Mittwoch, 27. August 2014
Ballesterer 94
Rezension
Ballesterer
Nr. 94, September 2014
82 S.
Zum hundertjährigen Jubiläum des Beginns des millionenfachen Massenmordens des Ersten Weltkriegs beschäftigt sich ein fundierter und sehr gut recherchierter Artikel von Matthias Marschik und Clemens Zavarsky mit Mitarbeit von Alexander Juraske damit, wie „der Fußball im großen Krieg den großen Sprung nach vorne“ machte. Die Soldaten lernten in den Pausen des organisierten Tötens und Sterbens den Fußballsport kennen. Überall wurde zur Ablenkung, zur Erholung und als Zeitvertreib Fußball gespielt. Nach Kriegsende wurde die Fußballbegeisterung nach Hause mitgenommen. In vielen Städten und Dörfern wurden nach 1918 Fußballvereine gegründet, in Wien verdoppelte und verdreifachte sich die Zahl der Zuschauerinnen und Zuschauer in den 1920ern im Vergleich zur Vorkriegszeit. Große Stadien wurden gebaut. Fußball war zum Massensport geworden.
Die Kriegsbegeisterung erfasste 1914 auch Fußballer wie Josef Uridil, wie die Autoren auf Basis seiner Autobiographie berichten. Bereits von Kriegsbeginn im August bis zum Winter 1914 verzeichnete die k.u.k. Armee 1,2 Mio. Tote, Verwundete und Vermisste. Die rekrutierten Soldaten wurden im Namen von Gott, Kaiser und Vaterland rücksichtslos in den Tod geschickt. Darunter waren auch prominente Fußballer wie Hans Schwarz, der 1911/12 mit 22 Toren für die Vienna erster Torschützenkönig geworden war und 1913/14 mit 17 Toren zum ersten und einzigen Meistertitel des WAF beigetragen hatte (aufgrund der größeren Anzahl an Siegen vorgereiht dem punktegleichen Hütteldorfer Nachbarn Rapid). Er starb mit 24 Jahren im August 1914 in der Schlacht von Komarów in Galizien: „Zwei Monate nach seinem größten sportlichen Erfolg war Hans Schwarz tot.“
Trotz der Einberufung der jungen Männer in den Krieg, lief der Fußballbetrieb in Wien und den anderen Großstädten Österreich-Ungarns nach anfänglicher Unterbrechung weiter. Anders, aber ähnlich war es in Großbritannien, wie Zavarsky berichtet. Der französische Sporthistoriker Arnaud Waquet erzählt zudem im Interview, wie sich das französische Männlichkeitsbild durch die Anwesenheit von vier Millionen sportlicher britischer Soldaten im Land änderte.
Eine spannender und gelungener Schwerpunkt. Unklar blieb, warum die Fotos 90° gedreht abgedruckt wurden.
Weiters gibt es im Heft einen schönen Abschiedsartikel zum Hanappi-Stadion − „das Herz von Hütteldorf“ schreibt Eric Philipp − oder ein Portait der St. Pöltner Wolfbrigade.
Ebenfalls ins Heft gefunden hat ein Groundhoppingartikel meiner Wenigkeit über den Besuch auf der Pferderennbahn im bayrischen Pfarrkirchen.
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