Von 1903 bis 1911 hatte der Sportklub Rapid seinen ersten eigenen Sportplatz. Er stand in Wien-Rudolfsheim.
Die ersten vier Jahre nach seiner Gründung 1899 trug die junge Rapid wie schon zuvor der 1. Wiener Arbeiter Fußball-Club die Fußballspiele am Exerzierfeld Auf der Schmelz aus. Das große freie Gelände stand für Aktivitäten offen, wenn es nicht gerade vom Militär in Beschlag genommen war. Es mußte vor jedem Match alles neu aufgestellt werden, Linien waren zu markieren etc. − und anschließend mußte alles wieder abgeräumt werden. Im Herbst 1902 verbot das Militär aber weitere Spiele auf ihrem Exerzierplatz.
Rapid pachtete südlich davon im Bezirk Rudolfsheim ein Grundstück von der Gemeinde Wien (Rudolfsheim und Fünfhaus wurden erst 1938 zusammengeschlossen). Hier konnte an der Selzergasse, zwischen Hütteldorfer Straße und Meiselstraße, im Frühjahr 1903 der erste Rapidplatz eröffnet werden. Bis 1911 war Rapid hier zuhause. Dann ging es auf die Pfarrwiese.
Das Gelände des Rudolfsheimer Sportplatzes heute
Heute ist das Gelände verbaut. 1903 war es eine freigehaltene Fläche neben dem Trinkwasserreservoir der Gemeinde Wien und ein „Platz für Reservoir-Vergrößerungen“. Das wird ein Mitgrund sein, warum Rapid das Grundstück günstig pachten konnte. Es gab dafür den Nachteil einer kurzen Kündigungsfrist, was später schlagend werden sollte, und man hatte hier nicht unbedingt die idealen Maße für ein Fußballfeld.
Die 1873 errichtete Schieberkammer des ehemaligen Wasserspeichers der Ersten Wiener Hochquellwasserleitung.
1910 kündigte die Gemeinde Wien den Pachtvertrag für den Sportplatz. Der 1905 nebenan errichtete Meiselmarkt wurde bis 1913 auf die doppelte Fläche erweitert. Rapid mußte dem Ausbau der Lebensmittelversorgung der rasch wachsenden Bevölkerung Wiens weichen, die zwei Millionen überstieg. 1910 lebten im heutigen Bezirksgebiet von Rudolfsheim-Fünfhaus mit 145.000 Menschen doppelt so viele wie heute. Rudolfsheim war damals einer der Bezirke mit dem höchsten Anteil an tschechischen Zuwanderinnen und Zuwanderern (ca. 300.000 in Wien). Wenn man die Rapid-Aufstellungen jener Jahre liest, wird man auf viele Namen slawischen Ursprungs stoßen.
1995 übersiedelte der Meiselmarkt in die Halle des ehemaligen Wasserbehälters. Die bereits aufgelassenen Marktstände wurden 1996 nach zwei Brandstiftungen abgetragen.
Am unteren Ende des ehemaligen Rudolfsheimer Sportplatzes, an der Meiselstraße, stehen heute anstelle des Marktes moderne Wohnhäuser. 1994 wurde hier direkt vor dem einstigen Rapidplatz ein Ausgang der U3-Station Johnstraße errichtet. Rechts die Selzergasse.
Die Häuserzeile der Selzergasse, an der die Längsseite des Sportplatzes lag, sieht heute im wesentlichen noch genauso so wie auf alten Bildern des Sportplatzes.
Der Sportplatzeingang befand sich an der Ecke Hütteldorfer Straße / Selzergasse, wo heute ein Blumengeschäft ist. Während auf der Schmelz der Sportplatzbereich mittels Stangen und gespanntem Spagat abgetrennt wurde, konnten hier eine Sichtbarriere aus Holzbrettern errichtet und Eintritt kassiert werden. Raffinierte Vorstadtjugendliche schreckte dies nicht ab, sodaß sich in den Brettern bald Gucklöcher fanden.
Am oberen Ende des einstigen Sportplatzes steht der 1953/54 errichtete Karl-Frey-Hof. Der Gemeindebau ist nach dem 1934 vom austrofaschistischen Regime abgesetzten letzten frei gewählten Bezirksvorsteher des damaligen Bezirks Rudolfsheim benannt. Im Innenhof gibt es am Ort des einstigen Fußballplatzes zumindest ein wenig Grün. Allerdings darf man sich damalige Sportplätze nicht wie heutige Rasenplätze vorstellen.
Fußball wird hier heute nicht mehr gespielt.
Eine Matchuhr gab es am alten Rapidplatz nicht. Zum Ablesen der Spielzeit wurde die gut sichtbare Kirchturmuhr der 1898 fertiggestellten Rudolfsheimer Pfarrkirche verwendet, die 1904 auch noch mit elektrischer Beleuchtung versehen worden war.
Der Rudolfsheimer Sportplatz in früherer Pracht
Am 15. März 1903 wurde der Rudolfsheimer Sportplatz von Ignaz Abeles, Präsident des Österreichischen Fußballverbands (ÖFV), eröffnet. Die Freude über die Rapid-Heimstätte war groß. Man nahm in Kauf, daß das Spielfeld von Tor zu Tor ein Gefälle von bis zu zwei Metern hatte. Mittels Erdarbeiten waren Böschungen aufgeschüttet worden, die als Stehplatzrampen dienten. 1907 konnte Rapid den Sportplatz weiter ausbauen. Ein Klubhaus (mit Dusche!) und eine Tribüne aus Holz wurden errichtet und der Höhenunterschied etwas eingeebnet. Die beste Sicht boten aber weder die Stehplätze noch die Tribüne sondern die Fenster der Häuser an der Selzergasse.
Auch wenn das erste Spiel 1903 gegen die Graphia mit 0:3 verloren ging, hatte Rapid nun auch Heimvorteil: Die Website Rapid in Zahlen von Franz Fiala nennt für den Rudolfsheimer Sportplatz von 1903 bis 1911 gesamt 216 Rapidspiele, davon 102 Siege, 47 Unentschieden und 67 Niederlagen. Die Bilanz war damit mit 47% Siegen und 31% Niederlagen bedeutend besser als auf der Schmelz, wo es in 45 Spielen nur 24% Siege und 51% Niederlagen gab. Das lag wohl auch daran, daß Verein und Mannschaft nunmehr im Unterschied zu den Anfangsjahren etabliert und eingespielt waren, doch ein Eutzerl wird die neue Heimstätte auch beigetragen haben.
„Dieser Platz sah das Wachsen und Werden Rapids.“ heißt es in Roland Holzingers Rapid-Chronik. Auf der Schmelz hatte Rapid die ersten Schritte unternommen. Doch zu einem richtigen Sportverein wuchs man hier zusammen. Hier wurden 1905 auch die Vereinsfarben von blau-rot auf grün-weiß geändert. 1906 erkämpfte und erspielte sich die kleine Rapid gegen die damalige Spitzenmannschaft des WAC aus dem Prater ein gefeiertes 3:3. Am eigenen Sportplatz konnte man nun auch Spiele gegen internationale Gegner austragen. Am 31. März 1907 begrüßte Rapid im Rahmen eines Osterturniers den FC Phönix aus Karlsruhe (1:4) und am 30. Mai 1907 spielte Rapid gegen den Portsmouth FC (0:5), die erste Begegnung der Vereinsgeschichte mit einem Profiverein aus England.
Am 5. Mai 1907 kam der Rudolfsheimer Sportplatz zu internationalen Ehren. Damals wurden sogenannte Städtespiele ausgetragen, die später meist als Länderspiele anerkannt wurden. Da WAC, Cricketer und Wiener Sport-Club das Spiel zwischen Wien und Budapest am 5. Mai 1907 boykottierten, wurde dieses hier am Rapidplatz ausgetragen und Rapid stellte mit sieben Spielern den Großteil der Wiener Mannschaft. Sie gewann 3:1. Die Allgemeine Sport-Zeitung lobte Rapid und das Spiel, aber nannte es „ein Armutszeugnis für die Wiener Sportgäste, daß eine Voreingenommenheit gegen einen Klub das Interesse an einem schönen Wettkampfe überwiegt.“ Dies sagt etwas über den Status Rapids aus. Beim noch überwiegend bürgerlichen Fußballpublikum war der Verein mit proletarischer Prägung nicht beliebt. 900 Zuschauerinnen und Zuschauer werden hier genannt. Auch wenn andere Quellen mehr nennen, dieselbe Begegnung besuchten ein Jahr später im Mai 1908 auf der alten Hohen Warte 4.000 Leute.
