Donnerstag, 7. Februar 2019
Vertrieben und ermordet
Rezension
First Vienna Football Club Supporters
Vertrieben und ermordet
Jüdische Mitglieder des First Vienna Football Club 1894
Wien 2018
28 S.
Ein Gedenkheft zu den vertriebenen und ermordeten jüdischen Mitgliedern der Vienna haben die First Vienna Football Club Supporters 2018 herausgegeben. Ersterscheinungstag der Broschüre war der Spieltag im Wiener Toto-Cup gegen den SC Maccabi Wien am 28. November 2018 (2:1). Vorangegangen war im Juni eine Choreographie im Gedenken an den fast vergessenen ehemaligen Leiter der Fußballsektionsleiter der Vienna Rudolf Grünwald, der als Jude von den Nazis verfolgt und am 15. Juni 1944 in Maly Trostinec bei Minsk ermordet wurde. Sie wurde am 8. Juni 2018, anlässlich seiner Deportation am 9. Juni 1942, gezeigt. Im Heft gibt es Bilder ihrer Entstehung.
Um Rudolf Grünwald geht es auch im Text, der großteils von Alexander Juraske stammt, Autor des Buchs „Blau-Gelb ist mein Herz“ − Die Geschichte des First Vienna Football Club 1894. In verschiedenen Kapiteln berichtet die Broschüre von der abrupten Beendigung des bis 1938 das Vereinsleben stark prägenden Engagements jüdischer Funktionäre und Mitglieder durch die Machtübernahme der Nazis und den demgegenüber geradezu paradoxen sportlichen Erfolgen in der ersten Hälfte der 1940er Jahre, die auf den Aktivitäten einzelner Vereinsmitglieder fußten. Sie konnten die Kriegsbedingungen erfolgreich nutzen namentlich Curt Reinisch durch seine Position in der Militärverwaltung in Wien als Soldaten stationierte gute Fußballer für die Vienna gewinnen. Die Vienna gewann von 1942 bis 1944 dreimal in Folge die Meisterschaft der deutschen Bereichsklasse Donau-Alpenland bzw. Gauliga 17, die nach 1945 vom ÖFB als österreichische Meistertiteln anerkannt wurden, und spielte in der Endrunde um die deutsche Meisterschaft, wo man 1942 das Finale, 1943 das Semifinale und 1944 das Viertelfinale erreichte. 1943 wurde die Vienna deutscher Pokalsieger. Währenddessen wurden jüdische Vienna-Fans, -Spieler und -Funktionäre beraubt, vertrieben, deportiert und ermordet. Alexander Juraske nennt Namen und skizziert ihre sportlichen Biographien: Paul „Gilly“ Goldberger (de Buda), Oskar „Schopp“ Grassgrün, Otto „Schloime“ Fischer, Rudolf Grünwald und Rudolf Spitzer.
Rudolf Grünwalds letzte Wiener Adresse war das israelitische Blindeninstitut auf der Hohen Warte, das die Israelitische Kultusgemeinde ab 1939 als Altersheim betrieb bis es 1942 behördlich geschlossen wurde nachdem man die Bewohnerinnen und Bewohner zur Ermordung deportiert hatte. Max Volgger berichtet von der Geschichte des Hauses. Abschließend folgt ein Interview mit dem ehemaligen Vienna-Spieler Hans Menasse, der als Kind als Flüchtling in England überlebte. Er erzählt u.a., dass der ehemalige Vienna- und Nationalteamspieler Karl Rainer sich im Zuge der Raubzüge der „Arisierung“ die Familienwohnung der Menasse einverleibt hatte und er in der Nachkriegszeit bei der Vienna nicht als „Jude“ sondern als „Engländer“ galt.
Im Vorwort schreiben die Supporters: „Der älteste Fußballklub in Österreich zu sein, verpflichtet geradezu zur Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. Dabei wird gerne an vergangene große Zeiten und Titel erinnert. Viele Ereignisse und Protagonist_innen aus der Geschichte unserer Vienna geraten aber zunehmend in Vergessenheit. Die First Vienna Football Club 1894 Supporters wollen mit Veranstaltungen, Veröffentlichungen und Aktivitäten dem Vergessen entgegen wirken.“
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