Mittwoch, 25. März 2009
Der tödliche Pass, 52
Rezension
Der tödliche Pass
Magazin zur näheren Betrachtung des Fußballspiels
Heft 52, Februar 2009
71 S.
Matteo Galli schreibt ein amüsantes "Plädoyer für den kontrafaktischen Fußball", eine Nacherzählung, wie er es erlebt hätte, wenn seine Fiorentina in der Champions League bei Bayern München gewonnen hätte. Kontrafaktisch meint, daß der Kontext stimmt, der konkrete Handlungsablauf aber ein Gedankenspiel ist. So kann Galli in seinem Ticker nach dem Kantersieg vermerken "01:00 Uhr Wir schlafen ein und träumen vom Champions-League-Finale in Rom."
Ach, wie viele Spiele fallen einem ein, die es Wert wären, ihren Spielverlauf derart kontrafaktisch zu erzählen. Fußball ist wirklich eine Leidenschaft, die Leiden schafft (um mit Verlaub eine ausgelatschte Phrase zu verwenden).
Am interessantesten wiederum Albrecht Sonntags Bericht über Frankreich, über zwei dortige Analysen der Defizite des französischen Fußballs rund um Infrastruktur und geringen Stadionbesuch.
Sonntag stimmt den Studienautoren hier zu, ergänzt sie aber durch Hinweise auf Problemlagen, die nicht durch Baumaßnahmen zu lösen sind:
"Das Hauptproblem, der im Vergleich zu Deutschland oder England deutlich geringere gesellschaftliche Stellenwert des Fußballs in Frankreich, wird überhaupt nicht erwähnt. (Allenfalls wird hier und da recht kryptisch von 'soziologischen Problemen' gemunkelt). Dabei ist die Tatsache, dass die Franzosen den Fußball zwar mögen, aber eben nicht 'fußballverrückt' sind, der Schlüssel zum Verständnis der Gesamtsituation. Nicht einmal die Nationalmannschaft schafft es, die breite Bevölkerung wirklich zu mobilisieren (in der Regel stellt sich erst nach Erreichen eines Viertelfinales so etwas wie Begeisterung ein). Von den Klubs ganz zu schweigen: während bei uns (Anm.: in Deutschland) sogar die zweite Liga von Kultvereinen wimmelt, haben in Frankreich ganz wenige Klubs einen Kultstatus erreicht. Lediglich die Blauen aus Marseille oder die Grünen aus Saint-Etienne haben es geschafft, einen Mythos aufzubauen. Im Gegensatz zu Schalke, Dortmund, den Bayern oder dem HSV erscheinen selbst Lyon und der PSG als geschichtslose Retorten-Geburten."
Dazu nennt Sonntag noch fanunfreundliche Anstoßzeiten und Kalendergestaltung (z.B. Anfang Jänner Sonntagabend 21 Uhr...), kein "torreicher Spaßfußball", das Rassismus- und Hooligan-Problem und den Umstand, daß das Sponsorengeld in Frankreich nicht über mehrere Regionalmetropolen verteilt ist, sondern zentralistisch in Paris versammelt ist. Letzteres gilt allerdings auch für England - das Big Business ist in London zu Hause, nicht in Manchester, Liverpool oder Birmingham. Das behindert dort auch nicht die Entwicklung. Dennoch ein sehr spannender, informativer Artikel.
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