Sonntag, 22. November 2020

90 Jahre Mitropacup-Sieg



Rezension


SK Rapid (Hg.)
90 Jahre Mitropacup-Sieg
Projektleitung/Text Laurin Rosenberg
Rapideum
Wien 2020
28 S.







Am 12. November 1930 gewann Rapid mit dem Mitropacup den wichtigsten internationalen Titel seiner Vereinsgeschichte. Zum 90-jährigen Jubiläum war pandemiebedingt keine Sonderausstellung möglich, dafür erfreut das Rapideum mit einer Festschrift.

1930 war die letzte Pandemie der Menschheitsgeschichte erst etwas mehr als ein Jahrzehnt her. 90 Jahre später hatte man vergessen, dass so etwas möglich ist. Der 12. November war 1930 ein Feiertag, an dem die Gründung der demokratischen Republik 1918 gefeiert wurde. Aber manche wünschten sich die Abschaffung demokratischer Mitbestimmung und dies sollte wenige Jahre darauf mit dem Regierungsputsch gegen das Parlament 1933 und der endgültigen Durchsetzung der austrofaschistischen Diktatur nach dem kurzen Bürgerkrieg des Februar 1934 geschehen. 90 Jahre später halten viele die Demokratie für ebenso selbstverständlich und unverletzlich wie ihre Gesundheit. Der Mensch nimmt gern die Gegenwart als Normalzustand an. Über den Sinn und Zweck, 2020 an 1930 zu denken, schreibt Laurin Rosenberg in der Einleitung der Festschrift: „Keine der handelnden Personen ist noch am Leben, der Bewerb selbst existiert schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Selbst das Schicksal des Originalpokals ist nicht geklärt. Dennoch ist dieser Titel für den Verein wichtig, zeigt er doch, dass Rapid tatsächlich einmal der stärkste Verein des Kontinents war. Damit ist er ein wesentliches Fundament des klassischen Rapid-Anspruchs, immer gewinnen zu wollen. Wir haben es einmal geschafft, warum sollten wir es nicht wieder schaffen?“

Die Festschrift beschreibt Vorgeschichte und Geschichte des Mitropacups als erstem großen länderübergreifendem Bewerb im europäischen Vereinsfußball. Rapid ist von Anfang an vorne mit dabei. „Bei den ersten drei Austragungen erreicht der SK Rapid zweimal das Finale (1927 gewinnt Sparta Prag, 1928 Ferencváros) und einmal das Halbfinale. [...] Aber auch abseits der sportlichen Bilanz kann Rapid zufrieden sein. Bei den zehn Heimspielen in diesen drei Jahren kommen im Schnitt 24.500 Fans zu den Spielen. Zum Vergleich: In der Liga kommt Rapid in diesen Jahren auf einen Zuschauerschnitt von etwa 9.000.“

Beim hier beschriebenen Weg ins Finale 1930 fallen sowohl die beachtliche Ähnlichkeiten als auch nicht minder bemerkenswerte Unterschiede zum uns geläufigen Europacupalltag auf. So traf Rapid in der ersten Mitropacuprunde (als österreichischer Meister 1929/30 qualifiziert) im Hinspiel auswärts bereits am 14. Juli 1930 auf den Genoa CFC (als italienischer Meisterschaftszweiter qualifiziert), das Rückspiel fand aber erst am 3. September statt. Die nächste Runde war dann bereits das Semifinale und in diesem traf Rapid im Hinspiel am 8. Oktober wieder auf den Ferencvárosi TC. „Kurios mutet heute der Spieltermin Mittwoch, 15:30 an. Es musste allerdings so früh gespielt werden, weil damals Flutlichtanlagen noch nicht üblich waren.“ Trotz des Termins kamen 17.000 auf die Pfarrwiese und sahen einen 5:1-Sieg Rapid, der trotz der 1:0-Niederlage in Budapest in der Woche darauf zum dritten Finaleinzug Rapids in der vierten Auflage des Mitropacups reichte.

