Sonntag, 7. April 2013

Austria Lustenau - FC Lustenau 1:0 (1:0)

Erste Liga, 26. Runde, 5.4.2013
Reichshofstadion, 4.400

Einen wichtigen Sieg feierte die Austria Lustenau. Sie beendeten ihre schwarze Serie von sieben sieglosen Spielen, in der sie einen sicher scheinenden Vorsprung und die Tabellenführung verspielt hatten − und sie beendeten sie noch dazu mit dem größtmöglichen Sieg, einem Derbysieg. Die Austria bestimmte das Spiel, die Unsicherheit war aber deutlich sichtbar. Die Gäste − die letzte halbe Stunde zu zehnt − verkauften sich teuer, schafften es aber nicht, das Wackeln der Gastgeber zu nutzen.
Ein Fünftel der Ortsbevölkerung fand sich im Stadion ein. Bei dieser Bevölkerungszahl ist nicht nur die Existenz zweier Fußballvereine in den oberen Ligen, sondern auch das Bestehen von zwei Fanszenen beachtlich. Sowohl die Heimischen auf ihrer überdachten Nordtribüne als auch der Auswärtsanhang sorgten für gute Stimmung. Zum optischen Intro beider Kurven mit Doppelhaltern bzw. Fahnen gab es zu Spielbeginn auch noch eine Gruppe, die auf der Haupttribüne laut vernehmbar Kuhglocken läutete. Auf daß man ja nicht vergesse, daß wir uns hier im alpinen ländlichen Raum befinden.
Es war das vorletzte Lustenauer Derby bevor sich der insolvente FC Lustenau aus finanziellen Gründen in den Amateurfußball verabschiedet. Eine spannende Einführung in die Gründe und Geschichte der politischen Aufspaltung des bürgerlich-bäuerlichen Orts − „In Lustenau gibt es alles zweimal. Zwei Musikvereine, zwei Turnvereine, zwei Fußballvereine.“ − gibt der Artikel von Hans-Georg Egerer im Ballesterer 62. Da erfährt man etwa, daß das Derby früher als „Hegel-Match“ galt. Dies deutet aber nicht auf philosophische Diskussionen hin, sondern so heißt hier der Taschenfeitel, das einfache Klappmesser. Schon 1930 war es zu Ausschreitungen mit Verletzten bei einem Lustenauer Derby gekommen, berichtet Sonja Schlingensiepen im Eintrag über das Reichshofstadion im großen Buch der österreichischen Fußballstadien. Dem zugrunde lag nicht nur die fußballerische, sondern auch die politische Rivalität.
Der SC Austria Lustenau wurde als Fußballabteilung des katholischen Turnerbundes Lustenau gegründet. 1936 spaltete sich die Fußballsektion unter dem heutigen Namen Austria Lustenau ab. Im politisch geteilten Lustenau war dies der Verein des katholisch-konservativ-christlichsozialen Lagers, während der ältere Lokalrivale der Verein des mehrheitlichen deutschnational-freiheitlichen Lagers war. Hatte die Austria so im austrofaschistischen Regime Vorteile, wurde sie hingegen 1938 für die Dauer des Naziregimes aufgelöst. Das Vereinsmitglied und der nachmalige Ehrenpräsident Josef Peintner regierte nach Ausschaltung der Demokratie von 1934 bis 1938 zuerst als Regierungskommissär und dann als eingesetzter Bürgermeister Lustenau und war von 1935 bis 1938 Landessportkommissär für Vorarlberg. Von den Nazis wurde er nach ihrer Machtübernahme 1938 eingesperrt und ins KZ Buchenwald deportiert. In der Zweiten Republik war er Politiker der ÖVP.
1945 wurde Austria Lustenau wiedergegründet und verbrachte die folgenden Jahrzehnte in Vorarlberger Landesliga, Arlbergliga (umfaßte Tirol und Vorarlberg) und Regionalliga West. 1994 begann mit dem Aufstieg in die Zweite Division die große Zeit des Vereins, die schließlich 1997 im Aufstieg in die erste Liga gipfelte, wo man sich drei Saisonen halten konnte. Damals entwickelte sich auch die aktive Fanszene. Seit 2000 spielt der Verein wieder zweitklassig. Heuer sah es lange Zeit nach einem Wiederaufstieg aus, ein großer Punktevorsprung wurde aber in den letzten Runden verspielt. Größter Erfolg der jüngeren Vergangenheit war der Einzug ins ÖFB-Cup-Finale 2011.
Das Reichshofstadion wurde bereits 1951 als Spielstätte eröffnet, eine erste Tribüne kam 1953 dazu. Das Leichtathletikstadion wurde nach dem Bundesligaaufstieg 1997 ausgebaut (Haupttribüne am Kabinengebäude) und durch Aufstellung von Stahlrohrgerüsten auf der Laufbahn zum reinen Fußballstadion umgestaltet. Aus jenen Bundesligajahren stammt der Stadionrekordbesuch von 14.400 Zuschauerinnen und Zuschauern bei einem 3:0 gegen Schwarz-Weiß Bregenz im Juli 1999. Aus Lärmschutzgründen (!) der dahinter liegenden Häuser mußte die an der ostseitigen Längsseite aufgestellte Tribüne 2003 gesperrt und 2004 demontiert werden. Die Kapazität wurde damit auf heute 8.800 Plätze reduziert. Benannt ist das am Rheinufer liegende Stadion nach dem Reichshof Lustenau, dem vom dem Mittelalter bis 1806 gültigen Status Lustenaus. Die katholische Tradition des Vereins zeigte sich nicht zuletzt an der 2007 erfolgten Aufstellung einer (mobilen) Kapelle im Gastronomiegelände. Innovativ war man hier in den 1990er Jahren mit der Einrichtung dieses ganzjährigen gastronomischen Austria-Dorfs hinter der Nordtribüne. An Karfreitagen gibt es hier streng katholisch kein Fleisch.
Ein Blick in das Ortszentrum Lustenaus war touristisch unergiebig.





























































Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen