Freitag, 7. März 2014
11 Freunde, 148
Rezension
11 Freunde
Magazin für Fußballkultur
Nr. 148, März 2014
114 S. + 34 S.
Eine Titelgeschichte zum anstehenden Zweitliga-Aufstieg von RB Leipzig in Deutschland. Dahinter verbirgt sich ja ebenso wie in Salzburg viel, aber kein Fußballverein. Ein Fußballverein hat Fußball zum Zweck und Inhalt, Werbung ermöglicht das. Hier ist Kommerz der Zweck des Daseins, nicht das Mittel zum Zweck. Wenn man von Fußball mehr verlangt, als sich 90 Minuten unterhalten zu lassen, egal wie und von wem, kann man das unter dem großen und vagen Begriff Fußballkultur subsumieren. Diese mit Füßen zu treten ist raison d'être des Dosenkonzerns. „Rechtlich ist die Filiale des Brauseherstellers Red Bull nicht mehr zu stoppen. Für die Fußballkultur ist der Klub jedoch eine schallende Ohrfeige.“ schreibt Philipp Köster. Seine Argumentation ist im wesentlichen nicht neu und gibt neben deutschen Spezifika auch in Österreich altbekannte Argumente wieder. Aber sie sind ja nicht falsch. Hierzulande wird die Debatte mit seit 2005 unverrückten Fronten oftmals wiederholt.
Dazu gibt es im Heft eine Reportage über die Fanproteste bei Coventry City gegen die Austragung der Heimspiele 50 Kilometer außerhalb von Coventry. So schaut das aus, wenn Fußballvereine Fußballbetriebe in Privateigentum sind. Interessant ist auch noch der Bericht über Mario Bucci, der mit Danilo Dell'Olio per Videokamera im Stil von Michael Moore den Spielern folgte, die durch manipulierte Spiele im Zuge eines Wettskandals für den Abstieg seiner AS Bari aus der Serie A verantwortlich waren.
Ein spannender Text zur Fußballgeschichte ist ein Bericht über jüdische Fußballer, die im Frühjahr 1935 aus Nazideutschland zur Makkabiade nach Tel Aviv fuhren. Jüdische Fußballer und Fußballfans waren damals schon weitgehend aus den deutschen Fußballvereinen ausgeschlossen und auf abgesonderte Vereine beschränkt. Wenige Monate nach der Rückkehr der Sportler wurden Jüdinnen und Juden mit den Nürnberger Rassegesetzen gesetzlich zu Menschen zweiter Klasse. Nach dem Ende der Olympischen Spiele in Berlin 1936, für die vom Regime noch eine Fassade vorgeblicher Normalität aufrechterhalten worden war, wurden dann immer mehr der jüdischen Sportvereine verboten.
Dieses Thema vertieft ein sehr gutes beiliegendes Sonderheft: „Bis 1933 waren Juden ein selbstverständlicher Teil des deutschen Fußballs. Nach ihrer Vertreibung und dem Holocaust geriet das fast völlig in Vergessenheit. Erst in den letzten Jahren ist eine Kultur des Erinnerns entstanden.“ Neben einem Einführungsartikel von Lorenz Peiffer und Henry Wahlig machen den Hauptteil des Hefts Kurzbiographien von jüdischen Fußballern, Fans, Funktionären, Schiedsrichtern etc. aus. Die Bedeutung des Ausschlusses aus dem Sport als Akt der gesellschaftlichen Diskriminierung und Vorstufe des späteren Mordens wird aus all diesen Einzelgeschichten deutlich. „Ich stand eines Samstags mittags im Laden, als einer vom Verein hereinkam und sagte: Du darfst morgen nicht Fußball spielen, du bist Jude.“ erzählt Heinz Baum. Er bezeichnete diesen Tag als „das bis jetzt schlimmste Erlebnis“ seines Lebens.
Eine willkürlich herausgegriffene Biographie eines leidenschaftlichen Fußballfans: Der Gelsenkirchener Fleischhauer Leo Sauer. „Leo Sauer war begeisterter Fan und Förderer von Schalke 04. Der Inhaber einer Metzgerei an der Schalker Straße unterstützte viele Spieler privat, Ernst Kuzorra etwa bezahlte er den Führerschein und stellte ihn als Fahrer an. Auf einer Meisterfeier des FC Schalke präsentierte er ein Schwein, das er blau-weiß angestrichen hatte. Nach dem Machtantritt der Nazis wurde auch Sauer aus dem Verein ausgeschlossen. Er wurde am 27. Januar 1942 ins Ghetto Riga deportiert und später im KZ Stutthof in der Nähe von Danzig ermordet.“
Auch Österreicher kommen vor wie Richard Dombi (Kohn), unter dem Bayern München 1932 seinen ersten Meistertitel errang. Er verlor 1933 ebenso sein Traineramt und mußte das Land verlassen wie Fritz Kerr, 1933 Trainer der Stuttgarter Kickers. Weniger prominent ist der Name Paul Goldberger, der aus Wien zum Studium nach Deutschland ging, mit dem Freiburger FC 1907 deutscher Meister wurde und dann bis 1912 beim Frankfurter FV spielte und dem Vorgängerverein der Eintracht Frankfurt noch lange verbunden blieb. Er wurde 1941 aus Wien in das Ghetto in Łódź deportiert und ermordet.
Print ist schöner, aber das Heft gibt es auch zum Download [PDF].
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen