Lemberg hatte in der Zwischenkriegszeit ebenfalls einen eigenen Fußballverein, den 1923 gegründeten deutschen Sportklubs Vis (lateinisch für Kraft). Der Sportklub Vis spielte in den unteren Amateurligen, zog sich aber 1931 aus dem polnischen Fußballverband zurück, da es häufig zu nationalistisch motiviertem unsportlichen Verhalten gegnerischer Mannschaften, von Schiedsrichter und Zuschauern gekommen war.
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