Montag, 9. November 2015

Darmstadt - HSV 1:1 (0:1)

Deutschland, Bundesliga, 12. Spieltag, 7.11.2015
Stadion am Böllenfalltor, 17.000

Die Kräfteverhältnisse wurden vor dem Spiel durch Durchsage und Präsentation einiger statistischer Daten im Stadion beleuchtet. Sie zeichneten das Bild eines kleinen David, der auf einen übermächtigen Goliath trifft. Die Darmstädter „Lilien“ hatten vor Beginn 79 Bundesliga-Spiele bestritten, der Hamburger SV hingegen 1.775 Spiele und hat ganze fünfzig Jahre mehr Bundesligaerfahrung als die Gastgeber. Tatsächlich hatten die Hamburger mehr vom Spiel, waren spielerisch besser und gingen per Elfmeter auch in Führung. Doch die Darmstädter agierten sehr kampfstark, gaben nicht auf und rannten um jeden Ball. Für Freunde eines kampfbetonten Fußballs eine Freude zuzusehen. Sie kamen so schließlich zum verdienten Ausgleich kurz nach der Pause und hätten das Match mit mehreren Chancen auch gewinnen können.
Seit Saisonbeginn spielt hier der Rapidler György Garics (Meister 2005). Er machte eine solide Partie in der Verteidigung. Schön, ihn nach sehr langer Zeit wieder einmal spielen zu sehen. Beim HSV spielte ein Steirer.
Die Stimmung im bummvollen Stadion ist prächtig, wenn auch mehr vom Ambiente geprägt. Die Darmstädter Fanszenen befinden sich zweigeteilt an den jeweiligen Enden der Haupttribüne. An einem Ende befinden sich die Ultras mit einem sympatischen, durchgängigen Ultrasupport zu schönen Melodien. Am anderen Ende steht ein eher traditionell-deutscher Fanblock mit Gesängen der Marke „olé“ und „Wir standen vor Madagaskar“.
Der Hamburger Auswärtssektor war ebenfalls voll. Zu Matchbeginn zeigten sie eine schöne Pyroshow mit Bengalen und einem Silvesterrakten-Feuerwerk. In landestypischer Weise folgten entsetzte Gespräche auf übrigen Tribünenrängen und alarmistische Stadiondurchsagen über nun aufsteigenden „giftigen Rauch“, der umstehenden Leuten gesundheitlichen Schaden zufügt.
Der SV Darmstadt 98 geht auf den 1898 gegründeten FK Olympia 1898 Darmstadt zurück. 1919 fusionierte Olympia mit dem SC Darmstadt 1905 zum SV Darmstadt 98. 1950 stieg man in die Oberliga Süd auf, musste zu Saisonende 1951 aber aufgrund Ligenverkleinerung absteigen. 1974 schaffte man es in die neugegründete 2. Bundesliga und 1978/79 sowie 1981/82 für jeweils eine Saison in die deutsche Bundesliga. Nach dem Zweitligaabstieg 1993 folgten zwei Jahrzehnte in der Dritt- und Viertklassigkeit. 2011/12 war Darmstadt aus der 3. Liga sportlich abgestiegen, blieb aber dank Lizenzentzug der Kickers Offenbach in der Liga. 2012/13 gelang der Turnaround, Darmstadt wurde Dritter und schaffte sensationellerweise in Relegationsspielen gegen Arminia Bielefeld nach 1:3-Heimniederlage mit 4:2 auswärts in der Nachspielzeit der Verlängerung den Aufstieg in die 2. Bundesliga. 2014/15 schaffte man als Zweitplatzierter den direkten Bundesligaaufstieg, sodass man heuer erstmals seit 1982 wieder erstklassig spielt.
Das Stadion am Böllenfalltor wurde 1921 eröffnet. Der Name leitet sich von den einst hier wachsenden Pappeln, den hier so genannten Böllen, sowie dem in der Nähe den späteren Stadions stehenden einstigen Stadttor ab. Nachdem das Stadion nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst den US-Truppen für Baseball gedient hatte, erhielt es der Verein 1950 zurück. Zwischen 1950 und 1952 wurden durch Aufschüttung von Kriegsschutt die Stehplatzrampen geschaffen und die Kapazität auf 25.000 Plätze abgebaut. Die alte Haupttribüne wurde 1975 abgerissen und durch die heutige Haupttribüne ersetzt. Nach den ersten Bundesligaaufstiegen musste 1978 die Kapazität auf 30.000 Plätze ausgebaut und 1981 die Flutlichtanlage installiert werden, was den Verein für viele Jahre finanziell ruinierte. Das Stadion musste an die Stadt verkauft werden. Heute ist das Stadion für 17.000 Zuschauerinnen und Zuschauer zugelassen. 13.000 Plätze sind unüberdachte Stehplätze. Ein Stadionbesuch hier ist ein faszinierendes Erlebnis wie aus einer anderen Zeit. Aufgrund der maroden Bausubstanz der auf Schutt errichteten Tribünenränge soll allerdings andernorts ein neues Stadion gebaut werden.

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