Bevor es zur Schilderung des Finales geht, nimmt der Text dramaturgisch etwas Tempo heraus und informiert über den Finalgegner Sparta Prag und die Geschichte Rapids seit der Gründung des 1. Wiener Arbeiter Fußball-Club 1897. Im Zentrum des Band stehen dann die beiden Finalspiele des Mitropcup-Finales 1930. Das Hinspiel im Prager Stadion Letná, das bis heute Heimstätte Spartas ist, fand am Sonntag, dem 2. November 1930 statt. 25.000 bis 30.000 Zuschauerinnen und Zuschauer sahen eine Premiere: „Zum ersten Mal in der Geschichte des Mitropacups gewinnt das Auswärtsteam eines der Finalspiele. ,So wenig man einen Erfolg der Hütteldorfer erwartet hat, so sicher wurde er von ihnen errungen‘, schreibt am Tag nach dem Spiel die Arbeiter-Zeitung.“ Heute wie damals freuten sich Medien wohl über prägnante Aussagen der Akteure nach dem Spiel. Rosenberg zitiert einen knochentrockenen Kommentar von Dionys Schönecker: „Was die Mannschaft geleistet hat, bedarf erst keiner langen Erläuterung, Sparta auf eigenem Boden besiegt zu haben, sagt genug.“

Das Rückspiel fand erst zehn Tage später und wieder an einem Mittwoch in Wien statt. Diesmal war dieser 12. November aber eben als Republikgründungstag ein Staatsfeiertag. Austragungsort war nunmehr auch nicht mehr Rapids Pfarrwiese sondern die Hohe Warte als größtes Stadion Wiens. Eine damals mehrfach bei großen Spielen genutzte Ausweichspielstätte, wie im weiteren Verlauf der Festschrift auch berichtet wird. So konnten die Zuschauerinnen und Zuschauer zahlreich zum Nachmittagstermin kommen, auch wenn die Rahmenbedingungen unwirtlich waren, wie Rosenberg das Sporttagblatt zitiert: „das Wetter war unfreundlich, was zwar dem Besuch nicht geschadet hatte, da die Riesenziffer von 40.000 Zuschauern erreicht wurde, aber doch das Spiel stark beeinträchtigte, weil der heftige Sturmwind den Spielern die Ballbehandlung wesentlich erschwerte.“ Bei dem Spielverlauf wären mir wohl aus nervlicher Überstrapazierung alle verbliebenen Haare erst ergraut und dann ausgefallen. Schließlich verlor Rapid zwar das Spiel 2:3, aber gewann in Zusammenrechnung von Hin- und Rückspiel den Pokal. Große Jubelbilder, wie man sie heute von Finali kennt, konnte es damals nicht geben: „Auf Anweisung der Polizei, die Angst vor Tumulten hat, erfolgt die Siegerehrung inklusive der Übergabe der Pokale nicht auf dem Spielfeld, sondern im Inneren des Stadions.“

Die Finalberichterstattung der Festschrift schließen Mannschaftsfoto, Statistiken, Kurzbiographien von Sektionsleiter Schönecker und Trainer Bauer sowie ein lebendiger Matchbericht aus der Arbeiter-Zeitung über das Rückspiel ab.
Der Schluss kommt nocheinmal auf die Bedeutung des Mitropacups zurück, der Jahrzehnte vor Gründung der UEFA und des Europacups eine fußballerische Konkurrenz der Vereine der stärksten Verbände Mitteleuropas darstellte. Sportliche und auch wirtschaftliche Interessen waren wohl ausschlaggebend für seine Gründung, seine Wirkung reichte aber darüber hinaus: „Bis zu einem gewissen Grad wird hier anhand des Fußballs die Idee eines Europas ohne Grenzen vorgelebt. Jahrzehnte bevor diese Idee Realität werden sollte.“

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