Freitag, 4. April 2014

Gooool do Brasil


Rezension


Alois Gstöttner
Gooool do Brasil
Kartografie einer nationalen Leidenschaft
Wien 2014 (Club Bellevue)
176 S.





Hineintauchen und Hineinschnuppern in die Welt des brasilianischen Fußballs läßt uns der Autor und Fotograf Alois Gstöttner in diesem Buch. Er zeichnet seine „Kartografie“ essayistisch mit journalistischer Reportage und schöner Fotografie: Bilder aus großen Stadien, von Sportplätzen und vom Strand. Bilder von Menschenmengen in Fankurven, fußballfaszinierten Kindern und Fußballspielen allerorts.

Die schönste Geschichte ist diejenige des Fußballplatzes am Titelbild: Hier im Park Dom Pedro II. in São Paulo fand am 14. April 1895 das erste öffentliche und dokumentierte Fußballspiel auf brasilianischem Boden statt. Es spielten die Mitarbeiter zweier englischer Unternehmen gegeneinander. Zweifacher Torschütze der Mannschaft der Arbeiter der São Paulo Railway Company war Charles Miller. Ein Jahr zuvor, am 18. Februar 1894, war er im Hafen von Santos an Land gegangen. Er hatte ein Regelbuch, zwei Dressen, eine Luftpumpe und zwei Bälle dabei, stellte aber fest, daß der Fußball hierzulande noch völlig unbekannt war. Er begann eine erfolgreiche Missionierungsarbeit.

Das Buch ist aber keine historische Geschichte des Fußballs in Brasilien. Gstöttner läßt uns an seinen persönlichen Erfahrungen und seinem Erleben des Fußballs in Brasilien und in São Paulo teilhaben. Er besucht das vorsichtig gesagt sehr ungewöhnliche Turnier Peladão, wo nicht nur der Erfolg der Männer-Fußballmannschaft, sondern dazu auch das Abschneiden einer dazugehörenden jungen Frau in einem parallel stattfindenden Schönheits-Laufsteg-Wettbewerb Teil der Gesamtwertung sind. Er geht mit Mariana, einem Mitglied der Torcida Gaviões da Fiel, in die Fankurve seines Herzensklubs SC Corinthians Paulista aus São Paulo und zur Präsidentenwahl des Vereins.

Eine Corinthians-Legende, den 2011 verstorbenen Sócrates, hatte Gstöttner bereits vor Jahren interviewt. Das Buch ist sozusagen eine Erweiterung und Krönung der Brasilien-Ausgabe von Null Acht, der besten und letzten Nummer dieser kurzlebigen Zeitschrift, in der das Interview erschienen war. Wie schon damals erfreuen die volksbildenden Lexikon-Einträge, z.B.: „Während der englische ,Supporter sein Team unterstützt und ein italienischer ,Tifoso an einer ansteckenden Krankheit leidet, ist der brasilianische Anhänger ein ,Torcedor. Der Begriff ,Torcida bezeichnet den organisierten Fanklub, die Fankurve, aber auch die Masse der Anhänger im Allgemeinen. Das Wort ,torcer wird wörtlich als ,biegen oder ,verdrehen übersetzt und erklärt sich durch die Körpersprache eines leidenden beziehungsweise jubelnden Anhängers.“ Eine schöne Etymologie. Ein lesenswertes Buch.

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