Mittwoch, 3. Dezember 2008
Der tödliche Pass, 50
Rezension
Der tödliche Pass
Magazin zur näheren Betrachtung des Fußballspiels
Heft 50
Juli 2008
107 S.
Die literaturlastige Münchner Fußballzeitschrift bietet u.a. interessante Informationen über die Stellung des Nordens in der französischen (Fußball-)Kultur. Albrecht Sonntag vergleicht sie mit der Stellung des deutschen Ruhrgebiets oder Nordenglands.
Sonst halt zeitbedingt (das Heft ist im Juli erschienen) viel rund um die EM. Von einer klassischen Tagebuch-Form der Aufarbeitung des Turniers bis hin zum netten Reisebericht von Claus Melchior über EM-Tage beim James-Joyce-Symposium in Tours in Frankreich: "public viewing auf Großleinwänden findet in Tours sympathischerweise ebenfalls nicht statt. Solche Veranstaltungen sind nur etwas für Leute, die sich eigentlich nicht für Fußball interessieren. Hinterher berichten sie dann, wie toll die Party war, fragt man aber nach dem Spiel, so erntet man allenfalls einen ahnungslosen Blick. Fußball ist eine viel zu ernste Anlegenheit für solchen Blödsinn."
Von Melchior stammen überhaupt die interessantesten Beiträge, so auch persönliche Betrachtungen zum Münchner Derby im Februar (hatte ich vor einem Jahr im Kleinformat) und ketzerische Gedanken zur Kritik am deutschen Hoffenheim als "traditionsloser Retortenverein, der mit fremdem Geld den Erfolg gekauft hat". Melchior schreibt:
"Das Gegenmodell wäre demnach ein Verein, der so gut wie immer erstklassig, vielleicht bereits vor dem 2. Weltkrieg mal Deutscher Meister war und sich seine gegenwärtigen Erfolge aus eigener Kraft erarbeitet hat. Dieses Modell haben wir in der Bundesliga ja schon seit längerem, aber ich wüsste nicht, dass wir deshalb alle Anhänger des FC Bayern München wären. [...] Dietmar Hopp ist ein Mäzen im klassischen Sinn, der mit seinem Geld einen Verein fördert, in dem er selbst Fußball gespielt hat (und nebenbei hat er auch noch den SV Waldhof vor der Insolvenz gerettet). In Hoffenheim gibt es ein überaus modernes Gesamtkonzept, das eine hervorragende Jugendarbeit beinhaltet und letztlich dem Fußball insgesamt nützen dürfte. All dies verbietet den Vergleich mit einem Roman Abramovitsch, der sich einfach ein Spielzeug gekauft hat, welches zufällig auf dem Markt war, und der zudem auf eher dubiose Weise an sein Vermögen gelangt ist. Und Hopp ist auch kein Traditionsvergewaltiger wie der Herr Mateschitz in Salzburg." (Hervorhebung im Original)
Bedenkenswert. Dies ist tatsächlich eine wichtige Unterscheidung, die herauszustreichen ist. Macht das ganze aber leider um nichts sympathischer. Zu oft hinterlassen "Gönner" und "Mäzene" nach kurzem Strohfeuer nur sportliche, infrastrukturelle und fußballkulturelle Ruinen. Für den Fußballfan, dem abseits vom rein Sportlichen (da ist das natürlich höchst bemerkenswert!) auch das Kulturelle wichtig ist, geben Spiele gegen emotional leere Sinnlosgegner wie in Österreich das, dann nach Kärnten verkaufte, Pasching nichts her. Und das, genau das, zerstört auf lange Sicht den Fußball.
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