Allgemeine Sport-Zeitung, 12.5.1907
Bild: anno.onb.ac.at
Bild: anno.onb.ac.at
Eine Anekdote vom Match Wien-Budapest 1907 erzählte der Rapidler Leo Schidrowitz in seinem Buch aus dem Jahr 1951: „Die humoristische Einlage in diesem Städtespiel bot der ungarische Mannschaftsführer, der sich das Dach der Rapidtribüne als Feldherrenhügel erwählt hatte, auf dem er seinen Spielern durch ein Sprachrohr Weisungen zurufend umhertobte und umso mehr aus dem Gleichgewicht kam, je näher ein Sieg der österreichischen Ersatzmannschaft in den Bereich der Wahrscheinlichkeit rückte. Schließlich verlor er das Gleichgewicht in des Wortes simpelster Bedeutung ganz und stürzte vom Tribünendach auf die Laufbahn. Erfreulicherweise ohne sich Schaden zuzufügen.“
Die Schadenfreude des Wiener Publikums kann man sich vorstellen.
Die Kündigung des Pachtvertrags für den Sportplatz kam 1910 für Rapid überraschend. In diesem Jahr stand Rapid vor dem Aus. Nicht nur der Sportplatz ging verloren: Der Klub war nicht zuletzt aufgrund des Platzausbaus 1907 schwer verschuldet, nach einer Krise war die Vereinsleitung zurückgetreten und viele Spieler hatten mit ihr den Verein verlassen. Das Frühjahr 1910 verlief sportlich katastrophal. Im Herbst 1910 übernahm der erst 22-jährige, als Fußballer unauffällige, Rapidspieler Dionys Schönecker in dieser Existenzkrise die Verantwortung für Rapid. Nach längerer Suche wurde weiter im Westen ein neues passendes Grundstück gefunden und 1911 von der Pfarre Hütteldorf gepachtet. Es wurde die legendäre Pfarrwiese.
Die Holztribüne des Rudolfsheimer Sportplatzes wurde abgebaut und am 1912 eröffneten neuen Rapidplatz in Hütteldorf wiederaufgestellt. Sie stand dort bis zum großen Stadionausbau 1920/21.
Aus der Rudolfsheimer Rapid wurde die Hütteldorfer Rapid.
Funfacts: Eine gewisse Kontinutät gibt es, da der Rudolfsheimer Sportplatz ja an der Hütteldorfer Straße lag. Auch ist Rudolfsheim-Fünfhaus heute zwar der 15. Wiener Gemeindebezirk, der bis 1938 selbständige Bezirk Rudolfsheim war aber damals der 14. Bezirk. So wie es heute der 1938 begründete Bezirk Penzing ist (bis dahin Teil des 13. Bezirks). Rapid war also auch zu Rudolfsheimer Zeiten in Wien XIV zuhause.
Rapid am Meiselmarkt
1911 verließ Rapid Rudolfsheim. Doch noch bis 2011 regierte der SCR am Meiselmarkt im Reich einer jahrzehntelangen Anhängerin und Abonnentin. Am Stand der „Kraut-Elfi“ Elfriede Rauscher gab es nicht nur Sauerkraut und Gemüse, sondern auch viel Grün-Weiß zu sehen. Als „halb Kraut-Laden, halb Rapid-Shop“ charakterisierte Wenzel Müller ihren Marktstand in einem Artikel 2010 im Augustin:
„Irgendwie war die Liebe schon immer da, erzählt sie, auch schon in ihrer Jugend, als sie selbst noch Fußball spielte, und zwar als Torfrau. Später war es für mich klar, daß ich nur einen Mann heirate, der mit mir am Wochenende ins Stadion geht.
Und nicht nur am Wochenende zieht es sie ins Hanappi-Stadion, sondern auch montags, um beim Training zuzuschauen. Das ist möglich, da ihr Geschäft an diesem Tag geschlossen bleibt.“
Die Lage des Rudolfsheimer Sportplatzes
Eine schöne Übersichtskarte zu den ersten Heimstätten Rapids gibt es im übrigen im Rapideum zu sehen.
Bild: Google Maps
Literatur
- Franz Fiala, Rapid in Zahlen rapid.iam.at (30.12.2013)
- Roland Holzinger, Rapid. Die Chronik. 1899 − 1999. Waidhofen/Thaya 1999
- Matthias Marschik, Vom Herrenspiel zum Männersport. Die ersten Jahre des Wiener Fußballs. Wien 1997
- Wenzel Müller, Halb Kraut-Laden, halb Rapid-Shop. Die „Kraut-Elfi“ vom Wiener Meiselmarkt. in: Augustin 3/2010
- Leo Schidrowitz, Geschichte des Fußballsportes in Österreich. Wien 1951
- Edgar Schütz / Andreas Tröscher, Rudolfsheimer Sportplatz. Wien-Rudolfsheim. in: Andreas Tröscher / Matthias Marschik / Edgar Schütz, Das große Buch der österreichischen Fußballstadien. Göttingen 2007, S. 133f.
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